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Bekenntnisse eines digitalen Spitzels amer. Herkunft

Als Amerikaner vermag ich selbstverständlich den Inhalt Ihrer Festplatte zu lesen, als wäre es das New Yorker Telefonbuch. Ich weiß alles – sogar, dass Sie Kaffee auf Ihre Tastatur verschüttet haben. Bitte aber künftig auf die Papierbecher dieser amerikanischen Kaffeemarke mit den vielen Geschmacksrichtungen verzichten – Sie wissen, wen ich meine (bei mir keine Schleichwerbung – wir bekommen unser Geld ausschließlich von der NSA). Der Geruch von bestimmten Geschmacksrichtungen, wenn sie auf eine Tastatur verschüttet werden, sickert nicht nur ins Innenwerk Ihrer Tastatur, sondern durch das ganze Internet und schließlich in mein IP-Informationszentrum. Igittigitt.

Ich bin sogar in der Lage das Zimmer meines neuesten Spammers zu schildern. Er nennt sich „Aliciakeyss“ und hinterlässt täglich ca. fünfzehn „Kommentare“ auf meiner Webseite, die ich, seiner Fantasie nach, veröffentlichen soll, um Werbung für Poker-Seiten zu machen. Dass ich nicht lache.

Natürlich lösche ich seine primitiven in englischer Sprache verfassten Texte umgehend. Was er (ja, er ist ein Er), aber nicht ahnt: ich weiß sehr viel über ihn. Mitunter: Sein Zimmer befindet sich in Minsk in Weißrussland. Wieso weiß ich das?

Ganz klar: Als Agent im Dienste der NSA (fast alle Amerikaner im Übersee arbeiten für die „Agency“, wie wir es nennen) kann ich mittels der in seinem Monitor eingebaute Kamera jede Ecke seines Zimmers sehen. Ich kann sogar zoomen! Das große Porträt von Aljaksandr Ryhorawitsch Lukaschenka, so der Name des Diktators in der weißrussischen Sprache, wäre nur in Weißrussland denkbar. Und nicht von ungefähr ist seine IP-Adresse in Minsk beheimatet.

Und ich weiß, wie „Aliciakeyss“ aussieht: Er dürfte Ende zwanzig sein, ist oft unrasiert, raucht selbstgemachte Zigaretten, ist Brillenträger und hat die Gewohnheit, sehr häufig in der Nase zu bohren. Hinzu: Er isst mit Vorliebe ganz fettige Wurst – mit den Fingern! Wenn ich seine Tastatur nur oberflächlich beschreiben würde!

Sie können sich vorstellen, wie unappetitlich meine Arbeit werden kann. Manches will man über andere Menschen einfach nicht wissen. Und die Berichte, die ich ans HQ, also „Headquarters“ schicke, sind voll mit Bemerkungen über die hygienischen Zustände bei den Bespitzelten. So will es das HQ. Nebenbei: „Aliciakeyss“ hat eine Freundin namens Swetlana. Sie trägt eine Tätowierung unter…nein, ich möchte hier nicht so sehr ins Detail gehen. Das erfährt nur das HQ. Sie werden dafür Verständnis haben.

Manchmal frage ich mich, wer am HQ meine Berichte liest? Ich weiß es wirklich nicht. Und ich schreibe meine Beobachtungen praktisch acht Stunden täglich auf. Also wirklich kein Zuckerlecken. Es sind bisweilen drei- oder vierhundert Momentaufnahmen täglich. Ja, wer liest das ohne dabei einzuschlafen? Denn ich bin, ehrlich gesagt, noch nie auf etwas richtig Verdächtiges gestoßen. Und ich mache diese Arbeit schon seit zwölf Jahren.

Mein Freund Lennie, der ist auch Amerikaner, ein Kollege also, hat mir mal erzählt, dass die Arbeit ihn so sehr langweilt, dass er inzwischen alles Mögliche erfindet, um seine Berichte ein bisschen zu würzen. Immer wieder legt er seinen „Dorks“ (so nennen wir unsere „Klienten“) Wörter wie „Dschihad“, „Osama“ und „Bombe“ in den Mund. Das hat freilich Konsequenzen: So, zum Beispiel, barsten eines Nachts Spezialeinheiten ins Haus einer 93jährigen ehemaligen Apothekerin in Düsseldorf rein. Die Frau ließ sich aber offensichtlich nicht einschüchtern. Als ehemalige Tai-Quan-Do-Lehrerin gelang es ihr innerhalb Sekunden, drei Agenten unschädlich zu machen. Einer kam anschließend ins Krankenhaus mit einem Bänderriss.

Es ist echt eine dröge Arbeit. Glauben Sie’s mir. Die Chinesen machen es längst viel raffinierter. Sie haben schon lange den Dreh raus, Menschen zu züchten, die kaum großer sind als ein paar Byte, ja Byte. Diese werden dann durch das Internet befördert, können überall auftauchen – auch bei Ihnen. Sie machen keine Fernberichte wie ich. Sie sehen vor Ort ALLES.

Nein, ich erfinde nichts. Außerdem sind die meisten dieser Byte-großen Mitarbeiter Tibetaner und Uiguren. Somit versuchen die Chinesen ihr Minderheitenproblem zu lösen.

Eigentlich darf ich Ihnen all dies nicht erzählen. Fakt ist aber: Wir bestreiken die NSA momentan, weil die Arbeitsbedingungen immer ungerechter werden. Und die Bezahlung ist auch nicht gerade lustig. Darüber hinaus kriegen wir nur zwei Wochen bezahlten Urlaub im Jahr und haben keine Krankenkasse. Allmählich denke ich, dass sie uns gar nicht ernst nehmen, die da im HQ.

Kurzer Abriss über die Intimrasur usw.

Es gibt Wichtigeres zu thematisieren als Haare.

Ohnehin bin ich völlig verunsichert, ob ich in der heutigen Zeit „Haare“ oder „Haar“ zu sagen habe.

Als ich in den 1970er Deutsch täglich zu sprechen begann, hielt ich es für merkwürdig, dass alle sagten: „Mei, hat sie schöne Haare“ oder „Ach, ich muss mir die Haare schneiden lassen“ usw.

Das lag daran, dass das englische Substantiv „hair“ sowohl zählbar wie auch unzählbar sein kann. Wenn zählbar, dann unerbittlich so: „Damn! I found eight hairs on the carpet! That dog has to go.“

In allen anderen Fällen betrachten wir „hair“ als Kollektivum. „He has long hair“, „Her hair is blonde“ und dergleichen.

Einst bemerkte eine hübsche junge Frau: „Wow, hast du ja schöne lockige Haare.” Ich war völlig perplex. Einerseits lässt man sich gern ein Kompliment geben. Andererseits neigte ich dazu, weil ich einen starken Hang zur Ironie habe, zu antworten: „Danke, aber hast du die alle gezählt?“ So schnöselig war ich aber nicht.

Zugegeben: Es gibt momentan wichtigere Themen als Haare oder Haar. Zum Beispiel, dass die Welt – zumindest auf politischer und wirtschaftlicher Ebene – zusehends aus den Fugen gerät und FC Bayern einen neuen Trainer hat. Über diese Sachen kann man sich aber in jedem beliebigen Blatt informieren; über Haare (oder Haar?) wettert nur der Sprachbloggeur. Aber nun endlich zur Sache:

Ich stelle nämlich fest, dass es – was die Haare betrifft – genauer gesagt die Körperbehaarung – einen Paradigmenwechsel gegeben hat. Er tauchte wie aus dem Nichts auf. Doch ich verstehe immer noch nicht, weshalb es so ist.

Etwas Hintergrund: Ein betagter Gentleman aus meinem Bekanntenkreis, inzwischen verstorben, wollte mir vor fünf Jahren was Gutes tun: Eines Tages drückte er mir einen ramponierten alten Aktenkoffer in die Hand: „Hier, für dich“, sagte er. Ich machte auf und siehe! Lauter Münzen – zwar keine wertvolle – aber alte Münzen, die er im Lauf seines langen Lebens gesammelt hatte. Außerdem fand ich im Koffer ein paar pornografische Videos aus den 1970er Jahren. „Vielleicht gefällt dir das auch“, sagte er und kicherte bös.

Ich bin, um ehrlich zu sein, kein Prüder. Dennoch finde ich pornografische Filme normalerweise sehr langweilig, zumal sie darauf zielen, das hehre Geheimnis der körperlichen Liebe für alle sichtbar zu machen. Das geht natürlich nicht – erst recht nicht, wenn ein Darsteller, der sich wie ein Zombie bewegt, ständig „Hey, Baby, du hast tolle Titten“ sagt und eine Frau unentwegt mit der Zunge über die Lippen fährt und antwortet: „O ja, o ja.“

Ja, ich gebe zu. Ich habe mir die Filme angeschaut – zumindest Teile davon. Denn häufig drückte ich auf „fast forward“, um noch schneller zum lahmen Schluss zu kommen.

Ich teile diesen Sachverhalt aus der Privatsphäre mit Ihnen aus einem bestimmten Grund mit. Und zwar: wegen meiner Beobachtungen im Punkto Körperbehaarung. In besagten alten Videos ist nämlich viel davon, d.h. von der Körperbehaarung, zu sehen: Männer wie sexualisierte Teddybären ringen mit Frauen, die da unten wie der Urwald aussehen.

Aber jetzt zum Kern:

Wenn man die Pornodarstellungen der 1970er Jahre mit ihrem Gegenpart der 2010er Jahre vergleicht, fällt auf, dass es heute in diesem Beruf keine Teddybären und Urwälder mehr gibt. Im Gegenteil. Wir leben im Zeitalter der Intimrasur. Und nicht nur in der Pornografie. Auch im wirklichen Leben: Die Depilation ist – für beide Geschlechter – zu einer Großindustrie vergleichbar mit Smartphones geworden. Als ob in den letzten Jahren eine neue haarlose Menschenzüchtung angestrebt wird. Ich habe keine Erklärung für dieses Phänomen.

Und wann haben Sie das letzte Mal einen Fußballspieler mit Brusthaaren gesehen? Vielleicht noch nie, wenn Sie jung genug sind. Rückblick: In den 70er Jahre stürmten beinahe ausschließlich die Teddybären übers Spielfeld.

Es ist ein Leben wie in der Zeit der Renaissance. Schauen Sie sich mal die alten Bilder an. Sie werden zwar Männer mit Kopfhaaren und Bärten im Überfluss finden. Brusthaare? Beinhaare? Achselhaare? Schamhaare? Ob Jesus, Abraham, Mose oder der Heilige Sebastian. Mangelware. Alles intim rasiert.

Nur ein paar vereinzelte Beobachtungen. Ich schreibe hier keine Doktorarbeit und überlasse diese Aufgabe lieber einem (oder einer), der/die mehr Zeit für Haare hat. Oder meine ich „Haar“?

Versöhnliche Gedanken nach dem Massenmord

„Mein Gott! ich kann es kaum fassen! Sie kippen sie in den Container einfach so…wie Restmüll!“ Das sagte die eine Frau.

„Als hätten sie keinen Wert mehr“, sagte eine zweite.

„Ich hätt‘s mir nicht mal im Traum vorstellen können, dass ich so was erlebe“, die erste wieder.

Wir wurden immer mehr, und wir staunten alle. Die großen blauen Kisten wurden reihenweise aus dem Haus befördert, alle randvoll. Dann hau ruck! Und der Inhalt wurde in einen noch größeren blauen Container gekippt. Es waren Bücher.

Ja, Bücher. Wir schreiben den 13. Juni 2013. Standort Friedrichstraße in München. Der dtv Verlag hatte sein altes Quartier geräumt, war umgezogen.

Zurück blieben abertausende Bücher: Nachschlagwerke, Belegexemplare, unverkaufte Bände aus dem Lagerbestand usw. Fortlaufend kippten die Männer der Entsorgungsfirma die Bücher in die Containers. Ich griff zum Fotoapparat, um die Szene zu verewigen. Brav schauten die Männer in die Linse: „Kommt das Bild auf Facebook?“ fragte einer.

„Nein, nur halt für mich.“ Habe ich eine Spur der Enttäuschung wahrgenommen?

Eine vollständige Encyclopedia Britannica wurde vor meinen Augen reinkatapultiert, auch ein Brockhaus – aber was soll’s, die hören ohnehin bald auf, gell? Heute hamma Wikipedia und dergleichen. Ein mehrbändiges Literaturlexikon flutschte vor meinen Augen in den Container vorbei. Und endlich kam ich auf die Idee, mir ein paar Bücher vor der Entsorgung zu retten. Das war freilich nur möglich am vollen Container. Zu hoch wären die Wände sonst. Man klaubte, was einem gefiel, als handelte es sich um Treibgut auf der Wasseroberfläche. Was in der Tiefe lag, blieb für alle Ewigkeiten unerforscht.

So kam ich zu einem neuen „Rand-McNally International Atlas“, zu einem „Das treffende Wort“. Einer der Entsorger drückte mir beinahe verlegen eine achtbändige Kassette in die Hand mit Mommsens „Römische Geschichte“. Brav trug ich diese Schätze mit nach Hause. Hinzu einige kleinere Werke: ein paar Bücher über Mozart, Jean Paul, ein Exemplar von Küngs „Christsein“, Kurzgeschichten von Ingeborg Bachmann, ein Buch über Paulus usw. Mehr konnte ich ohnehin nicht transportieren. Die anderen Zuschauer(innen) taten es ähnlich. Eine Frau hatte bald zwei hohe Türme Bücher auf dem Bürgerstein aufgestapelt. Ich drückte der Dame vom Blumengeschäft ein nagelneues Exemplar des „Wahrig-Die deutsche Rechtschreibung“ in die Hand.

„Kommen Sie wieder“, sagte mir jemand. Es geht den ganzen Tag nur weiter so.“

Ende des Bücherzeitalters? Hallo E-Buch! Bye bye Bücher?

Nein. Lediglich das Ende der Inflation.

Fakt eins: Es gibt mittlerweile viel zu viele Bücher im Umgang. Bücher sind keine Kleinode mehr. Sie sind wie Zeitungen: Info-Träger fürs Recycling. Aber wohin mit ihnen? Denn es gilt noch immer als unfein, ein Buch einfach in die Papiertonne zu werfen.

Fakt zwei: Das E-Buch wird das papierne Buch nie ersetzen. Denn das Buch bleibt für alle Zeiten eine geniale Erfindung. Allem Hype der elektronischen Medien zum Trotz, sind diese Blättersammlungen enorm praktisch.

Jetzt ein kurzer Sprung in die römische Antike. Das Lesepublikum in der Republik (zu bemerken: eine sehr kleine Minderheit der Bevölkerung) pflegte ihre Literatur in Schriftrollen zu schmökern. Damals, so schreibt Niklas Holzberg in seinem schönen Buch „Catull“, betrachtete man die Lektüre einer Schriftrolle als eine Reise, ja, eine Schiffsreise, die zu Ende geht, wenn man das Meer der Pergamentrolle überquert hat. Ein E-Buch zu lesen ist ein ähnliches Erlebnis. Zwar werden E-Buchlesergeräte mit raffinierten Suchprogrammen ausgestattet. Das elektronische Suchen bleibt dennoch umständlich. Rumspringen kann man nach wie vor am schnellsten in einem richtigen Buch.

Beispiel: Ich lese momentan im E-Buchformat die Essays von George Orwell. Geniale Stücke bis heute. Will ich aber, bevor ich den nächsten Essay anfange, wissen, wie viele Seiten der Text hat, muss ich mich auf eine komplizierte Prozedur einlassen. Manche Readers verraten gar keine Seitenzahlen – stattdessen erfährt man wie viel Prozent des ganzen Werkes ein Kapitel hat. Wer aus einem richtigen Buch liest, hat hier eindeutig den Vorteil.

Noch ein Beispiel: Wenn ich in meiner schönen Ausgabe des mittelenglischen Gedichts „Piers Plowman“ lese, will ich mal schnell in den Notizen oder im Glossar nachschlagen. Dies wäre beim E-Buch sehr mühsam. Hier auch siegt das Papier.

Das E-Buch ist aber das perfekte Format, wenn man sich auf eine lange Reise, eine literarische Schiffsreise, begeben will, mit der Kenntnis: Ein Zurück gibt es nicht.

Fazit: Fürs lineare Lesen: das E-Buch. Sonst bleibt das Buch – „codex“ auf Lateinisch – weiterhin tongebend.

Den vielen Büchern in den Containers trauere ich aber nicht nach, zumindest den meisten. Viele wären ohnehin fürs E-Buchformat geeigneter gewesen. Und die zu entsorgen? Es hätte ein Knopfdruck genügt. Klick! Zack!

Sex für Fußgängerinnen und andere

Nach drei Tagen stinken Fisch und Gäste, sagt das geflügelte Wort. Demnach stinke ich schon lange. Oder nicht. Ich bin nämlich seit langem kein „Gast“ mehr in diesem Land, sondern „Mitbürger mit Migrationshintergrund“. Und das, was ich in diesem Land mache, heißt nicht „stinken“, sondern „mich integrieren“.

So ändert sich die Sprache.

Und damit komme ich zum eigentlichen Thema dieser kurzen Glosse: Sex.

Nicht ist aber hier von dem Sex die Rede, den Ihnen meine Spammerinnen gerne verkaufen möchten, würde ich ihre „Kommentaren“ auf dieser Seite zulassen. Sorry.

Leute wie ich finden es viel sexier über Dinge zu berichten, die frau gewöhnlicherweise als „Geschlecht“ oder „Genus“ bezeichnet. Sex also als grammatikalische Handlung.

Richtig! Es geht hier irgendwie um die Herren Professorinnen an der Uni Leipzig. Ich weiß. Ich hätte mich eigentlich schon letzte Woche zu Wort melden sollen, als das Thema noch aktuell war. Heute darüber Gedanken zu machen erinnert an die Gäste, die länger als drei Tage geblieben sind. So kurzlebig ist das Interesse an Neuigkeiten.

Wenn ich aber ehrlich bin, sind mir die Professorinnen – zumindest als Thema – ohnehin ziemlich schnuppe. Will sich frau in Leipzig Professorin nennen, bin ich bedingungslos damit einverstanden, zumal die Professorinnen-Debatte kein Anfang einer neuen Art mit der Sprache umzugehen ist. Es ist vielmehr der logische Schluss eines langjährigen Prozesses, der kurz nach meinem Antreffen in Deutschland als Mensch mit Migrationshintergrund bereits am Dampfen war.

Ich vermute stark, dass dieser Prozess der geschlechtlichen Angleichung seinen wahren Ursprung in meiner Heimat, also in den USA, hatte: und zwar in den 1970er Jahren. Damals begann frau etwas bewusster auf die geschlechtliche Gleichheit – ich meine in der Grammatik – zu achten. Beispiel: Das traditionelle Genus des Wortes „someone“ (jemand) ist im Englischen männlich. Im Satz „If you hear someone knocking on the door, let him in“ wird das klar. Doch eines Tages klang diese Formulierung in vielen Ohren offenbar diskriminierend. Frau fragte: Warum heißt es „he“ und nicht „she“? Alsbald suchte frau nach einer Lösung. Und bald sagten immer mehr Menschen: „If you hear someone knocking on the door, let them in“. Mehrzahl anstelle von Maskulinum. Nützlich schon, aber schlechtes Englisch. Andere entschieden sich für „If you hear someone knocking on the door, let him or her in.“ Gerecht aber umständlich.

Bis heute hat frau für dieses Problem keine endgültige Lösung gefunden. Aber bald war der Vorstandsvorsitzende dran. Der hieß bei uns „chairman“. Mit recht aber. Fast alle Firmenchefs waren damals Männer. Für den Fall, dass eine Frau in diese Rolle schlüpfen sollte, hätte frau sie problemlos als„chairwoman“ oder „chairlady“ bezeichnen können. Ähnlich war es in Deutschland, als die Kanzlerin Kanzlerin wurde. Aber nein. In den USA wurden Vorstandsvorsitzende zu „chairs“, also „Stühle“. In den USA führt ein Stuhl heute eine Sitzung.

Ich war fest überzeugt, dass die deutsche Sprache eine gewisse Immunität gegen einen solchen Umgang mit der Sprache hatte, zumal das Deutsche jedes Nomen – unabhängig von der Logik – sturköpfig mit einem Genus versieht: „das Weib“, „die Majestät“, „der Blumenstrauß“. Es ist unmöglich auf Deutsch zu sagen: „Hörst du jemanden an der Tür klopfen, lass sie eintreten“. Wird aber im Zeitalter der StudentInnen und LeserInnen diese Treue zur Grammatik noch halten?

Haben Sie gewusst, dass der „Fußgänger“ und der „Autofahrer“ seit April 2013 ausgedient haben? Zumindest in der neuen Straßenverkehrsordnung (StVO). Dort ist die Rede vom „Fuß gehenden“ und „Auto fahrenden“, bzw., von „wer zu Fuß geht“ und„wer Auto fährt“.

Mein Sohn wartet auf den Tag, wenn die Krankenschwestern zu Krankenbrüdern werden. Kann auch mal passieren. Und wer weiß? Vielleicht wird er eines Tages Professorin. Sein Vater, die Sprachbloggeurin, wäre dann mächtig stolz auf ihn (auf sie?).

Ruhmreiche Idee zu verschenken

Hallo! Ist jemand aus dem Kreis meiner Leser Naturwissenschaftler?

Heute möchte ich nämlich eine einmalige Gelegenheit verschenken. Genauer gesagt, eine Eingebung verschenken, die für ein/en/e Naturwissenschaftler/in (die Sprache wird immer umständlicher) zum beruflichen Erfolg führen könnte.

Aber vorerst Persönliches: Ich war nicht immer ein Wortschmied. Nein. Einst strebte ich eine naturwissenschaftliche Laufbahn an.

In der zehnten Klasse verbrachte ich die Mittagspause im protozoologischen Labor der Highschool. Ich war das einzige Mitglied des protozoologischen Klubs. Während ich mein von Zuhause mitgebrachtes Sandwich schnabulierte, beobachtete ich Urtierchen unter dem Mikroskop.

Mr. Landowsky, der zuständige Lehrer, bezeichnete mich als sein kleines Pantoffeltierchen – auf Englisch: „little paramecium“. Damit meinte er mit Sicherheit nichts Anzügliches. Damals war die Welt ganz anders: unschuldiger.

Obiges nur einleitend. Meine Karriere als Protozoologe, sprich als Naturwissenschaftler, ging jäh zu Ende, als ich im folgenden Jahr Physik pauken musste. Ich war in diesem Fach leider keine Leuchte.

Jetzt überspringen wir die Jahre. Ich bin nicht mehr Mr. Landowskys kleines Pantoffeltierchen, sondern Geliebter meiner damaligen Lebensabschnittspartnerin Virginia. Wir bewohnen in Santa Barbara ein hübsches Häuschen in den Vorbergen der Santa Ynez Berge. Man schreibt den 9. Februar 1971. Es ist ca. 6h in der Früh. Virginia und ich schlafen den Schlaf der jugendlichen Unschuld. Plötzlich werde ich aus den Träumen gerissen. Denn unser Häuschen scheint hin und her zu schaukeln. Es ist als ob ein Riese unser Häuschen in seiner großen Hand hält und sachte Bewegungen macht. „Was geht hier vor?“ frage ich schlaftrunken.

Virginia, gebürtige Kalifornierin, reagiert gelassen. „Ach, bloß ein Erdbeben“, sagt sie.

Augenblicklich erwacht der junge Forscher in mir aus dem langen Schlaf. Ich springe wie neugeboren aus dem Bett und haste – der Boden bebt noch – zum Telefon. (Notabene: Es gab damals weder Handys noch tragbare Telefone). Ich wähle die amtliche Zeitangabe. Ich glaube, die Nummer lautete „MEridian 6 1212“ und notiere die Zeit (ich besaß keine Uhr).

Ach! Das Wichtigste habe ich vergessen zu erwähnen: Ich war damals als professioneller Astrologe tätig. Ja, ich verdiente mein Geld (es war zwar ein bescheidenes Auskommen), indem ich für Kunden (meistens waren es Kundinnen) Horoskope erstellte und deutete. Keine einfache Arbeit, sollte ich betonen. Ein Horoskop genau mathematisch zu errechnen, erforderte etwa zwei Stunden, es zu deuten noch zwei Stunden. Aus Gründen, auf die ich hier nicht weiter eingehe, habe ich diesen Beruf 1972 an den Nagel gehängt. Das ist aber eine lange Geschichte. Vielleicht ein anderes Mal.

Ich war aber als Astrologe ein kritischer Geist, der naturwissenschaftlich dachte. Und nun war ich neugierig, ob man anhand von einem Ortshoroskop ein Erdbeben wie dieses hätte voraussehen können. Aus der Zeitung – damals gab es noch kein Internet – erfuhr ich, dass das Epizentrum in Los Angeles lag. Ich setzte mich nun hin und errechnete die Stellen der Himmelskörper und studierte das Ergebnis sorgfältig. Ich fand aber nichts, was meiner Meinung nach, ein Erbeben aus astrologischer Sicht hätte veranlassen können. Keine dramatischen Konfigurationen also. Kurzlebige Enttäuschung.

Doch plötzlich hatte ich einen Einfall der besonderen Art. Ich fragte mich: Ist die Errichtung eines üblichen geozentrischen Horoskops – also mit der Erde als Mittelpunkt – vielleicht die falsche Arbeitsweise, um ein Erdbeben vorauszusehen? Womöglich, sann ich. Und nun erstellte ich ein heliozentrisches Horoskop – also eine Momentaufnahme der Lage der Himmelskörper mit der Sonne als Mittelpunkt. Zum Glück besaß ich sowohl geozentrische wie auch heliozentrische Tabellen – „Ephemeriden“ genannt, um diese Positionen zu messen.

Das Ergebnis war vielversprechend, auch wenn ich es hier leider ungenau wiedergeben muss. Die Geschichte liegt nämlich ein paar Jährchen zurück. Ich konstatierte aber folgendes Bild: Im Augenblick des Erdbebens lag die Sonne zwischen Jupiter und Saturn. Die Erde befand sich in einem rechten Winkel zu beiden Planeten. Und da wir außerdem gerade Vollmond hatten, steckte die Erde zwischen Sonne und Mond.

Meine damalige Frage: Kann es sein, dass das Erdbeben durch Spannungen ausgelöst wurde, die von den Stellungen der oben erwähnten Himmelskörper ausgingen? Ich begab mich in die Stadtbücherei und recherchierte Ort und Zeit verschiedener Erdbeben der letzten Jahre. Dann erstellte ich heliozentrische Horoskope für alle meine Beispiele. Und siehe da! Eine ähnliche gespannte Lage der Himmelskörper war auch in anderen Fällen zu bemerken. Aber nur manchmal.

Näheres kann ich zu diesem Thema nicht sagen. Aus diesem kleinen Pantoffeltierchen ist doch kein Naturwissenschaftler geworden, sondern Schriftsteller. Falls Sie Naturwissenschaftler sind und meine Beobachtungen weiter untersuchen möchten, vergessen Sie nur nicht: Sie haben darüber beim Sprachbloggeur erfahren. Sonst gehört Ihnen der Ruhm.

Ein anderes Mal meine Lösung für das Energieproblem.

Hipster: hier vielleicht zum ersten Mal die ganze Geschichte

„Wenn ich den Schal umwickle, dann schaue ich aus wie ein Hipster“, sagte mein Sohn. „Es fehlt bloß die Sonnenbrille.“

„Nein der Schal sieht wirklich gut aus, richtig schick“, konterte meine Frau.

„Das meine ich eben“, sagte mein Sohn.

„Warte, warte“, jetzt war ich dran. „Was heißt hier ‚Hipster‘?“

„Hipster?“, antwortete mein Sohn. „Weißt du nicht, was ein Hipster ist?“

Ich: „Natürlich weiß ich, was ein Hipster ist, aber Hipster scheint, wie ihr redet, nicht mehr ‚Hipster‘ zu bedeuten.“

Obiges die Quintessenz eines Gesprächs. Und in dem Augenblick fiel mir eine Redewendung ein, die manchmal meine Mutter gebraucht: „What goes around, comes around“ – auch übrigens der Titel eines Justin-Timberlake-Liedes. (Vielleicht stammt der Spruch von ihm? Denn ich kenne ihn von früher nicht). „Alles rächt sich früher oder später“, wäre eine brauchbare deutsche Übersetzung.

Ich behaupte, dass dieser Spruch auch viel über den Begriff „Hipster“ aussagt.

Nicht von ungefähr findet man in Wikipedia zwei völlig unterschiedliche Einträge für dieses Wort. Der eine heißt „Hipster (21. Jt)“, dessen Inhalt erwartungsgemäß nicht gerade schmeichelhaft ist, siehe da; der zweite erscheint als gelehrter Aufsatz über die längst verschwundene Subkultur der „Hipster“ um die Mitte des 20. Jahrhunderts.

Ich werde dort anfangen, wo ich mich wenigstens einigermaßen auskenne. Die „Hipster“ waren nämlich in meiner Kindheit die coolenTypen. „Angelheaded hipsters burning for the ancient heavenly connection to the starry dynamo”, schrieb Poet Allen Ginsberg 1956 in seinem langen dichterischen Aufschrei “Howl” (Heulen), der zum Fanal der Jugendbewegung wurde. Etwa: Engelköpfige Hipster, die sich nach der uralten himmlischen Verbindung zum sternhellen Generator sehnten.

Damalige „Hipster“ waren quintessenziell „hip“. Wenn man, “he‘s hip“ sagte, so meinte man: Ja, er weiß Bescheid. Und so hätte es auch jeder verstanden. Und so war es, bis mit einem Mal der Sinn dieses Wortes ins Gegenteil umschlug. Das passierte in der ersten Hälfte der 1960er Jahre. Damals nannten wir solche Jugendliche „Hippies“ oder „Hippie-Dippies“, die (unserer Meinung nach) nur so taten, als wüssten sie Bescheid – ähnlich wie man heute mit den heutigen deutschen „Hipsters“ umgeht. Dann erneut eine unerwartete Umkehrung. Ab 1966 waren „Hippies“ schon wieder die Coolen. Sie wissen schon: „Flower-Power“, lange Haare, Marihuana, Sex wie die Kaninchen usw. Wieso diese Zeitgenossen (zu denen auch ich eine Zeitlang zählte) als „Hippies“ bezeichnet wurden, weiß ich nicht. Aber egal: Irgendwann schauten auch die neuen „Hippies“ alt aus. What goes around comes around.

In einer der neuesten Inkarnationen taucht das Element „hip“ abermals im positiven Sinn auf: als „hiphop“. Aber nur Geduld, zumal so viele Hiphop-Musiker längst schöne Häuser und Autos und graue Haare haben.

Nun ein gewaltiger Sprung nach hinten zu einer noch älteren Inkarnation unseres Wortes: das Zeitalter der „Hepster“. „Wer „hep“ war – und jetzt reden wir von der Zeit zwischen 1910 und 1945 – war einst der Inbegriff des coolen Typs. Er wusste Bescheid. Manchmal wurde ein solcher als „Hepcat“ bezeichnet, „cat“ im Sinn von „Typ“. Die weibliche Form war „Chick“ (Hühnchen). Aber keiner sagte „Hepchick“, vielleicht weil es wie ein Nießen klingt.

Doch irgendwann schauten auch die „Hepcats“ alt aus. In den 1940er Jahren bezeichnete sich die neue Generation von „Coolcats“ nurmehr als „Hipcats“; entsprechend wurde das alte Wort „Hepster“ in „Hipster“ verwandelt. Damals hieß es in einem „hip“ Lied: “It’s not hip to be hep“, etwa: Man ist nicht mehr im Bild, wenn er sich für„hep“ hält.

Nebenbei: Meinen diversen gelehrten Quellen zufolge tauchte der inzwischen museale Begriff „hep“ 1908 zum ersten Mal im Printmedium auf. Hinzu: Ein emsiger Forscher in Wikipedia berichtet, dass der „hepcat“ womöglich aus der Wolofsprache (in Senegal beheimatet) stamme. In dieser Sprache bedeute „hepicat“ „einer, der die Augen offen hält“, einer also, der Bescheid weiß. Keine Ahnung, ob das wirklich stimmt. Fest steht jedenfalls: Der„hip“-Wortschatz insgesamt ist in afroamerikanischen Kreisen in den USA entstanden – die Geheimsprache einer verfolgten Minderheit klingt oft „hip“.

Die heutigen „Hipster“, zu denen mein Sohn nicht zählt, sind also die Ururururenkel einstiger „Hepster“. Nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder voll „hep“ werden.

Englisch: ein paar Tipps vom Profi (schadet nie)

Ich besuchte neulich einen Vortrag in englischer Sprache. Die Zuhörer waren Studenten, Doktoranden, Professoren und diverse sonstige Interessierte – wozu auch ich zählte. Thema und Schauplatz lasse ich hier unerwähnt. Keinen Grund jemanden unnötig auf den Schlips zu treten.

Ich war jedenfalls wohl der einzige native speaker zugegen. Englisch war auch für den Redner eine Fremdsprache, die er allerdings sehr gut beherrschte. Nur manchmal hat es mit der Aussprache gehapert.

Das kann leicht passieren, insbesondere, wenn man ein englisches Wort nicht fix im Ohr hat. Denn die englische Orthographie kann manchmal sehr unlogisch sein. Nicht verwunderlich, dass der Redner über das Wort „ravine“ – zu Deutsch „Schlucht“ stolperte. Seiner Aussprache nach klang dieses Wort wie „ra-wein“. Ein verständlicher Fehler. „Devine“ (erraten), „divine“ (göttlich), „vine“ (Ranke), „combine“ (verbinden) usw., klingen alle, als würden sie sich auf „ra-wein“ reimen. Doch leider ist „ravine“ kein „ra-wein“, sondern ein „ra-wien“. Mein tiefstes Mitleid gilt allen non-native speakers. Es ist wirklich schrecklich mit meiner Muttersprache.

Mir fiel ebenfalls auf, dass der Redner manchmal Probleme mit dem Wortakzent hatte. Auch dies ist verständlich. Denn die Regeln sind alles anders als überschaubar. Wir sagen „psyCOLogist“, dafür aber „pychoLOGical“. Wie soll man das wissen, wenn man es nicht mindestens tausendmal gehört hat? Der Redner machte, z.B., aus „opporTUnity“ eine „opPORtunity“. Wie gesagt: eine schreckliche Sprache. Nicht einmal die Amerikaner und die Engländer sind immer einer Meinung, wenn es um den Wortakzent geht. „CONtroversy“ (Auseinandersetzung) sagt der Amerikaner „conTROversy“, der Engländer .

Aber nochmals. Besagte Redner sprach ein gutes Englisch, und seine Fehler waren wirklich geringfügig. Und Gott weiß, was ich für Fehler in dieser mir fremden deutschen Sprache ständig mache. Wer im Glashaus sitzt, wirft nicht mit Raweins.

Als ich 1975 in München eintraf, war ich beeindruckt, dass viele Menschen Englisch verstanden. Doch schon bald entdeckte ich das schmutzige kleine Geheimnis der Deutschen: Die meisten von ihnen unterhalten sich viel lieber auf Deutsch als auf Englisch. Denn das Englischsprechen strengt nach und nach mächtig an.

Mir fiel damals ebenfalls ein, dass Deutsche gewisse Lieblingsfehler begingen, wenn sie Englisch talken. Und jetzt komme ich zu meinen Tipps.

Fangen wir mit dem einfachsten an. Man sagt auf Deutsch: „mit fünfzehn Jahren“, „mit dreiunddreißig Jahren“ usw., wenn man übers Alter redet. Dieses „mit“ wird automatisch mit-übersetzt, wenn man dann im Englischen übers Alter sprechen will. Also: „with fifteen“, „with thirty-three“ usw., sagt der Deutsche gern. Doch diese Formulierung ist leider falsch. Es muss „at“ heißen. Also: „I started school at the age of five” (oder „at five“).Es handelt sich zwar um eine Kleinigkeit. Beseitigt man diesen kleinen Fehler, so klingt das gesprochene Englisch viel schöner. Ja. Bitte einprägen.

Noch ein kleiner Fehler: Für Deutsche ist die Aussprache von „ths“ ein wahrer Zungenbrecher. Das Wort „months“ klingt deshalb oft wie „mon-thes“, wenn ein Deutscher Englisch redet. Ich weiß: Das lispelnde „th“ mit einem scharfen „s“ zu kombinieren, ist gar nicht so angenehm. Üben. Üben. Üben.

Last but not least etwas knifflig: Ich möchte Ihnen hier den Unterschied zwischen „fewer“ und „less“ beibringen. Diese Wörter werden beide im Deutschen mit „weniger“ übersetzt. Auf Englisch sind sie aber so penibel zu unterscheiden wie Maiglöckchenblätter und Bärlauch.

„Fewer“ bezieht sich nur auf Nomen, die zählbar sind. Man kann „months“, „stones“,“ravines“ und „glasses“ zählen. Folglich hat man „more“ oder „fewer“ „months“, „stones“, „ravines“ und „glasses“. „Less“ verwendet man ausschließlich mit unzählbaren Nomen.„Freedom“ kann man nicht zählen – auch nicht „information“ („eine Information mitzuteilen“ kann man auf Englisch nicht sagen – sondern „to communicate a piece of information“). Man kann „friends“ zählen nicht aber „friendship“. Auch „time“ zählt man nicht, nur „minutes“, „hours“ und „years“. Man hat also „more“ or „less“ „freedom“, „information“,„friendship“ und “time”.

Alles klar?

Ein Lehrer sollte mit Fakten nicht überstrapazieren. Ich denke: Das wäre es für heute. Lehrbücher zu und ab in die Pause.

Darf ich meinen neuen Spammer vorstellen

Er heißt “PingwinekRico”. Oder vielleicht ist “er” eine “sie” oder eine Mehrzahl. Das lässt sich nicht ohne weitere Forschungen feststellen.

Fest steht: „PingwinekRico“ macht sich in letzter Zeit große Mühe, einen Kommentar beim Sprachbloggeur veröffentlichen zu dürfen. Hier eine kurze Liste der Überschriften seiner jüngsten Versuche:

„How You Can Choose The Very Best Free Cams Adult Websites“.

„My Free Cams Related Articles“.

“How To Get A Free Advertising System”.

Sie sehen. Seine Texte sind englischsprachig und scheinen einen pornografischen Hintergrund zu haben. Denn auf sog. „Cam“-Seiten wird hier aufmerksam gemacht.

Neugierig klickte ich auf einen der vielen Kommentare PingwinekRicos, die ich seit Tagen wie Kuckuckseier im Vorveröffentlichungsnest vorfinde. Was ich aber entdeckte, war ein ellenlanger englischer Text. Hier der erste Satz eines “Kommentars” in spe: „So when Tennyson says, ‘Individuality itself seemed to dissolve and fade away into boundless being’, he is accurately describing the experience of transcending. free sex cams...usw.“ Zu Deutsch: “Wenn also Tennyson behauptet, ‚Individualität schien selbst sich aufzulösen und ins endlose Sein dahinzuschwinden‘, beschreibt er mit Genauigkeit das Erlebnis der Transzendenz. Kostenlose sex Cams…usw“
Notabene: Letzte drei Worte erscheinen im „Kommentar“ in „Hypertext“-Format, d.h., als Link zu einer externen Seite, in diesem Fall eine Sexseite.

Der übrige Text – gespickt mit weiteren „Hyperlinks“ – scheint tatsächlich ein Essay über Tennyson (falls Ihnen der Name unbekannt ist, handelt es sich um den viktorianischen Lyriker Alfred Lord Tennyson) oder über die Transzendenz zu sein. Das kann ich nicht 100%ig bestätigen, denn ich habe den ellenbogenlangen Text nur kurz angelesen und schnell wieder gelöscht.

Fest steht jedenfalls: Dieses Format gilt für alle „Kommentare“, die ich in letzter Zeit von „PingwinekRico“ erhalten habe.

Ein hartnäckiger Mensch oder Spammerverein. Aber dann habe ich gedacht: Es wäre interessant, „PingweinekRico“ zu mailen, um zu fragen, was er/sie mit seinen „Kommentaren“ bezweck/t/en. Ich meine: ob er es ernsthaft für möglich hielt, a.) dass ich seinen „Kommentar“ zulassen würde und b.) dass jemand seine ellenlangen Texte in englischer Sprache durchforsten würde, um einen Hinweis auf eine vielleicht mit Virus infizierte Sexseite zu bekommen. Ohnehin: Wenn man unter „Sex Cams“ googelt, bekommt man im Nu 144 mio. Treffer!

Dann kam ich auf die Idee, den Namen/Begriff „PingwinekRico“ selbst zu googeln. Und siehe da: Es waren nur 209 lausige Hinweise.

„PingwinekRico“ erscheint in diesen jedenfalls als „Mitglied“ in verschiedenen Foren: einem übers Pferderennen, einem über Autismus und in einigen in polnischer Sprache. Er scheint außerdem ein Neuling zu sein. Denn seine Spuren lassen sich vor dem Mai 2013 kaum zurückverfolgen. Er wäre gern „Mitglied“ des Sprachbloggeur-Forums, wenn ich nicht jedesmal seine Mails löschte. Aber, so ist das Leben, wie Alfred Lord Tennyson einst sagte.

Eine besonders triftige Spur seines (ja, ich glaube, dass er ein Er ist) Daseins entdeckte ich bei „Stop Forum Spam“, so heißt eine Seite, die Statistiken über Forum-Spanner sammelt. Dort erfuhr ich, dass der geheimnisvolle „PingwinekRico“ seine IP-Adresse in Wroclaw, ehemals Breslau, registriert hat.

Noch eine interessante Entdeckung: Als ich seinen Namen bei Google ursprünglich eingab, fragte mich das Suchprogramm: „Meinen Sie: Pingwinek Rico?“, d.h., als zwei Wörter und nicht ein Wort.

Ich tippte auf diese Alternative und fand Webseiten, die meistens in polnischer Sprache waren. Ich verstehe leider nur wenig Polnisch, und ich wollte meinen lieben Freund M. mit dieser Dummheit nicht belästigen. Ich vermute aber, dass„Pingwinek“ der Name eines Spielers oder einer Figur einer polnischen Gamingseite ist. Denn ich entdeckte tatsächlich einen „Pingwinek“ auf einer solchen Seite.

Ich vermute zudem, dass mein Spammer männlich, polnisch und ohne Deutschkenntnisse ist und dass er als freier Mitarbeiter bei der Spammermafia (oder wie auch immer man sie nennen will) tätig ist. Mit Sicherheit stammen seine ellenlangen englischsprachigen Texte, die mit Hypertext-Links zu Sexseiten gespickt sind, nicht von ihm. Seine Englischkenntnisse sind wahrscheinlich so schlecht wie meine Kenntnisse der polnischen Sprache.

Schade, dass ich Ihnen nicht mehr über „PingwinekRico“ berichten kann. Ich wäre gern bereit, ihm ein richtiges Forum beim Sprachbloggeur anzubieten, wenn er ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern würde. Aber so ist das Leben, sagte Tennyson. Und auch die Spammer haben es nicht so ganz leicht wie es vielleicht manchmal scheinen mag.

Heute nur über die kleinen Laster

O schöne deutsche Sprache! Wie kühn, wie einfallsreich, dass zwei Wörter, die sich, wie ein Ei dem anderen gleichen, so unterschiedliche Bedeutungen haben!

Grund für diese Bewunderungsbekundung: Kaum komme ich auf die Idee, von meinem kleinen Laster zu erzählen, so fällt mir ein, dass ein Leser sich fragen könnte: „Warum schreibt der Sprachbloggeur von seinem kleinen Laster, zumal die amerikanischen Laster an sich viel größer sind als die unseren?“

Zwei deutsche Wörter namens „Laster“: das eine ein Mann, das andere ein Ding. Und so ein Ding.

Das nur zur Einleitung, aber jetzt zum kleinen Laster... Nein, doch noch nicht. Denn mir fällt gerade eine Anekdote ein: Ich war einmal bei einem Geistlichen eingeladen (ich verrate hier die Konfession nicht, jedem seine Fantasie). Im Lauf unserer höflichen Unterhaltung kamen wir auf die Laster zu sprechen. Und hier meine ich nicht die „18 Wheelers“ – auch „semis“ (sprich „ssem-meis“) der Country-Western-Lieder (die Sattelzüge der deutschen Autobahn), sondern die „ausschweifenden Lebensweisen“, die das irdische Dasein zeitgleich versüßen und versalzen.

Besagter Geistlicher beteuerte: „Ich möchte es nicht abstreiten. Ja, auch ich habe Laster.“

„Sie?“ fragte ich und wollte so naiv wie möglich klingen, um ihn in die Falle zu locken. „Was könnten Sie für Laster haben?“

„Tja“, antwortete er. „Einmal habe ich, es war am Tag des Herrn, eine Biene getötet, weil sie mich erschreckt hatte. Das halte ich für ein schweres Laster.“

Ich war verwundert, und dachte: Vielleicht hat er doch (er war nämlich ziemlich betagt und döste gelegentlich ganz plötzlich ein) an einen schweren und nicht an ein schweres Laster gedacht. Seine Beichte hat meine Erwartungen jedenfalls herb enttäuscht. Hoffentlich passiert das mir jetzt nicht mit meiner eigenen Laster-Beichte.

In meinem Fall handelt es sich aber wirklich um ein kleines Laster – ein sehr kleines sogar. Wer über meine großen Laster erfahren möchte, dem empfehle ich meine belletristischen Werke. Die sind aber noch nicht erschienen. Doch keine Sorge. Den Neugierigen zuliebe putze ich schon lange eifrig die Klinken zahlloser Verlagshäuser.

Mein kleines Laster hat jedenfalls nichts mit Bienen zu tun. Nein. Mein Laster gilt den Schreibinstrumenten: Ich bin nämlich in Schreibzeug, d.h., mechanische Bleistifte, Füllfederhalter und gelegentlich auch Kugelschreiber vollauf verliebt.

Ist doch logisch. Täglich lasse ich die Finger über eine Tastatur spazieren gehen, die Augen stets auf ein leuchtendes Display fixiert. Manchmal freue ich mich, wenn es auch anders, also stromlos, geht. Lyrik, zum Beispiel, will ich nur mit meinem hübschen mechanischen Bleistift (und nur in englischer Sprache) formulieren. Briefe bring ich am liebsten mit dem Füllfederhalter aufs Papier. Und jetzt wird’s noch persönlicher.

Schon lange sehne ich mir nach einem schönen lasterhaften Füllfederhalter. Für mich aber eine schwierige Suche. Ich bin nämlich Linkshänder. Das heißt: Wenn ich mit einem Füllfederhalter schreibe, hinterlasse ich bisweilen unansehnliche Tintenflecken. Das frustriert den Perfektionisten ungemein.

Aber dann entdeckte ich eines Tages ein Geschäft in der Hohenzollernstraße in München, das sich „Ellenwoods“ nennt. Nein, hier keine Schleichwerbung. Hier die Lebensrettung für einen Menschen, der sein kleines Laster ausleben möchte. Mit Herrn Ellenwood – nicht, so weit ich weiß, sein richtiger Name, teile ich offenbar dieses Laster für Schreibgeräte. Nur: In seinem Fall handelt es sich um ein besonders großes Laster. Denn er hat sein Peccadillo zu einer Lebensaufgabe gemacht. Er kann eifrig und informativ über jedes Schreibinstrument, das es gibt, lange vortragen. Was meine Suche betrifft: Er beteuerte sehr überzeugend, dass es ja einen Füllfederhalter gäbe, der für Linkshänder wie mich geeignet ist – ohne das ich enttäuscht vor dem üblichen Gekleckse stehe. Er legte mir den corpus delecti gleich in die Hand und meinte, ich sollte nun eine Weile damit schreiben. Ja, und es hat tatsächlich funktioniert! „Noch eine Frage, Herr Ellenwood“, sagte ich. „Kann man mit diesem Füllfederhalter so flexibel umspringen wie mit einem Kugelschreiber? Meine bisherigen Füllfederhalter streikten immer, wenn ich mich nicht ständig mit ihnen beschäftigte?“

„Mit diesem Füllfederhalter haben Sie dieses Problem nicht“, sagte er. „Man kann ihn genauso einsetzen wie einen Kugelschreiber.“

Ich verrate die Marke nicht, denn hier wirklich keine Schleichwerbung. Nur so viel werde ich verraten: Ich habe den Füller gekauft und lebe mein Laster seit Monaten endlich vollauf aus. Ich fahre bestens mit meinem Laster, bin trotzdem kein Lasterfahrer geworden.

Dante und die Spammer: eine eindringliche Warnung

Die Mail traf am Sonntag ein. Der Schock hielt ca. anderthalb Sekunden an.

Normalerweise bekommen ich am Sonntag kaum Emails – außer der, die mir ziemlich regelmäßig meine Babysitterin a.D. in New York sendet. Ja, meine Babysitterin.

Kurzes Flashback: Als sie ca. 13 Jahre alt war, habe ich ihr eines Nachts die Hölle heiß gemacht. Ich war vielleicht drei Jahre alt und hatte Kopfweh. Ich schrie unentwegt. Selbstverständlich war ich unfähig, die Ursache für mein Unbehagen mitzuteilen. Das arme Mädchen war total überfordert und holte endlich ihren Vater. Er trat an wie ein deus ex machina, nahm mit äußerster Ruhe und Autorität das Ruder in die Hand. Kaum stellte er mir Fragen, so habe ich mich auch beruhigt. Ich ging mit ihm ins Bad, wo er eine Aspirin-Tablette spaltete (damals war die Auswahl an Medikamenten sehr bescheiden) und mir die Hälfte verabreichte. Alles war schnell wieder gut.

Aber zurück in die Gegenwart. Denn ich will vom Schock erzählen, die ich am Sonntag erlebte – auch wenn er nur anderthalb Sekunden anhielt.
Im „Inbox“ meines Mailprogramms fand ich eine Email von „Domain Services“ vor: in englischer Sprache geschrieben. Es schien eine Mahnung, eine „Final Notice“ an den Sprachbloggeur zu sein. Er sollte seine „Domain“-Kosten begleichen, und zwar sofort: 75$ für ein Jahr, 119$ für zwei Jahre… 499$ für eine lebenslange „Domain“-Berechtigung.

Erster Gedanke: Hmmm…oder besser Hmmm?

Nach anderthalb Sekunden aber der zweite Gedanke: Gute Nacht! Schon wieder diese Internetgauner! Diese Schlussfolgerung fiel mir ein, weil der Absender dieser scheinbar hehren Verwaltungsorganisation der Internet-Domains lautete „hotmail.com“ und nicht „domains.org“ oder so etwas Seriöses.

Prompt benachrichtigte ich meinen Provider – möge ihm und seinem Server beiden ein langes Leben gegönnt sein – über die Aufforderung der „Domain Services“. Ich bin nämlich nicht sein einziger Kunde. Vielleicht wurde der ganze Server „bespammt“, sinnierte ich. Nein, „Aufforderung“ ist hier das falsche Wort. Denn der Urheber der dämlichen Mail bezeichnete sein Schreiben als „Solicitation“. „Solicit“ auf Englisch ist kein Auffordern, sondern ein Erbeten. „Solicitations“ machen, z.B., e.V.‘s, wenn sie Bettelbriefe in die Welt schießen. Lässt man sich auf eine „Solicitation“ ein, so ist das stets freiwillig (auch juristisch gesehen), und man könnte für die geleistete Zuwendung theoretisch eine Spendenquittung verlangen. Da sich aber die „Domain Services“ in New York City befinden – das nehme ich an wegen der Fax-Nummer, die auf der „Final Notice“ zu lesen steht, konnte ich wohl kaum mit einer Spendenquittung rechnen.

Bis heute übrigens lebt meine Babysitterin in New York City. Nein, sie steckt nicht hinter diesem Schmu.

Das Hübscheste in der „Final Notice“ war im Kleingedruckten zu lesen: Demnach bekomme ich nach 30 Tagen mein Geld zurückerstattet, falls ich mit der Dienstleistung der Organisation nicht zufrieden bin. Damit gewinnen die „Domain Services“ Sympathiepunkte. Man wittert ganz stark das abgebrochene Jurastudium eines der Phisher oder Spammer.

Unsympathisch hingegen ist die Drohung der Jungs, diese Seite, falls das Geld nicht sofort eingezahlt wird, auszuschalten. Habe natürlich nichts bezahlt, bin trotzdem noch da.

Was die Boys bei „Domain Services“ at Hotmail dot com wohl nicht wissen: Schon Dante hat sich vor etwa 800 Jahren eine Strafe in der Hölle für die „Domain Services“ ausgedacht – schrecklicher als jede Tortur, die ich meiner Babysitterin einst aussetzte. Bei Dante heißt es – und hier übersetze ich aus der „terza rima“ des Originals: dass die Betreiber von „Domain Services“ für jede geschickte Mail noch ein Millimeter tiefer in einem Kotgraben versinken.

Mag sein, dass das nicht wie eine schreckliche Strafe klingt. Doch zehn Mails sind gleich ein Zentimeter. Einhundert Mails bedeuten zehn Zentimeter. Nach ein Tausend „Solicitations“ stecken die Jungs der „Domain Services“ bereits ein Meter tiefer in der Kacke.

Ich möchte nicht daran denken, was passiert, wenn „Domain Services“ zehntausend „Solicitations“ verschickt.

Ich gebe zu: Viele Menschen glauben heute nicht mehr an die Hölle oder an eine höllische Strafe. Aber seien Sie ehrlich: Würden Sie gerne die Plätze tauschen mit den Betreibern von „Domain Services“?

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