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Den Umlaut abschaffen!

„Ist Ihr Hund der schönste Münchens?“ So stand es vor zwei Wochen in der Münchner Abendzeitung. Und weiter, auf Bühnenbayrisch: „Hund samma – die Wahl mit WAU!“ Zu gewinnen war ein Fressnapf-Gutschein im Wert von 300 Euro. Dazu ein Orthobett – Farbe Schiefer, Größe L im Wert von 219.99 Euro (nehm ich an für den Hund). Darüber hinaus wurden ein 2., 3., 4., und 5. Preis ausgeschrieben. So möchte man auf den Hund kommen! Aua. Schlechter Witz. Tut mir leid.

Doch zurück in die nüchterne Wirklichkeit: Ist es Ihnen aufgefallen, dass etwas im Wortlaut obiger Preisverleihung nicht stimmt?

Auf den Punkt gebracht: Es wird im Text nicht einmal der Versucht gemacht, korrekt zu gendern! „Schönster Hund“ heißt es? Wo bitteschön sind dann die „Hündinnen“ geblieben?

Eine kleine Korrektur: An einer Stelle in der Annonce heißt es in der Tat, dass man ein Foto „von Ihrem Hund/ Ihrer Hündin“ einschicken solle. Das wäre es aber mit der Gleichberechtigung gewesen.

Obendrein: Von der Möglichkeit transsexueller Wauwaus wird ganz abgesehen.
Vielleicht gibt es ja unter diesen Tieren auch dieses Phänomen: Hunde, die sich für Hündinnen halten und umgekehrt. Ich bilde mir ein, dass ich schon mal Hündinnen gesehen habe, die das Bein gegen einen Baum hoben…oder wenn ich mich nicht täusche, dass es Hunde gibt, die in die Hocke gehen, wenn der Harndrang treibt.

Leider aber war ich selbst nie Hundebesitzer. Meine Beobachtungen sind immer aus der Ferne gewesen. Schuld daran sind meine Eltern. Als Kind durfte ich nämlich keinen Hund haben. Erstens, weil meine Mutter Angst vor Hunden hatte und zweitens, weil mein Vater der Meinung war, dass kein Hund seinen „Brownie“ – so hieß sein Hund, als er klein war – ersetzen könnte.

Wahre Hundebesitzer sind sicherlich in der Lage, mir meine Theorie zu bestätigen oder sie zu widerlegen. Keine Berührungsängste, bitte. Ich bin hart am Nehmen.
Aber zurück zum Gendern. Im Ernst. Warum wird bei Tieren nicht gegendert? Ich bekomme monatlich eine Zeitschrift vom Journalistenverband. Früher hieß sie „Journalist“. Inzwischen wird die Auflage gezweiteilt. Die eine Hälfte heißt „Journalist“, die andere „Journalistin“. Meistens erhalte ich „Journalistin“. Und jedes Mal denke ich, „Journalistin“? Klingt wie „Elle“ oder „Frau im Bild“. Und dann leg ich sie ungelesen beiseite. Denn ich habe – bitte verzeihen Sie mir – kein Interesse, „Elle“ oder „Frau im Bild“ zu schmökern.

Warum auch nicht bei Hunden gendern? Ach. Nun fällt mir ein, dass das mit dem Gendersternchen nicht so einfach beim „Hund“ und „Hündin“ zu bewerkstelligen ist. Wissen Sie warum nicht? Wegen des verdammten Umlauts!

Will heißen: Weil die alten Germanen auf eine Art Vokalharmonie standen, fügten sie einen Umlaut ein, wenn sie zwischen „Hund“ und „Hündin“ differenzierten. „Klingt besser“, hätten sie in Althochdeutsch gesagt.

Und nur deshalb ist es heute nicht möglich, wenn man Werbung für einen Wauwau-Schönheitswettbewerb macht, „Ist Ihr Hund*In der schönste Münchens?“ zu schreiben.

Nebenbei: Gleiches Problem hat man auch auf menschlicher Ebene. Denken Sie an „Bauer“ und „Bäuerin“. Wie könnte man eine Annonce für die/den„schönste(n) Ba(ä)uer*In formulieren? Schon wieder das Problem mit dem verdammten Umlaut!

Die Sünden der alten Germanen suchen uns wohl auch heute heim! Und ich sehe dafür keine Lösung…außer eine: den Umlaut abschaffen!

Wieso heißt „es“ „vögeln“?

Was sagt ein Englischsprechender, wenn er seine pubertierenden Kinder aufklärt oder salopp ausgedrückt: „von den Bienchen und den Blümchen“ erzählt?

Vielleicht kennen Sie die Antwort schon. Sie lautet „to tell about the birds and the bees” – über die Vögel und die Bienen erzählen.

Irgendwie hört sich das mit den Vögeln und den Bienen den Bienchen und Blümchen ähnlich – bzw. beinahe. Das mit den Bienchen und Blümchen ergibt ein verständliches Bild. Wenn das Bienchen von Blümchen zu Blümchen fliegt, um den Nährstoff namens Blütenstaub einzusammeln, klebt dieser „Staub“ – sprich „Samen“ – zeitgleich an einem bestimmten Teil anderer Blümchen, was wiederum eine Art „Schwangerschaft“ verursacht. Natürlich hat das Bienchen keine Ahnung, was dieses bestäuben oder „besamen“ bewerkstelligt.

Doch „birds and bees“? Welche Rolle spielen hier die Vögel?

Nebenbei: Mein eigenes „Aufklärungsgespräch“ war eigentlich keins. Ich habe mich dazu gesellt, als mein Vater mit meinem älteren Bruder über die birds and the bees diskutierte. Ich hörte, wie mein Vater etwas über „scum bags“ erwähnt hatte. Denn mein Bruder hatte offensichtlich so etwas im Park gesichtet. „Scum bag“ ist ein vulgäres engl. Wort für Kondome. „Scum“ – mit dt. „Schaum“ verwandt – bedeutet „Sperma“, „Samen“. „Bag“ kennen Sie.

„Was ist ein ‚scum bag‘?“, fragte ich meinen Vater.

„Ach, das ist eine Art Blume“, antwortete er.

Ende meines Aufklärungsgesprächs. Keine Bienchen und Blümchen. Immerhin war die Rede irgendwie doch von Blümchen.

Aber zurück zum engl. Idiom. Warum „birds and bees“. Was haben die „birds“ mit dem Thema zu tun? Die schockierende Antwort: Keiner weiß es. Es gibt lediglich diverse, forcierte Erklärungen, die meines Erachtens nichts erklären.

Nur eins steht fest: Das mit den „birds and bees“ ist bereits 1640 belegt. In Wikipedia findet man sogar einen langen Artikel zum Thema. Leider nur spekulatives Gewäsch. Insofern werden wir ihn überspringen.

Mit einer Ausnahme. Eine müde Theorie besagt, dass sowohl Bienen wie auch Vögel emsige Wesen seien, die überall in der Natur rumschwirren.

Diese Antwort bringt uns leider nicht weiter.

Oder vielleicht doch. Es gibt nämlich eine dt. Vokabel die mit emsigen – ja – sexualisierten Vögeln zu tun hat…

Genau: das dt. Zeitwort „vögeln“!

Jeder dt. sprechende Mensch kennt diese Vokabel und – fast – jeder tut das, was das Wort beschreibt – zumindest nach einem gewissen Alter. Doch wieso heißt diese überall praktizierte Tätigkeit ausgerechnet „vögeln“?

Um diese Frage zu beantworten, habe ich ein ernstes dt. Nachschlagwerk konsultiert: „Wörterbuch der deutschen Umgangssprache“ von Dr. Heinz Küpper.

Doktor Küpper zufolge gab es das Wort „vögeln“ bereits im Mittelhochdeutsch. Es bezog sich allerdings ursprünglich ausschließlich aufs Tierreich in der Bedeutung von „begatten“ – insbesondere die Begattung beim Hahn und Enterich. Allmählich aber, vielleicht um das Jahr 1300, wurde es auf den menschlichen Trieb übertragen…auf humorvolle Weise nehme ich an. Wahrscheinlich hat das „rammeln“ einen ähnlichen Werdegang. Eine Erklärung auch für die „birds“? Durchaus möglich.

Und nun wissen Sie das Wichtigste über die Bienchen und die Blümchen, ebenfalls über die birds und die bees. Darüber hinaus sind Sie bestens informiert, warum heute so viele Menschen vögeln.

Sind sie schon da…die Außerirdischen?

„Matrosen bestätigen: Ihre Kriegsschiffe wurden von außerirdischen UFOs umschwirrt…“ Auf diese Schlagzeile bin ich neulich gestoßen. Erschienen war sie in der britischen Boulevardzeitung „Daily Mail“. Zugegeben nicht unbedingt die zuverlässigste Nachrichtenquelle.

Dennoch macht so eine Schlagzeile neugierig. Man will sogleich auf den Link klicken. Wenn es nur mit dem Link funktioniert hätte. Ich erreichte eine leere Seite.

Als nächstes führte ich eine Google-Suche zum Thema „Kriegsschiffe“ „Außerirdische“ durch. Und siehe da! Wieder ein direkter Link zur Story. Doch auch diesmal hat es nicht geklappt: gähnende Leere.

Immerhin bin ich bei meiner Suche auf eine Internetseite gestoßen, die dieselbe Story versprach. Ich vergesse, wie die Seite hieß. Ich war aber weiterhin neugierig und klickte sogleich. Die Seite wirkte aber irgendwie zwielichtig: billige Aufmachung wie ein Forum. Immerhin fand ich eine Art Zusammenfassung der „Daily Mail“ Story vor. Hier die paar Fakten: Es handelt sich offenbar um US-Kriegsschiffe, und die Sache fand schon 2019 statt. Das war es. Vielleicht hätte ich auf einen weiteren Link klicken müssen, um zusätzliche Details zu lesen. Ich habe so einen Link nicht gesehen. Ich fühlte mich ohnehin unwohl auf der Seite und machte mir Sorgen, dass der Wurm drin sein könnte oder dass ich ein „drive-by-Cookie“ mit dröger Werbung für Kunstlederhandtaschen aufschnappen könnte.

„Clickbait“ heißt dieses Phänomen auf Englisch. Zu Deutsch „Anklickköder“. Bisher habe ich allerdings keine Werbung für Kunstlederhandtaschen oder sonstige Angebote auf dem Rechner entdeckt.

Fakt ist: Journalisten profitieren schon immer von der morbiden Neugier anderer. Genauer gesagt: Journalisten und auch Betrüger.

Wer soll es leugnen? Schräge Dinge faszinieren in der Tat. Ebenso grausame Dinge…solange man sie selbst nicht erleben muss. Kein Wunder, dass man auf der Autobahn gafft, wenn Tote und Verletzte aus einem Autowrack geborgen werden. Den Vorgang nennt man auf Englisch „rubbernecking“. Der Hals wird quasi zu Gummi, damit die Augen alles sehen können.

Mir fällt obiges nur deshalb ein, weil ich am selben Tag, wie ich die „Daily Mail“-Schlagzeile wahrgenommen hatte, auf dem Weg zum Supermarkt an einer Gruppe Zeitungsverkaufskästen vorbeiging. Folgende Schlagzeile prangte von dem „Bild“-Kasten: „Drama bei TV-Turmspringen: Thorsten Legat verliert Hoden“ Dazu ein ernst aussehendes Foto des Verunglückten.

Ich bitte um Verzeihung, aber Thorsten Legat war mir bis dahin kein Begriff. Inzwischen weiß ich, dass er ein toller Fußballer war. Doch auch ohne dass mir der Name etwas sagte, hat auch mich die Schlagzeile zum Gummihals verwandelt. Riesiges Pech für Thorsten Legat, Großer Glücksfall für die „Bild“.

Nebenbei: Unterhalb erwähnter Schreckensschlagzeile prangten in roten Buchstaben die Wörter „Oh Schreck!“ Zuerst habe ich mich gefragt: Handelt es hier um eine Art Kommentar auf den schrecklichen kastrierenden Unfall?

Von Wegen: Neben „Oh Schreck“ war eine Eistüte bebildert. Möglicherweise ein Erdbeereis – oder vielleicht Hinbeer-. Und dann wieder eine Titelblatt-Schlagzeile: „Jetzt auch noch Eis-Krise“ und darunter: „Mega-Hitze und uns gehen die Beeren aus“.

Mehr war nicht zu lesen. In so einem Zeitungsverkaufskasten bekommt man lediglich die obere Hälfte des Titelblatts zu sehen. Köder halt. Analoger „Clickbait“. Funktioniert auch.

Uns bleibt nur noch das Geheimnis der Außerirdischen, die 2019 die amerikanischen Kriegsschiffe umschwirrten, zu lüften. Doch sorry. Mehr darüber habe ich nicht finden können. Warum die „Daily Mail“ an dem Tag unaufrufbar war, vermag ich nicht zu sagen. Vielleicht durch den Einfluss der Außerirdischen…?

Ohnehin: Wenn all dies 2019 stattfand, hätten diese Außerirdischen bereits drei Jahre Zeit, um sich bemerkbar zu machen. Oder…oder…kann es sein, dass sie für Covid-19 verantwortlich sind…oder Putin hypnotisiert haben? Fortsetzung folgt ganz bestimmt.

Zwei Geschichten über Tauben

Ich habe zwei Geschichten über Tauben zu erzählen. Die Taube als Symbol spielt hier keine Rolle. Meine Tauben versinnbilden weder den heiligen Geist (üblicherweise als reine weiße Taube dargestellt) noch die Friedenstaube – auch weiß und als Gegensatz zum „Falken“, Inbegriff einer fliegenden Aggression, zu verstehen.

In New York – zumindest in der Stadt meiner Jugendzeit – sagten wir zu Tauben „rat birds“. Die Deutschen sprechen von „fliegenden Ratten“. Warum manche Tauben einen schlechten Ruf haben, hab ich nie verstanden. Vielleicht weil sich die städtischen Tauben so stark vermehren und alles bekoten.

Bei diesen „fliegenden Ratten“ handelt es sich eigentlich um die sog. „rock pigeon“, zu Deutsch „Felsentaube“. Sie heißen „Felsentauben“, weil ihr ursprüngliches Habitat eine Berglandschaft war. Städtische Häuser wirkten für sie wohl wie Felsen.

In New York galt es einst, sie zu vermeiden, da sie allerlei Krankheiten verbreiten sollten. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Sie wurden jedenfalls aus diesem Grund eine Zeitlang für…tja…vogelfrei erklärt.

Aber genug. Jetzt zu meiner ersten Geschichte über eine Taube.

Vor vielen Jahren lebte ich in San Francisco. Dort lernte ich mal einen Deutschen kennen. Er hieß Lothar, war etwas älter als ich und war zu Besuch bei seiner alten Freundin, meiner Nachbarin. Manchmal führte ich ihn aus. Einmal waren wir spazieren gegangen. Plötzlich hielt er an und sagte mit gespannter Stimme: „Look…Taube“. Seine Englischkenntnisse waren bescheiden – ähnlich meinen Deutschkenntnissen. Immerhin verstand ich das Wort „Taube“, das mit dem englischen „dove“ verwandt ist. Ob es sich um ein „der“, „die“ oder „das“ „Taube“ handelte, interessierte mich nicht. Das Tier kauerte mir nicht dir nicht in einem Hauseingang.

Nun erklärte mir Lothar, so gut es ging, dass während des Krieges in Berlin – er war damals noch ein Knabe – seine Familie manchmal das Glück hatte, auf der Straße eine Taube einzufangen, um schnell das Vogelvieh in den Kochtopf zu befördern. Es war mir sofort klar: Lothar erwog gleiches Schicksal für dieses Federvieh.

„Nein, Lothar. Lass den Vogel. Wir gehen zum Supermarkt. Ich kaufe ein Huhn.“ All dies habe ich teils Englisch, teils Deutsch mitgeteilt – ohne ihn offenbar von seinem Vorhaben zu bringen.

„Mmm“, sagte er. Und dann: „Taube sick. She die. We cook she.“ Prompt langte er sachte nach dem Vogel. Die Taube leistete keinen Widerstand. Er nahm sie sanft in die Hände und streichelte sie liebevoll.

In diesem Augenblick ging folgender Gedanke durch meinen Kopf: Was bist du ja für einen Heuchler? Isst du nicht gern Fleisch und Geflügel? Natürlich! Aber noch nie hast du dein Abendessen selbst durch das Mysterium des Todes begleitet. Vielleicht ist es jetzt höchste Zeit.

Langes Gezeter, kurzes Kinn. Wir kehrten in die Wohnung zurück, wo Lothar mit der Nachbarin lebte, und killten das Tier. Ja…zusammen.

Diesen Teil der Geschichte erzähle ich hier nicht. Man findet sie in meinem noch unveröffentlichten Roman „Franz und Narziss“. Falls dieser jemals einen Verlag findet, können sie die ganze Story lesen.

Ich habe Ihnen aber auch eine zweite Geschichte über Tauben versprochen. Und jetzt wende ich mich ihr zu. Diese fand erst neulich statt, kurz vor unserer Abreise von Riga, wo wir zwei Wochen weilten. Während wir vor unserem Hotel auf dem Taxi zum Flughafen warteten, trafen wir auf den Hausmeister des Hotels. Er sprach nur Russisch – kaum Lettisch (das ist aber eine andere Geschichte). Immerhin verfügte er über ein paar Brocken Englisch. Ich könnte mit ihm reden also wie mit Lothar.

„My friend“, sagte er und zeigte auf eine Taube. Plötzlich flatterte der Vogel in die Höhe und landete auf seiner Hand. Sogleich streute er einige Brotkrümeln auf seine Handoberfläche, und die Taube begann daran zu picken. Bald flatterten noch ein paar Tauben um ihn rum. Auch sie hockten dann auf seiner Hand und seinen Schultern. Nun forderte er mich auf, meine Hand auszustrecken, was ich dann auch tat. Er streute ein paar Krümeln auf meine Handoberfläche. Und zack! Eine Taube ließ sich auf meinem Handgelenk nieder und fraß aus meiner Hand. Das Tier war übrigens ein Federgewicht.

In dem Augenblick fiel mir die Taube von Lothar nicht ein. Das passierte erst später. Doch nun weiß ich: Durch dieses Ereignis aus jüngster Zeit habe ich mich irgendwie mit der Taubenwelt versöhnt.

Nach wenigen Minuten war unser Taxi da.

Die Affenpocken und die Affen

Sie warten auf die Affenpockenimpfung…oder eben nicht, weil Sie meinen, die WHO habe in dieses Serum einen Wirkstoff hineingeschmuggelt, der Sie zum Sklaven im Metaversum macht? Vielleicht stimmt das auch. Heute ist nix zu vertrauen…auch nicht den Nachrichten. Bedenken Sie, was „Nachrichten“ bedeutet: Man wird nachgerichtet. Das klingt wie „hingerichtet“…oder? Hin oder hergerichtet…nach und nach.

Aber heute interessieren mich ansteckende Krankheiten nicht. Lieber erzähle ich von den Affen.

Neben dem Schwein ist der Affe mit Sicherheit der deutschen Sprache liebstes Tier. Wahrscheinlich deshalb, weil er uns so sehr ähnelt – auch wenn er haariger und gelenkiger und besser klettert und um ein Vielfaches stärker ist als wir.

Trotzdem verhöhnen wir ihn gern. Vielleicht weil er nicht so richtig aufrecht gehen kann wie wir. So wirkt er dann wie eine Parodie unserer Gattung. Und weil er weniger verlogen ist als wir, finden wir ihn lustig und lüstern. Manchmal ist er allerdings gefährlich…wenn man ihm zu nahe kommt.

Fakt ist: Vor dem Jahr 1900 Gorillas und Schimpansen – d.h. die sog. „Menschenaffen“ – waren in Europa beinahe unbekannt. Der „Tarzan“ Roman des amerikanischen Schriftsteller Edgar Rice Burroughs ist eine reine Fiktion, was das Leben der Menschenaffen betrifft. Burroughs hatte keine Ahnung.

Kennen Sie vielleicht die Geschichte vom Karthager Hanno? Im 5. vorchristlichen Jh. segelte er von Karthago (im heutigen Tunesien) um den afrikanischen Kontinent bis zum heutigen Sierra Leone. An einer tropischen Bucht angekommen, gingen Hanno und seine Mannschaft aufs Land. Warum sie in dieser Gegend waren, wissen wir nicht. Sie preschten aber weiter ins Inland, bis sie einen See erreichten, in dessen Mitte eine Insel war. Dorthin übersetzten sie. Dem Bericht Hannos zufolge, der allerdings nur in einer altgriechischen Zusammenfassung existiert, trafen die Matrosen dort auf nackte, stark behaarte Einheimische. Ein Ortskundiger, der die Karthager begleitet hatte, erklärte, dass diese Wesen „gorillai“ waren. Notabene: Hanno war überzeugt, es handelte sich um wilde Menschen. Er war fasziniert und kam nun auf die Idee, ein paar dieser „gorillai“ gefangen zu nehmen und nach Karthago zu entführen. So einfach war sein Vorhaben aber nicht. Es stellte sich heraus, dass diese „Gorillai“ unbeschreiblich stark waren, und sie leisteten erbitterten Widerstand.

Letztendlich blieb den hartnäckigen Karthagern nichts anderes übrig, als ein paar dieser seltsam behaarten Wesen zu töten. Daraufhin häuteten sie sie und kehrten mit den Häuten nach Karthago zurück. Leser meines Buches „Kaspar Hausers Geschwister – auf der Suche nach dem wilden Menschen“ (Steiner Verlag 2018) kennen diese Anekdote. (Hier ein bisschen Schleichwerbung).

Was wollen wir mit dieser Geschichte von Hanno sagen? Die Feststellung, dass Großaffen keine Menschen waren, war kein Automatismus. Sie musste erst erfahren werden. Denken Sie an die Orang-Utans. Der Name bedeutet in der indonesischen Sprache „Waldmensch“.

Der „Affe“ taucht das erste Mal ca. 1500 in der dt. Sprache auf. Es handelte sich freilich um kleine Affen, die putzig und flink waren. Dass diese keine kleinen Menschen waren, lag auf der Hand – auch wenn sie gewisse Ähnlichkeiten mit uns aufwiesen. Und weil sie so hemmungslos waren, erfand man neue Wörter wie „Affentheater“, „Affenliebe“ „Affengetue“ usw. Passte gut zum Bild der frenetischen Tiere.

Später diente „Affe“ lediglich als Verstärkungspartikel im Sinne von „sehr“. Deswegen heißt es „Affenzahn“, „affengeil“, „affenartig“. Ist nachvollziehbar.

O je. Wir fingen mit den Affenpocken an, und nun sind wir vollends bei den Affen gelandet. Immerhin. Jetzt wissen Sie alles, was es zu wissen gilt über diese Tiere, die uns manchmal so ähnlich sind, dass es unheimlich wird. Ein anderes Mal erzähle ich vom vergeblichen Versuch, Affen die Menschensprache beizubringen. Oder Sie lesen darüber selbst in meinem oben erwähnten Buch.

Achtung: Pause bis Ende des Monats Juni – Geheimmission.

Die passende Anredeform für einen „diversen“ Menschen

In Deutschland ist es noch nicht üblich bei einer Zoomkonferenz die eigenen Pronomina nach dem eigenen Namen in Klammern zu setzen. Beispiel: „Wanda Sorgfalt (sie, ihr)“ oder „Bernhard Basisdem (er, ihn) usw.

Diese Pronomina sollten offenbar für Klarheit sorgen. Nur so kann man sicher sein, ob man es mit einem m/w oder /d zu tun hat. „Diverse“ Pronomina gibt es übrigens auch. Ich kenne sie aber nicht, und sie scheinen noch nicht vereinheitlicht zu sein – weder auf Deutsch, Englisch usw.

Wie gesagt: In Deutschland gehört dieser Brauch nicht zum guten Ton…oder vielleicht noch nicht. Auch in England trifft man auf ihn nur gelegentlich. In den USA ist diese Sitte weit verbreitet… zumindest in gewissen Kreisen, die man heute als „woke“ bezeichnet, d.h., wo die eigene geschlechtliche Identität gewissermaßen eine freie Entscheidung ist.

Beispiel Maia Kobabe. Maia Kobabe ist ein Mensch, der sich zu keinem der uns bekannten Geschlechtern bekennt.

Maia Kobabe bezeichnet sich vielmehr als „nonbinär“. In Deutschland sagt man dazu „divers“ – wie in den Arbeitsannoncen, wo nach einer „m/w/d“-Arbeitskraft gesucht wird.

Sind Sie einem „d“-Menschen begegnet? Ich eigentlich noch nie, obwohl ich überzeugt bin, dass es sie gibt. Dafür kenne ich viele „m“- und „w“-Menschen. Ebenfalls habe ich im Lauf meines langen und abenteuerlichen Lebens die Bekanntschaft vieler homosexuellen Menschen gemacht: männlich und weiblich. Darunter waren weibliche Männer (manche standen auf Männer, manche auf Frauen) und männliche Frauen (manche, die auf Frauen, manche auf Männer standen) – mit anderen Worten das ganze Spektrum der sexuellen Diversität.

Doch wie soll ich Maia Kobabe höflich ansprechen? Weder Frau K. noch Herr K. scheint möglich zu sein. Eine diverse Anredeform kenne ich nicht.

Diese Ratlosigkeit scheint wohl weitverbreitet zu sein. Neulich habe ich in der New York Times einen Artikel über Maia Kobabe gelesen. Denn Maia Kobabe hat ein wohl skandalösen Grafikroman mit dem Titel „Gender Queer“ veröffentlicht. Maia Kobabe kann übrigens gut zeichnen. Es gibt aber ein Problem, wenn man über Maia Kobabe bzw. über Maia Kobabes Buch schreiben will. Maia Kobabe ist partout nicht pronominal zuzuordnen. Dieses Problem betrifft nicht nur mich. Die NY Times Journalistin Alexandra Alter scheint auch darunter zu leiden.

Deshalb verwenden so wohl sie wie auch ich so viele Maia Kobabes, wo man normalerweise lieber ein Fürwort einsetzen würde. Schließlich sind die Fürwörter da, damit wir nicht jedesmal ein Nomen oder Namen schreiben oder sprechen müssen.

Doch mal ehrlich: Lohnt es sich, ein neues Pronomen auszudenken, um die Diversen zu bedienen? Ich stelle diese Frage aus einem bestimmten Grund: Wie viele „Diverse“ bzw. „nonbinäre“ Menschen gibt es denn überhaupt?

Oder anders formuliert: Wie viele arbeitssuchende Menschen bezeichnen sich – zum Beispiel bei der Pizzeria gegenüber von meiner Wohnung – als „Diverse(r?)“, um in der Gastronomie zu arbeiten?

Oder noch eine Frage: Bleibt ein Mensch fürs ganze Leben „divers“? Oder haben wir es mit einer Lebenskrise zu tun, wo man Schwierigkeiten hat, sich sexuell festzulegen, etwa in der Zeit zwischen 15 und 30? Notabene: Hier ist nicht die Rede von Intersexuellen, also von Menschen, die mit physiologischen Merkmalen beider Geschlechter geboren werden. Sie haben mitunter ein ganzes Leben darunter zu leiden. Nebenbei: Maia Kobabe ist bereits 33 Jahre alt. Vielleicht eine Ausnahme? Vielleicht nicht.

Diese sind lediglich ein paar Überlegungen eines Menschen (das heißt: ich), der keine Ahnung hat. Aber bitte: Gibt es überhaupt jemanden, der auf diesem Gebiet eine Ahnung hat? Wenn ja, bitte melden, Herr, Frau oder Divers.

„Great Replacement“, Leitkultur etc.

Sie haben vielleicht übers Supermarktmassaker in der US-Stadt Buffalo im Bundesstaat New York erfahren. Ein Jüngling – 18 Jahre alt – ballerte unversehens um sich rum. Innerhalb kürzester Zeit waren zehn Personen tot, dazu einige verletzt. Der Täter war weiß; seine Opfer waren schwarz. Der Beweggrund: Rassismus.

In der Boulevardpresse findet man diverse Fotos des Mörders. Mit seinem Gesicht hinter seiner FFP2-Maske wirkt er mit seinen buschigen Locken und jungen Augen irgendwie attraktiv. Die typische jugendliche Schönheit halt. Ein Trick der Natur, um den Zeugungsprozess voranzutreiben. Ohne Maske sieht der Mörder eher dumpf aus, ohne jegliche Anziehungskraft. Vielleicht war das auch sein Problem.

Als Motiv fürs Verbrechen erfährt der Konsument der Boulevardpresse (z.B. ich): Der Mörder sei Vertreter der „Great Replacement Theory“. Und damit sind wir zum Kern dieser Glosse gelangt. Denn schon wieder möchten wir eine Theorie beleuchten, die manche Herzen höher schlagen lässt. Und schon wieder werden Sie denken: Noch ein Begriff aus dem Englischen (genauer gesagt aus dem Amerikanischen)!

Au contraire, mesdames messieurs. Diesmal haben wir es mit einem französischen Schlagwort zu tun. Wörtlich: „le grand remplacement“. Zu Deutsch – so Wikipedia – „der Große Austausch“. Noch ist dieses Modewort in der deutschen Sprache weitgehend unbekannt.

Urheber dieses nagelneuen soziopathischen Begriffs ist der französische Romanschriftsteller – und „Verschwörungstheoretiker“ (so Wikipedia) Renaud Camus. Der Begriff wurde erst 2010 und 2011 aus dem Boden gestampft.
Camus (leider weiß ich nicht, ob er mit Albert C. verwandt ist) mahnte damals, dass die stets zunehmende Ausbreitung der muslimischen Bevölkerung in Frankreich dazu führen würde, dass Muslime, weil kinderreicher als „Biofranzosen“, nach und nach die Mehrheit in Frankreich bilden würden und die „Biofranzosen“ ersetzen – französisch „remplacer“; englisch „replace“.
Horrorfantasie? Rassismus? Verleumdung?

Fakt ist: So ein „remplacement“ wäre theoretisch möglich – wenn auch höchst unwahrscheinlich. Ähnlich provozierte der franz. Schriftsteller Michel Houellebecq mit einer Vision in seinem Roman „Submission“ – zu Deutsch „Unterwerfung“.

In Deutschland behauptete Theo Sarrazin 2011 in seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“, dass der Zustrom von Einwanderern aus muslimischen und afrikanischen Ländern schon damals den Sozialstaat in Deutschland überforderte und zum Infarkt bringen könnte. Sarrazin, ein pingeliger Statistiker, belegte seine Kritik mit aussagekräftigen Zahlen.

Notabene: Sowohl Sarrazin wie auch Camus haben sich stets von Gewalttaten wie die in Buffalo und anderorts (z.B., in Christchurch Neuseeland) distanziert. Ihre Schriften werden allerdings von geifernden Rechtsradikalen gern gelesen.

Und noch etwas: Dieses „Replacement“ („Austausch“) ist nicht nur eine Erfindung von ängstlichen Zukunftsprognostikern und sonstigen Fantasten. Das „remplacement“ war schon immer ein bewährtes Mittel, um ein erobertes Land langfristig unter die Nägel zu reißen. Das machen die Chinesen heute, z.B., im in Xinjiang, wo zunehmend Han-Chinesen angesiedelt werden. Gleiches ist schon längst in Tibet geschehen.

Nach dem 2. Weltkrieg haben die Russen im eroberten Polen dies praktiziert, indem sie Ukrainer sowohl ins östliche Polen wie auch in Schlesien „importiert“ haben, ebenso Russen ins Baltikum. Auch heute werden „Biorussen“ im Donbass und in der Krim angesiedelt. Und nicht zu vergessen: Dies war auch Hitlers Plan: Polen und die Ukraine ethnisch zu säubern und die Bevölkerung mit Deutschen „auszutauschen“.

Die Liste lässt sich leicht ergänzen.

Die gute Nachricht. Der Extremfall ist meist (nicht immer) nur Fantasie. Der nützliche Idiot in Buffalo setzte sich dem Internet sei Dank, dumpfköpfig in den Dienst von Ideologen, In Wahrheit ist die Vorstellung einer schwarzen Mehrheit in den USA gar nicht möglich. Nur 12% der Amerikaner sind schwarz.

Auch in Europa rechne ich nicht mit dem großen Austausch. Das sage ich, versteht sich, als Ausländer. Wir Ausländer können unser Adoptivland eher mit neuen Ideen bereichern als ruinieren. Und schließlich bleibt in der neuen Heimat stets die „Leitkultur“ tongebend. Ja, ich weiß, dass dieser Begriff „Leitkultur“ des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber für manche unanständig klingt. Doch wie soll man die uralten Traditionen eines Landes sonst nennen?

Kritische Rassismustheorie für Anfänger und Kenner

Falls Sie der Rosenkrieg zwischen Johnny Depp und Amber Heard im Augenblick langweilt oder Sie sich eine kurze Pause vom Horror des russischen Aggressionskriegs gönnen möchten, dann sind Sie hier richtig.

Wir werden uns heute zur Abwechselung der kritischen Rassismusforschung wenden. Viel Spaß!

Sie wissen, falls Sie kein Kenner sind, was damit gemeint ist…oder? Diese brandneue akademische Sparte – üblicherweise auf dem Gebiet der Soziologie beheimatet – besagt, dass „weiße“ Menschen ipso facto angeborene Rassisten sind, was sie zu glauben erlaubt, dass sie eine gewisse Überlegenheit über schwarze Menschen und „People of Color“ genießen.

Verzeihen Sie. Ich bin noch nicht auf eine adäquate dt. Übersetzung für den Begriff „People of Color“ gestoßen. „Farbige Menschen“ kommt natürlich nicht in Frage, führt vielmehr zur Konfusion. Denn früher hat man auch schwarze Afrikaner als „farbig“ bezeichnet.

Eigentlich eine ziemlich farblose Vokabel „farbig“. Letztendlich ist jeder irgendwie farbig, manche zwar heller, manche dunkler. Fakt ist: Ich bin noch nie einem wahrhaftig „weißen“ Menschen begegnet. Nein. Stimmt nicht. Beinahe habe ich meinen Freund Fatihi vergessen. Er war Albino und stammte aus Tunesien. Vor vielen Jahren haben meine Frau und ich sechs Wochen mit Fatihi und Familie in Monastir, einer schönen Stadt in Tunesien, verlebt.

Heute gälte auch Fatihi als „Person of Color“! Sie sehen, wie kompliziert die Sache ist.

Im Grunde wird mit „weiß“ „europäisch“ gemeint, womit jene Ureinwohner Europas gemeint sind, die die sog. „europäische Kultur“ gründeten und die – seien wir uns ehrlich – später Menschen in den Amerikas, in Afrika, in Asien etc. kolonisierten. Heute ein verfemtes Wort. Die Befürworter der kritischen Rassismusforschung behaupten, dass diese Europäer bis heute die P.O.P. weiterhin unterdrücken und wie Kolonisten behandeln.

Die schlimmsten Ausbeuter seien, so heißt es, die weißen Männer und noch schlimmer, wenn das möglich ist, die alten weißen Männer. Weiße Frauen hingegen seien zwar „weiß“, aber auch sie werden irgendwie von den weißen Männern – insbesondere von den alten weißen Männern – geknebelt, aus welchem Grund es nötig war, das „Gendersternchen“ zu erfinden. Nun wissen Sie es.

Alles klar?

Und wer zählt zu den P.O.P.?

In den USA – und dort wurde der kritische Rassismustheorie als Weiterentwicklung der Dekonstruktivismus (fabriqué en France) kultiviert – sind es die Native Americans, Afroamerikaner, hispanische Menschen aus Mexiko, Zentralamerika und Südamerika. Später durften sich auch Araber, Iraner, Inder und Asiaten als „People of Color“ bezeichnen. Diese Liste gilt inzwischen auch für Deutschland, wohin vor ein paar Jahren die kritische Rassismustheorie rüber geschwappt ist.

Doch Vorsicht! So einfach ist die Sache nicht. Denn manche Menschen entsprießen einer Mischung der Ethnien. Manche sind sogar vom Aussehen und Gehabe her kaum von den weißen Unterdrückern zu unterscheiden! Noch ein Problem: Wer unter der Oberfläche buddelt, stellt fest, dass auch P.O.P. – historisch betrachtet – Dreck am Stecken haben dürfen. Mord, Eroberungsgelüste, Raubzüge, Unterdrückungen usw. scheinen auf der ganzen Welt zum Grundprogramm zu gehören.

Zum Glück für all jene, die sich als ausgebeutet darstellen möchten: Heutzutage darf man alles sein! Man muss es sich nur wünschen! Geschlecht und Herkunft sind zu Accessoires geworden! Jeder darf sich als zerfleddert und unterdrückt darstellen! Wie schön!

Und nun habe ich eine Idee: Wie wäre es, wenn jeder sich zu einer „Person of Color“ erklären würde? Im Nu gäbe es keine Opfer mehr!

Nein, nicht ganz. Johnny und Amber würden weiterhin jammern, und die Russen nicht aufhören durch Lügen und Raubzug die Ukraine zu kassieren.

Manche würden an dieser Stelle kontern: Das mit Johnny und Amber, den Russen und den Ukrainern ist mir egal. Es sind ohnehin alle Weiße.

Augen zu und los (Die Gliose-Blues)

Ich werde mich heute kurzhalten. Mein Arzt besteht darauf. Will heißen: mein Augenarzt. Vielleicht erinnern Sie sich. Vor zwei Wochen habe ich angekündigt, dass ich auf Geheimmission gehe. Ist geschehen. Und nun bin ich zurück.

Was für eine Geheimmission?

In meinem Fall führte sie letzte Woche in eine Augenklinik, wo ich mir eine ziemlich ekelhafte Operation unterziehen ließ. Sie heißt „Vitrektomie“. Damit wird gemeint, dass die Flüssigkeit im Glaskörper (ja, im Glaskörper ist eine durchsichtige Flüssigkeit) entfernt wird, damit sich der Operateur (bzw. die Operateurin) einfacher an die Netzhaut herankommen kann. In meinem Fall war dies notwendig, weil sich mir auf der Netzhaut (lateinisch „retina“) eine „Gliose“ formiert hat.

Mit Sicherheit wissen Sie nicht, was eine Gliose ist. Das erfährt man erst, wenn man eine hat. Es handelt sich um ein Häutchen, das sich aus irgendeinem Grund auf der Netzhaut zu wachsen anfängt. Auf den CT-Bildern meiner Netzhaut, wird etwas sichtbar, das wie ein Vulkan aussieht. Dieser Vulkan schwillt immer mehr an, bis man kaum mehr aus dem Auge sehen kann.

Deshalb habe ich während der letzten Jahre die Welt wie durch krumme Wellen gesehen. Als Lesegerät fiel das linke Auge selbstverständlich aus.

Vor der OP hat man mich in einen Dämmerschlaf versetzt – ein interessantes Erlebnis. Man ist halb da und halb nicht da. Ich bilde mir ein, ich habe den Augenblick erlebt, als man mir mit einer Pinzette das störende Häutchen rausgepickt hat. Ich bilde mir weiterhin ein, dass ich etwas in diesem Sinn kommentiert habe und dass der Operateur mir gesagt hat, ich solle lieber den Mund halten, was für mich ohnehin schwierig ist.

Wie dem auch sei. Die OP ist inzwischen vorbei. Wo die Glaskörperflüssigkeit ausgesaugt wurde, hat man dem Auge als Platzhalter Gas reingepumpt. Sie müssen sich vorstellen: Der Augapfel war nach der OP halb mit Flüssigkeit halb mit Gas gefüllt. Anfänglich hatte ich eine Empfindung, als würde ich durch ein trübes Aquarium schauen. Die gute Nachricht: Das Gas wird peu à peu resorbiert (Ärztesprache) und das Auge füllt sich dann mit frischer Flüssigkeit wieder. Bis es so weit ist, nimmt man eine Trennlinie zwischen Flüssigkeit und Gas wahr. Unterhalb der Linie glotzt man durch das trübe Aquarium, oberhalb ersieht man – täglich – immer mehr Licht, wie man es üblicherweise kennt. Am Schluss, so wurde mir erklärt, verschwindet das Aquarium ganz, und die Sehkraft wird wieder hergestellt. Das dauert aber, und man darf sich während einer gewissen Zeit durch Lesen, tragen etc. nicht anstrengen.

Und darum geht es in diesem kurzen postoperativen Bericht: Ich gebe mir Mühe, mein Auge nicht zu sehr zu überstrapazieren.

Sie merken es natürlich nicht, aber ich schreibe diesen Text mit zugeschlossenen Augen. Das „Blindschreiben“ habe ich in der 7. Klasse in New York gelernt. Es hat mir mein ganzes Leben gedient. Mit Sicherheit steht das Schreibmaschinenschreiben nicht mehr auf dem Lehrplan weder in den USA noch sonst wo.

Da ich die nächste Zeit nur sehr wenig lesen darf – auch keine Zeitungen, hat mir meine Frau Hörbücher zur Verfügung gestellt. Ja, ich höre Bücher; ich lese sie nicht. Früher haben beinahe alle Menschen ihre Bücher nur gehört. Denn die meisten Menschen waren ohnehin Analphabeten. War einfach so.

Das hat aber Konsequenzen. Wenn man einen Text nur hört, lebt man quasi – was die Sprache betrifft – in einer Klangwelt. Viele Wissenschaftler sind der Meinung, dass das logische Denken erst nach dem Lesenlernen entstanden ist.

Weil Menschen in einer schriftlosen Kultur nichts schriftlich festlegen können, wird die Vergangenheit ihrer Kultur allein durch das Gedächtnis festgehalten. Das Gedächtnis ist aber, wie man weiß, ein unzuverlässiger Kumpel. Folglich seien schriftlose Kulturen quasi mythologische Kulturen.

Nebenbei: Das englische Wort für „lesen“, also „read“, ist mit „reden“ verwandt. Da erkennt man eindeutig einen Hinweis auf die einstige mündliche Tradition. Der Name des heiligen Buchs des Islam, „Quran“, wird von einer Vokabel abgeleitet, das „ausrufen“ bedeutet. Das frühe Publikum dieses Textes hat ihn mit Sicherheit nicht gelesen, sondern lediglich gehört.

Na ja. Nur ein paar Gedanken zu meinem momentanen Zustand. Wie gesagt: Ich habe diesen Text zumeist mit zugeschlossenen Augen geschrieben. Sie werden ihn aber – so nehme ich an – mit offenen Augen lesen.

Ein Narrativ übers Narrativ

Ich bilde mir ein, dass der Sprachbloggeur als Quelle sprachlicher Neuigkeiten dient. Und deshalb hatte ich mich neulich entschlossen, über den Begriff „Narrativ“ zu berichten.

Und was erfahre ich? Dass ich längst den Kollegen hinterherhinke! Und Sie? Zählt das „Narrativ“ zu Ihrem aktiven Wortschatz? Falls nicht, dann sind Sie an der richtigen Stelle gelangt, um eine Wissenslücke zu füllen. Denn es ist nicht mehr zu leugnen: Wir leben im Zeitalter des „Narrativs“.

Schon 2017 erschien ein Text zu diesem Thema in der „Süddeutschen Zeitung“. Der Autor, Tobias Kniebe, etikettierte „Narrativ“ als „Modewort“. Vor ihm, also 2016, hatte auch der Journalist Matthias Heine in der „Welt“ das „Narrativ“ als „Modewort“ beschrieben. Sie sehen: Dieses Wort brodelt seit einiger Zeit im dt. kollektiven Unterbewusstsein.

Auch meine Entscheidung übers „Narrativ“ zu schreiben, ist wohl ein Ausdruck dieses Impulses. Denn Fakt ist: Das „Narrativ“ ist wohl ein Ausdruck des Zeitgeists.

Aber nun endlich zum „Narrativ“ selbst: Das Wort ist ein Neutrum, ein „das“, und wird vom lateinischen „Narrativum“ hergeleitet.

„Narrare“ bedeutet auf Lateinisch „erzählen“. „To narrate“ ist auf Englisch eine ganz normale Vokabel im Sinne von „erzählen“. Derjenige in einem Roman, der die Geschichte erzählt, ist der „narrator“. Man könnte das, was er (oder sie) tut eine „narration“ nennen. Womöglich wurde das Wort auch in der dt. Literaturkritik schon lange so verwendet.

Seit 1979 ist ums „Narrativ“ viel Neues geschehen. Denn in diesem Jahr benutzte ein französischer Philosoph namens Jean-François Lyotard diesen Begriff in einem Buch übers „Postmoderne“ und zwar in einem ganz neuen Sinn.

Nebenbei: Lustiger Begriff „Postmoderne“! Mittlerweile klingt er altbacken, zumal wir heute wahrscheinlich im Postpostmodernen…oder gar Postpostpostmodernen leben.

Mein Gott! Ich habe so viel geschrieben und immer noch nicht verraten, was ein „Narrativ“ Lyotard zufolge ist! Wir lassen jetzt Wikipedia für uns reden. In einem ausführlichen Eintrag über dieses Thema wird das „Narrativ“ als eine „sinnstiftende Erzählung“ definiert. Will heißen: Etwas wird erzählt, damit der Zuhörer es auf eine gewisse Weise versteht und deutet.

Kommt dies Ihnen bekannt vor?

Das macht zum Beispiel Putin momentan. Ihm zufolge darf der blutige Angriffskrieg, den er vom Zaun gebrochen hat, nicht als Krieg bezeichnet werden. Wer dies in Russland tut, wird sogar vors Gericht geholt. Man erzählt lieber von einer „Sonderoperation“. Darüber hinaus bezeichnet man den Feind als Nazi und die Toten in Butscha als Schauspieler. Sie sehen: Dies ist ein ausgezeichnetes Beispiel für ein „Narrativ“.

Hat auch Hitler am 1. September 1939 gemacht, als die Wehrmacht in Polen „zurückgeschossen“ hat. Das tut man auch, wenn man behauptet, dass die Sklaverei eine Erfindung von bösen Weißen ist, um die Schwarzen – oder neuerdings die „P.O.P. („people of color“) zu unterdrücken.

Klar: Es ist nicht schwer zu verstehen, was ein „Narrativ“ ist. Man könnte es als Deutungshilfe beschreiben. Fest steht jedenfalls: Beispiele von „Narrativen“ gibt es wie der Sand im Haar.

Nur: Wie hat man dieses Phänomen früher ausgedrückt? Hmm. Darüber muss ich nachdenken. Vielleicht etwas wie „Faktendeutung“ oder „Propaganda“. Nein, es muss etwas anders gegeben haben. Falls aber nicht, dann haben wir endlich den passenden Begriff!

Aber nun habe ich für heute genug erzählt. Falls Ihnen der Begriff „Narrativ“ gefehlt hat, haben Sie nun bestimmt genug davon.

In eigener Sache: Nächste Woche keine Glosse. Bin auf Geheimmission.

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