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Blah blah blah

„Lieber Herr Sprachbloggeur, wie kommen Sie auf Ideen für Ihre Glossen?“

Gute Frage. Fakt ist: Manchmal weiß ich selber nicht. Zum Beispiel, dieser heutige Text. Vor etlichen Tagen dachte ich daran, wie oft Greta Thunberg mit dem Ausruf „Blablabla“ zitiert wird. Auch jüngst in Zusammenhang mit der COP26 (26. Conference Of the Parties) in Glasgow. Dort trat G. auf und meinte, die Politik rede nur „Blablabla“, anstatt die „Klimakrise“ (manchmal „Klimakatastrophe“ genannt) radikal anzupacken. Vielleicht haben Sie all dies mitbekommen.

Dann knöpfte ein Politiker – leider vergesse ich den Namen – die Lippenbekenntnisse der Politik zum Thema „Klimawandel“ (bzw. „Klimakrise“) als „Blablabla“ vor. Ich hatte das Gefühl, er wollte sich mit Greta solidarisieren, bzw. mit fremden Federn schmücken.

By the way: Greta zählt zu den wenigen Menschen auf Erden, die so bekannt sind, dass Milliarden von Mitmenschen sie sofort identifizieren können: lediglich vermittels des Vornamens. Wunschtraum aller, die gern Mittelpunkt wären. Elon und Donald schaffen es auch. Harrys Meghan platzt sicherlich vor Neid.

Aber was ist mit dem armen Justin? Welcher Justin?, fragen Sie. Justin Bieber? Justin Timberlake? Justin Trudeau? Sie sehen: Die Sache kann manchmal problematisch sein.

Doch zurück zum Blablabla.

Die englische Schreibart lautet „blah blah blah“ und wird in drei Begriffseinheiten eingeteilt: „blah“ und „blah“ und „blah“. Viel einfacher auf Deutsch. Da hat man „Blablabla“. Ich glaube, dass Greta die englische Variante verwendet. Wie das „Blablabla“ auf Schwedisch (Muttersprache von Greta) lautet, vermag ich nicht zu sagen.

Fest steht jedenfalls: Blah blah blah ist lautmalerisch und wird im Sinne von „Geplapper“ gebraucht. Aber Vorsicht: Die dreifache Wiederholung im Englischen bildet eigentlich kein Wort. Man muss diese Dreierreihe als Ausruf erfassen.

Beispiel: Einer sagt: „Mein Salat ist ein CO2-Fresser, und ich bin Salatfresser. Wessen CO2-Fußabdruck ist größer?“

Greta (oder ähn.) antwortet: Blah blah blah. Will sagen: Du redest nur Nonsens.

Will man auf Englisch aus „blah blah blah“ ein Hauptwort bilden, muss man ein „blah“ abziehen. So bleibt dann nur „blah blah“ übrig. Z.B.: „He’s just speaking blah blah.“ Auch auf Deutsch machbar: „Er redet lauter Blabla.“

Schnippt man – zumindest auf Englisch –ein weiteres „Blah“ ab, bleibt nur noch „Blah“ übrig. Doch auch „Blah“ hat eine Bedeutung auf Englisch. Mehrere sogar. Es wird nämlich sowohl als Adjektiv wie auch als Nomen verwendet. Als Nomen benutzt man es allerdings nur in der Mehrzahl.

Man fragt: „How are you?“ Antwort: “I feel blah.” D.h., „Unwohl“. Oder man sagt: „I’ve got the blahs.“ Sprich: Ich fühle mich niedergeschlagen. Notabene: Der Vokal wird ausgedehnt artikuliert. Eigentlich ähneln die „Blahs“ den „blues“. Ob es diesbezüglich eine sprachhistorische Beziehung zwischen diesen Termini gibt, vermag ich aus dem Stehgreif nicht zu sagen. Vielleicht weiß es Vorsitzender Google.

Auch wichtig: Das dt. „Blablabla“, sagt Vorsitzender Google, ist kein Lehnbegriff aus dem Englischen. Es sei seit dem 14. Jahrhundert – in Form von „Blabla“ belegt. Das haben Sie bestimmt nicht gewusst.

Dem Vorsitzendem Google zufolge kann man Blabla vom lateinischen „blatare“ („plappern“) ableiten.

Sie sehen: Man kann sich in der Materie sehr vertiefen.

Doch nun nach diesem kurzen Exkurs zurück zur Frage, woher ich die Ideen für meine Texte habe.

Die einfachste Antwort: Ich fange jedes Mal, wenn ich schreibe, mit irgendeinem Blablabla an…und suche dann fleißig nach dessen Sinn.

Ein Schwerkrankes Mobilphone

Während ich diese Zeilen schreibe, lausche ich dem Gedudel der Warteschlangemusik. Früher sagte man dazu „elevator music“ (Aufzugsmusik), weil es vor der Inforevolution keine Warteschlangen am Telefon gab. Ich müsse jedenfalls mit einer Wartezeit von zehn Minuten rechnen, meinte die Roboterstimme des „Providers“.

Grund für meinen Anruf: Ich hatte seit ca. drei Wochen ein Problem, das viele sicherlich als unerträglich erachten würden: Mein Mobiltelefon war nicht mehr in der Lage, Telefonate zu tätigen.

Ich weiß, dass das für viele wie der Albtraum (früher „Alptraum“) schlechthin klingt. Es hätte aber schlimmer kommen können. Zum Beispiel, wenn ich einen Totalschaden erlebt hätte. Tatsache ist: Ich konnte immer noch SMSe empfangen und verschicken und im WehWehWeh bis zum Vergessen surfen. Nur das Telefonieren (Neudeutsch: „die Telefonie“) war urplötzlich unmöglich geworden. Man stellt in dem Augenblick fest, wie abhängig wir von diesen tragbaren Walkie-Talkies sind.

Es gab allerdings eine Ungereimtheit: Während dieser Zeit war ich mit meiner Frau in einem fremden Land, um unbekannte Straßenzüge und Menschen auszuspionieren bzw. zu studieren. Das mache ich manchmal gern.

Ich ging freilich davon aus, dass auch in der Fremde es unmöglich sein würde, Telefonate zu tätigen. Allmählich war ich resigniert, den Rest meines Lebens ohne Handy auskommen zu müssen.

Zugegeben: Ich hätte die Möglichkeit, ein neues Phone zu kaufen. Würde das aber das Problem lösen?, erwägte ich.

Aber dann – einfach aus Jux und Gaudi – hab ich in der Fremde am Tag vor unserer Abreise eine Taxi-Firma angerufen, um ein Taxi zu bestellen. O Wunder! Ich kam plötzlich durch! Mein Phone hat seine Stimme wieder gefunden! Hoppla, dachte ich, Spontanheilung.

Leider nicht. Kaum waren wir wieder zuhause, ging das Spielchen wieder von vorne los. Sehr schmerzhaft war die Enttäuschung.

Die nächsten paar Tage hing ich endlos an der Strippe beim Kundendienst meines Providers. Nette Menschen, und jeder wollte aufrichtig helfen. Jeder hatte auch Ideen: Dreimal, z.B., schaltete ich das Telefon für 15 Minuten aus, während der Kundendienst Fernzauber mit meiner SIM-Karte zu treiben beabsichtigte. Einmal habe ich die SIM-Karte aus dem Phone entfernt, um ganz von neuem anzufangen. Nix aber hat geholfen. Gar nix. Dann wurde mir mitgeteilt, dass Techniker inzwischen die Ursache entdeckt hätten und dabei waren, sie zu beseitigen. Freudenschrei. Fehlanzeige. Nix ist geschehen. Als letzter Versuch wollte die Firma mir eine neue SIM-Karte zuschicken. Neue Karte, neues Glück wohl.

Eine Mitarbeiterin meinte besänftigend, ich müsse mich einfach gedulden, bis die Techniker ihre Arbeit beendet haben. Hilfe sei auf dem Weg.

So nun haben Sie den Hintergrund.

Und dann ist es geschehen…die Heilung! Ich, ja ich habe die Ursache des Problems entdeckt und beseitigt. Ja! Ich! Wie habe ich das getan? Aus Jux und Gaudi schaute ich – ein letztes Mal, wie ich dachte – in die Telefonnetzeinstellungen. Und siehe da! Ich stieß auf eine Einstellung, bei der ich zwischen 4G/3G, 4G/3G/2G oder lediglich 2G als Verbindungsweg für die Telefonie habe entscheiden müssen.

Mein Häkchen war bereits auf 4G/3G. Doch nun – einfach so – stellte ich das Häkchen auf 4G/3G/2G. Und o Wunder! Ich konnte plötzlich wieder telefonieren!

Und nun zurück zur oben erwähnten Warteschlange samt Gedudel.

Der nette Mitarbeiter, den ich nach einer Wartezeit von ca. 10 Minuten am Apparat hatte, freute sich mit mir und erklärte, dass man üblicherweise mit 2G telefoniert. Die höheren Einstellungen seien hauptsächlich fürs Surfen und Gaming.

Wir waren jedenfalls beide froh, dass das Problem eine so einfache Lösung gefunden hatte. Er meinte, ich sollte die neue SIM-Karte, die mir verschickt wurde, einfach sicher aufbewahren – falls ich sie mal brauche. Sie sei für ein Jahr gültig. Und so sind wir verblieben.

Fazit: Es gibt auch im Infozeitalter die Menschlichkeit. Man muss bloß nach ihr rufen.

Bekenntnisse eines alten, weißen Manns

Ich will hier zu einer Jugendsünde Stellung nehmen. Was heißt Jugendsünde? Vielmehr wohl eine Erbsünde. Damit meine ich: Ich wurde als männliches, weißes Menschenwesen geboren.

Und nun ist aus mir – weil ich so lang gelebt habe – o Schreck, o Schande: ein alter, weißer Mann geworden!

Unterwegs in München bin ich neulich auf eine große Kundgebung gestoßen. Friday for Future – zu Deutsch „freier Tag für wenige Tours“ – war en masse auf der Straße. Oben auf einem riesigen SUV oder Laster erblickte ich eine junge, weiße Frau. Sie schien eine Art LeaderIn zu sein und plärrte laut ins Mikrofon: „What do we want? What do we want?“

Notabene: Englisch ist die Fachsprache dieser Bewegung.

Leider habe ich die Antwort vergessen. Ich bilde mir jedenfalls ein, die Menge habe etwas über mehr Fahrräder, mehr E-Scooters und Kühe, die weniger furzen skandiert. Doch leider ist mein Gedächtnis nicht so top fit wie früher. Wahrscheinlich deshalb, weil ich, wie schon gesagt, ein alter, weißer Mann bin!

Ja genau. Jetzt erinnere ich mich wieder, wieso ich auf diese Großkundgebung zu sprechen komme: Weil mir dort eine junge, weiße Frau – nein, nicht diejenige, die oben auf dem riesigen SUV stand – aufgefallen war. Sie marschierte mit dem Fußvolk mit und wedelte mit einem – wahrscheinlich selbstgemachten – Transparent, worauf folgender Text zu lesen war: „Alte, weiße Männer vergewaltigen die Erde.“ Oder vielleicht war das „vergewaltigen Muttererde“. Ich habe ein Foto von der jungen, weißen Frau mit Transparent geknipst.

Sogleich bin ich ins Grübeln geraten. Hmm, hab ich gedacht, meint sie etwa, mich? Immerhin bin ich sowohl alt wie auch weiß und obendrein Mann. Nur: Ich kann mich nicht mehr erinnern, die Erde bzw. Muttererde jemals vergewaltigt zu haben. Im Gegenteil. Einmal wollten zwei Frauen mich vergewaltigen! Ich bin abgehauen. War alles sehr unerfreulich.

Doch vielleicht meinte die junge, weiße Frau mit dem Transparent etwas anders. Vielleicht meinte sie, dass alle alte, weiße Männer dazu beitragen, die Erde unbewohnbar zu machen. Könnte das sein? Immerhin hatte Ich lange Jahre als Wissenschaftsjournalist gearbeitet. Bestimmt habe ich dabei Böses getan – ich meine Muttererde gegenüber (Strom, Tinte, Bücher lesen, Bibliothek aufsuchen, Interviews etc.). Darüber hinaus gehe ich seit Jahren in den Supermarkt, um Müsli, Milch und andere Dinge einzukaufen, Produkte also, die nicht immer vegan sind. Noch dazu: Als ich jünger war, hab ich gern und oft Fleisch gegessen, was dazu führte, dass noch mehr Kühe in die Welt gesetzt wurden, um geschlachtet und gegessen zu werden. Und dass sie, solange sie lebten, furzten. Und nicht zu vergessen: Manchmal bin ich auch gereist – und zwar häufig auch mit dem Flugzeug. Allerdings meistens, um meine Mutter in den USA zu besuchen. Da sie mit 102 gestorben ist, musste ich sehr viele Jahre in die USA fliegen. Glauben Sie mir aber: Dies hat mir nie Spaß gemacht. Verzeihung. Ich rede nicht von meiner Mutter – obschon auch diese Geschichte kompliziert ist –, sondern vom Fliegen. Ich habe das Fliegen immer gehasst. Sie auch? Meine Mutter allerdings nicht. Sie liebte es – insbesondere bei Turbulenz. Während ich kurz davor war, mein Mittagessen in die Kotztüte zu recyclen, hat sie nur gejauchzt, wie ein Kind auf der Achterbahn. Je wilder die Erschütterungen, desto lustiger für sie die Reise.

Meine Mutter war natürlich eine alte, weiße Frau als sie gestorben ist. Tatsache ist: Alle weißen Menschen, falls sie lang leben, werden alt. Auch Sie, liebe junge, weiße, Männer und Frauen bzw. LeserInnen.

Als ich die junge, weiße Frau mit dem Transparent neulich erblickt habe, habe ich nachgedacht. Stimmt das? Sind es wirklich alte, weiße Männer, die die Erde vergewaltigen?

Doch prompt fiel mir Queen Victoria ein. Erinnern Sie sich an sie? Sie hat in England geherrscht, als der brit. Kolonialismus sehr profitabel war. Oder Queen Elisabeth I., die ebenfalls diese Rolle im 16. und am Anfang des 17. Jh. gespielt hat. Könnte man nicht sagen, dass auch die zwei Queens die Erde…ja…vergewaltigt haben? Dann fielen mir Mao ein und auch Xi. Beide sind mitnichten als alte, weiße Männer zu bezeichnen. Oder? Und beide haben, wie man sagt, viel Dreck am Stecken. Mir fielen dann noch die Azteken ein, deren Kultur von Eroberungen Plünderungen abhängig war, und zwar lange bevor die spanischen Plünderer vor Ort waren. Mir fielen auch diverse afrikanische Diktatoren ein, die ihre Länder reichlich ausbeuten, um sich Macht und Reichtum zu sichern.

Diese Liste der multikulti und multigender VergewaltigerInnen der Erde lässt sich beliebig ergänzen. Dafür müsste man aber ein bisschen Geschichte gelernt haben. Geschichte lernt man nicht bei TikTok, Facebook, Twitter, Instagram usw.

Ja, ich bin ein alter, weißer Mann…und ich gehe davon aus, dass ich dieses Schicksal mit ca. 45% der Deutschen teile. Denn auch junge, weiße Männer werden schließlich alt.

Muss ich jetzt Buße tun? Mea culpa usw. skandieren? Standbilder canceln? Ach du lieber! Jetzt werde ich polemisch. Hopp! Bremse ziehen!

PS Mein Bloggeur Kollege Gorg von der Webseite Lustwort hat bereits über „alte wei(s)se Männer“ geschrieben. Er hat mir einmal den Vorschlag gemacht, wir sollten beide mal ein und dasselbe Thema anpacken. Jeder freilich auf seine Art. Dies habe ich heute getan.

Achtung in eigener Sache: Ich tauche die nächsten paar Wochen in dem Untergrund. See you Anfang November.

Amer. Idioms…drei Stück! For free!!

Holen Sie Papier und was zum Schreiben. Heute wieder Englischunterricht beim Sprachbloggeur! Drei Redewendungen, um Ihre Kenntnisse der engl. Sprache zu vertiefen.

Zunächst aber ein paar Worte über den deutschen Phraseologismus „was zum Schreiben“. Das sagt jeder und meint damit Bleistift, Kugelschreiber oder Füllfeder (Letzteres sehr selten).

Man sagt es beinahe automatisch. Auch ich – obwohl Deutsch lediglich meine Schwiegermuttersprache ist. Wie kam es dazu? Vorsitzender Google bietet auf diese Frage keine Hilfe. Vielleicht weiß er die Antwort selber nicht.

Meine Theorie: Das Idiom entstand zu einer Zeit, als man nicht wusste, welches Schreibgerät das Gegenüber zücken würde, um sich etwas zu notieren. Eine Verlegenheitsfloskel quasi. Oder vielleicht wurde es erst dann gebräuchlich, als die Menschen miteinander übers Telefon zu kommunizieren begannen. Man wusste nie, da man nix sehen konnte, womit der andere schreiben würde.

Nur Theorien meinerseits. Dennoch hoffe ich, Sie haben Papier und was zum Schreiben geholt. Denn jetzt geht es los. Es folgen drei engl. Idiome, die Ihre Englischkenntnisse bereichern werden. By the way: Zwei davon waren mir fremd, da Jugendslang; und da ich so gut wie keinen Kontakt mit amer. Jugendlichen habe, musste ich selber die Bedeutung diese frechen Sprüche nachschlagen. Eine gute Quelle – meine Empfehlung – wäre die „Urban Dictionary“. Vorsitzender Google kann Ihnen zeigen, wo sie zu finden ist. Aber jetzt geht’s los:

Erstes Idiom: „to drink the kool-aid”. Zuerst eine kurze Geschichte. Dann erkläre ich den Sinn dieser Redewendung:

Vor ein paar Jahren hatte ich einen kurzen Roman – in englischer Sprache – geschrieben. Er ist noch nicht erschienen, aber das ist nur eine Frage der Zeit. Kommt Zeit kommen Ratten, sagt man. Der Erzähler in dem Buch ist ein androgyner Jüngling namens Adrian, der sich manchmal als Mädchen (Adrianne), manchmal als Jungen (Adrian) fühlt und sich deshalb mal zum einem mal zum anderen Geschlecht angezogen fühlt. Er wohnt allerdings mit einer (scheinbar) verständnisvollen jungen Frau zusammen. Er behauptet allerdings, er sei weder homosexuell, transsexuell usw., sondern nur sich selbst. Die Geschichte spielt in der Zukunft während einer dystopischen Zeit. Ich würde sie als traurige Komödie bezeichnen.

Langer Eisen kurzes Zinn: Vor ein paar Jahren habe ich das Buch an eine Jugendfreundin in Kalifornien geschickt. Wir hatten zwar lange keinen Kontakt, aber so what. Ich wusste, dass sie ein paar „connections“ im „Verlagsgeschäft“ hatte.

Prompt kam die Antwort. Sie habe keine Zeit, mein Buch zu lesen. Sie versicherte mir allerdings, dass der Wortschatz, den ich meine Hauptfigur in den Mund gelegt hatte, total falsch sei, überhaupt nicht zeitgemäß.

Na ja. Ich hab es dabei belassen. Einige Wochen später erzählte ich diese Geschichte der Lebensabschnittspartnerin meiner Jugend, mit der ich in Kontakt geblieben bin. Sie hatte a) das Buch gelesen und b) war selbst mit der anderen Frau gut befreundet. „Kein Wunder, dass sie so ablehnend reagiert hatte“, schrieb sie mir. „She‘s drunk the kool-aid. Denn ihre Tochter Barbie ist längst ihr Sohn Bob.“

„To drink the kool-aid“? Was soll das bedeuten?

Wir schreiben das Jahr 1978. Damals lebte der US-amerikanische Sektenführer Jim Jones mit 900 Anhängern in einer von ihm gegründeten Kolonie namens „Jonestown“ in Guyana im Nordosten von Südamerika. Jim Jones, ein charismatischer Fanatiker, war überzeugt, dass der Weltuntergang kurz bevorstand. Seine Anhänger glaubten ihm. Eines schönen Tages im November – irgendein Unglück war passiert – schaffte es dieser Prediger, seine Anhänger derart aufzuwühlen, dass er sie zu überzeugen vermochte, nur ein freiwilliges Ausscheiden aus diesem Leben würde sie vor der Hölle auf Erden retten. Wilde Hysterie herrschte vor. Unterdessen bereitete Jones ihnen ein giftiges Gebräu zu, um sich und seine Leute ins Jenseits zu befördern. Dieses Getränk bestand aus einem damals allgemein (in den USA) billigen, süßen Tütenpulver namens „Kool-Aid“ mit Valium und Zyankali bereichert. Jeder bekam einen Becher. Bald lagen ca. 900 Leichen kunterbunt am Appellplatz der Sektenkolonie „Jonestown“. Ich habe die Story gekürzt erzählt. Fragen Sie den Vorsitzenden Google um die zusätzlichen Details zu bekommen.

Fakt ist aber: Wenn man heute sagt, dass jemand das „Kool-Aid“ getrunken hat, meint man damit, dass jemanden das Gift einer Ideologie mit Bauch und Bohnen geschluckt hat…

Ach! Ich wollte Ihnen noch zwei Idioms beibringen, die, wie gesagt, auch mir neu waren. Diese werde ich jetzt nur kurz ansprechen. Das sollte fürs Erste genügen:

Das eine heißt „for shizzle“ (sprich forr schisel) und bedeutet „ganz sicher“. Ist eigentlich eine Persiflage auf „for sure“. Das zweite: „to throw shade“. Wörtlich „Schatten werfen“. Es wird im Sinne von „respektlos mit jemandem umgehen“ gebraucht. Beide Idiome entstammen dem afro-amerikanischen Slang. Darüber hätte ich noch einiges zu sagen, doch vielleicht ein anderes Mal...

Gespräch mit einem Ohrwurm

Falls Sie zart besaitet sind, wird vorgewarnt: Was nun folgt, könnte schwer verdaulich sein – zumindest Teile davon.

Es geht um einen Ohrwurm (lat. Dermaptera). Vom Standpunkt unserer Ästhetik und Formempfindung sehen diese Tierchen nicht gerade schönheitswettbewerbspreisverdächtig aus. Im Gegenteil:

Etwa zwei Zentimeter lang, schmal, bräunlich, vorne mit zwei steckenden Fühlern und hinten mit einem zweiteiligen Schwanz, der wie eine Zange aussieht, ausgestattet. Man bildet sich rasch ein, der Ohrwurm könnte mit dem Schwanz zwicken wie ein Skorpion. Oder man denkt: Vielleicht sind die Viecher giftig.

Obendrein: Die Biester schlängeln durch die Weltgeschichte wie Dämönchen aus einer mittelalterlichen Höllendarstellung.

Sie heißen Ohrwürmer, weil man früher behauptet hat, dass sie nachts einem Schlafenden ins Ohr krochen, um ihre Eier zu legen, wovon später tausende solche Kreaturen aus dem Ohr flutartig herauswimmelten.

Stimmt nicht. Falls sich ein Ohrwurm tatsächlich ins Ohr verirrt, handelt es sich um eine Ausnahmeerscheinung. Warum ein Lied, das man nicht mehr aus dem Kopf bekommt, als Ohrwurm bezeichnet wird, vermag ich nicht zu erklären.

Auf Englisch heißen diese unappetitlichen Viecher „earwigs“. „Ear“ ist easy zu verstehen, da es „Ohr“ bedeutet. „Wig“ leitet man von einer angelsächsischen Vokabel „wicga“ ab, das mit „Insekt“ zu übersetzen ist. Wahrscheinlich haben die Altengländer „witscha“ gesagt. Das Wort ist übrigens sprachgeschichtlich mit „beWEGen“ verwandt. Auf Englisch kennt man – auch heute – das Verb „wiggle“, im Sinne von „wackeln“. Wahrscheinlich sind „wiggle“ und „wackeln“ mit dem „-weg-“ in „bewegen“ – und mit „Wiege“ verwandt.

So weit so gut. Bisher habe ich Ihnen das Unappetitliche weitgehend erspart. Aber equal goes it loose…

Letzte Woche gab es bei mir zum Frühstück Müsli mit frischem Obst. Mmmm. Haferflocken, Blaubeeren, Himbeeren, Johannisbeeren, Erdbeeren, Banane und Aprikosen. Alles (mit Ausnahme der Haferflocken und der Banane holte ich aus dem Kühlschrank – auch die Milch, die ich der Mischung beigab.

Beim Essen saß ich gemütlich vor dem Rechner und schaute gestreamte Nachrichten. Zwischendurch löffelte ich träumerisch ein Häppchen Müsli in den Mund. Als ich einmal kurz auf die Schüssel blickte, nahm ich eine Bewegung wahr. Etwas schien an einer Himbeere zu kleben und wippte sich hilflos. Es war ein Ohrwurm.

Meine erste Reaktion war spontan nach hinten zu springen, gefolgt von einem genauen Hinschauen. Tierischer Instinkt halt. Nun erblickte ich das kleine Tierchen, das ganz mit Milch durchtränkt war. Es klammerte an der Himbeere wie an einem Rettungsring.

Dies stellte ich allerdings erst im Nachhinein fest. Zunächst war ich nur von Ekel gefüllt. Weshalb ich mich schnell erhob und festen Trittes mit Schüssel in Hand in die Küche ging, um den Inhalt des Löffels samt Ohrwurm in den Spülbecken zu klatschen.

Leider habe ich die Stimme des Tierchens nicht wahrgenommen, obwohl wir eigentlich ein Gespräch führten. „Was hast Du vor?“ fragte der Ohrwurm sichtlich verstört.

„Ich werde dich töten“, antwortete ich.

„Du kennst mich aber nicht!“

„Gerade deshalb“, antwortete ich. „Du ekelst mich an.“

„Und was meinst du, was ich empfinde, wenn ich dich sehe? Für solche wie mich erscheinst auch du recht ekelig: ein großer Klotz halt. Ich bevorzuge lieber die Gesellschaft der eigenen. Es sind schlanke, anmutige Wesen…“

„Warum heißen bei uns Lieder, die nicht aus dem Kopf gehen wollen, Ohrwürmer?“

Ich stellte die Frage, aber ich wartete nicht auf die Antwort. Denn ich hatte bereits ein Stück Küchenrolle geholt und das Tierchen fest damit zerdrückt. Als ich aufs zerknautschte Papier schaute. hat sich das Tier noch bewegt.

„Dummkopf“, sagte es mir. „Gerade wollte ich dir mein Geheimnis lüften.“ Doch schon hatte ich bereits ein zweites Mal fest gedrückt und den Batzen in die Küchentonne geworfen.

Vielleicht möchten Sie wissen, was ich mit dem Rest meines leckeren Müslis getan habe. Ganz einfach. Ich habe es gegessen. Wie man sagt: Ein Ohrwurm macht noch keinen Sommer…bzw. Herbst.

Erst im Nachhinein habe ich gedacht: Vielleicht wäre es gerechter gewesen, wenn ich das Ohrwürmchen einfach auf den Balkon in die Freiheit entlassen hätte. Andererseits, wer weiß? Vielleicht wäre ein Vogel gekommen, der das Tierchen gleich schnabuliert hätte.

Gemein kann die Natur sein…und grausam obendrein.

Achtung: Die Roboter sind auf dem Vormarsch – bald auch in Ihrem Bett?

Eine peinliche Frage: Wären Sie bereit, mit einem Sex-Roboter ins Bett zu gehen?

Der Grund meiner Frage ist nämlich ein Text, den ich in einer online Ausgabe der britischen Boulevard-Zeitung: „Daily Star“ vom 17. September 2021 entdeckt habe. Dort heißt es wörtlich:

More than 40% of us want to sleep with Sex Robots – with men more keen than women

Zu Deutsch: Über 40% von uns möchten mit Sex-Robotern schlafen, wovon Männer mehr darauf erpicht sind als Frauen.

Diese Statistik gilt wohl nur für Großbritannien. Keine Ahnung, wie es diesbezüglich in der EU aussieht.

Kaum habe ich diesen Text im Daily Star gelesen, schon fielen mir einige Fragen ein. Zum Beispiel: Woher hat die Zeitung die Statistik. Noch wichtiger: Ist sie zu vertrauen? Und dann natürlich eine sprachliche Frage: Wenn die Zahl an Roboterliebenden Menschen wirklich so hoch ist, wie sieht es mit der sprachlichen Kommunikation zwischen Mensch und Maschine aus?

Nun gleich ins Zeug legen. Eine AI-Gesellschaft namens Tidio – so der Daily Star – hat besagte Umfrage erhoben. Von 1200 befragten Menschen antworteten genau 42% mit ja. (Es wäre vielleicht interessant gewesen, auch Roboter zu fragen, ob sie gern mit Menschen schlafen würden!)

Doch wer ist dieser Tidio? Vorsitzender Google erteilte mir folgende Antwort:

„Tidio ist ein Kommunikator für Unternehmen. Er hält Live-Chat, Messenger und E-Mail an einem Ort. Jetzt dauert es Sekunden, um mit deinen Kunden zu kommunizieren. Lasse keinen Kunden zurück! Hole dir den besten Live-Chat auf E-Commerce-Plattformen für dein Geschäft.“

Alles klar? Tidio behauptet, sollten wir hinzufügen, dass 48% der Jasager bei der Erhebung Männer und 33% Frauen waren. Zudem: 39% der Befragten konnten sich vorstellen, mit so einem Roboter eine romantische Beziehung einzugehen.

Aber wie läuft eine Liebesaffäre mit einem Roboter ab? Ich meine: Gesetzt der Fall, es handele sich nicht um ein „Quickie“ zwischen Mensch und Maschine.

Und damit komme ich auf die Frage: Was haben zwei Liebende in einer solchen Konstellation einander zu sagen?

Der amer. Schriftsteller Kurt Vonnegut hat sich mal in einem vor mindestens 50 Jahren geschriebenen SciFi-Roman so eine Liebesgeschichte vorgestellt. Sie war wirklich rührend, da sich die Beziehung zwischen Menschen und Humanoiden keineswegs unterschied von der zwischen zwei Menschen. Steven Spielberg in seinem Film AI von 2001 ist das gleiche gelungen. Alles aber nur Fiktion - wie Pinocchio.

Aber in der Wirklichkeit? Nicht zu vergessen: Der Roboter (werden wir bald auch „Roboterin“ sagen?) wird letztendlich von Menschen programmiert. Wird ja diese Tatsache eines Tages als menschliche Arroganz, Diskriminierung und koloniale Mentalität verunglimpft? Warten wir’s ab.

Sie sehen. Die Sache wird schnell knifflig. Und noch etwas: „Geliebte“ verbringen nur einen Bruchteil ihrer Zeit bei dem „intimen Kontakt“. Was tun Mensch und Roboter, während der restlichen Zeit?

Zankt man? Spielt man? Sitzen Partner in verschiedenen Zimmern. Haben beide unterschiedliche Freunde oder Freundinnen? Oder was ist, wenn man essen geht? Was essen Roboter? Lubrikant? Erzählt man gegenseitig aus der Kindheit, über Ängste, Träume…Träumen Roboter?

Sie verstehen das Problem, liebe menschlichen Leser…oder? Eine Art Selbstbefriedigung mit einem egal wie kuschligen mechanischen Spielzeug ist die eine Sache…aber als Grundlage für eine Liebe?

Doch es kommt womöglich alles noch schlimmer. Gerade gestern habe ich einen Artikel in der New York Times gelesen. Der Titel: „What if that Robot came after you?“ Zu Deutsch dem Sinne nach: Was wäre, wenn der Roboter nach ihnen trachtet?

Fakt ist: Wenn Roboter das Laufen und Greifen lernen – und das tun sie schon jetzt, werden sie zu sog. „Humanoiden“. Das heißt: Sie könnten sowohl besser dienen wie auch noch gefährlicher werden als der gefährlichste Wachhund…

Möchten Sie noch immer mit einem Roboter ins Bett steigen?

Den Sprachbloggeur lieber lesen oder glotzen?

Wir fangen mit Herrn P. an. Er ist mein – ich glaube man sagt „Webhost“, oder „Provider“ oder „Webmaster“. Ich kenne mich mit dieser Terminologie nicht so gut aus. Ich sage zu ihm immer „Herr P.“, und für ihn bin ich „Herr PJ“.

Jemanden als „Host“ (Englisch für „Gastgeber“) zu bezeichnen, müsste eigentlich bedeuten, dass ich in meiner Rolle als „Sprachbloggeur“ quasi der Gast von Dienst bin. Andererseits gäbe es ohne mich keinen Sprachbloggeur. Insofern ist der „Gast“ in diesem Fall mehr als nur ein Gast. Außerdem: Wäre ich hier der Gast und er der Gastgeber, würde das bedeuten, dass ich ein schlechter Gast bin. Sie wissen, was man über Gäste und Fische am 3. Tag sagt.

Herrn P. als meinen „Provider“ (sprich „Fürsorger“) zu beschreiben, klingt ebenfalls ungenau. Man hat einen Fürsorger, wenn man für sich nicht sorgen kann. Das machen Eltern für ihre Kinder oder der Staat für jene Menschen, die nicht in der Lage sind, für sich selbst zu sorgen. Früher galt der Ehemann als Fürsorger für seine Ehefrau. Das erwähne ich lediglich der Vollständigkeit halber.

Herrn P. meinen „Webmaster“ zu nennen, mutet auch seltsam an. Denn der „Master“ ist nicht nur der „Meister“ wie im Deutschen, sondern ebenfalls derjenige, der Sklaven besitzt. Und das geht erst recht nicht. Schließlich leben wir im 21. Jh.

Wer ist denn Herr P.? Er ist schlicht und einfach der Mensch, der es mir möglich macht, den „Sprachbloggeur“ als Internetplattform zu betreiben. Und dafür bin ich ihm dankbar. Nebenbei: Herr P. ist auch derjenige, der mich von meiner Botplage befreit hat. Auch dafür bin ich ihm dankbar. Wie hat er das geschafft? Er ließ die Bots im sog. „Honeypot“ verschwinden. Der „Honigtopf“ scheint ein Begriff aus dem Blogprogramming zu sein.

Herrn P. wusste allerdings nicht, woher dieser Begriff stammt. Ich habe ihm deshalb erklärt, dass „Honeypot“ US-Marine-Slang ist, um den Behälter zu beschreiben, der auf einem Schiff als Sammelstelle für Exkremente dient. Die Honeypots werden selbstverständlich regelmäßig geleert. Diese Aufgabe hatte übrigens ein Jugendfreund von mir, als er Matrose war. Auch im Flieger, mit dem Sie nach Mallorca oder Kreta jetten, gibt es „Honigtöpfe“. (Jegliche Alternative wäre undenkbar). Auch meine Bots sind in einer Art digitalem Honigtopf steckengeblieben, wo sie entledigt werden. Hoffentlich bleibt es dabei.

Als die Situation mit den Blogbots besonders schlimm war, habe ich Herrn P. eine Mail geschickt – nein kein „Whatsapp“, sondern eine richtige Mail. Ich habe ihm mitgeteilt, dass ich erwäge, den „Sprachbloggeur“ über YouTube laufen zu lassen und auf geschriebene Texte vielleicht ganz zu verzichten.

Herr P. hat daraufhin folgendermaßen geantwortet: „Es gibt zwar die fürchterliche Tendenz heutzutage, für jeden Schei… ein Video anzubieten. Ich persönlich hasse das. Auch Dokumentation für IT-Leute gibt es immer mehr in Form von Videos. Was für eine scheußliche Zeitverschwendung.“

Und weiter: „Wenn es allerdings wirklich den Trend zum Nichtleser gibt, und wir demnächst in das Zeitalter der Nicht-Schriftkultur eintreten, werden das Sie und ich vielleicht leider nicht verhindern können.“

Herr P. hat natürlich recht. Ich meine das mit dem Unterschied zwischen einer Schrift- und Nicht-Schriftkultur. Allzu leicht vergisst man, dass es zwischen diesen Kommunikationsformen einen SEHR großen Unterschied gibt. Ich war aber ob meines Botfrusts verzweifelt; deshalb hab ich nach einem Ausweg gesucht. Fakt ist aber: Kulturen ohne Schrift kennen kein Mittel außer dem gesprochenen Wort, um Vergangenes festzuhalten. Das Resultat: Sie haben Mythen als einen Ersatz für Geschichte erfunden. Doch leider läuft es mit den Mythen nicht immer rund, wenn sie Fakten hüten sollen. Denn die Mythen verändern sich nämlich ständig. So sind halt die Menschen, wenn sie reden oder erzählen. Immer was Neues dazu, oder man vergisst etwas.

In einer Schriftkultur läuft es anders. Indem man schreibt, hält man quasi alles automatisch fest. Das heißt: Man kann zu einer späteren Zeit den genauen Wortlaut nochmals lesen.

Und noch ein Vorteil der Schriftkultur: Lernt man Sprache zu schreiben, wird das Hirn gezwungen, logisch zu denken. Ja im Ernst! Logisch! Will sagen: „A“ ist gleich „B“, „B“ ist gleich „C“, also ist „A“ gleich „C“. So ein Gedanke kann einer in einer schriftlosen Kultur unmöglich formulieren.

Fazit: Der Sprachbloggeur bleibt Ihnen als Wortladen erhalten. Vielleicht werden wir eines Tages das letzte Bollwerk der geschriebenen Sprache sein.

Den Sprachbloggeur lieber lesen oder glotzen?

Wir fangen mit Herrn P. an. Er ist mein – ich glaube man sagt „Webhost“, oder „Provider“ oder „Webmaster“. Ich kenne mich mit dieser Terminologie nicht so gut aus. Ich sage zu ihm immer „Herr P.“, und für ihn bin ich „Herr PJ“.

Jemanden als „Host“ (Englisch für „Gastgeber“) zu bezeichnen, müsste eigentlich bedeuten, dass ich in meiner Rolle als „Sprachbloggeur“ quasi der Gast von Dienst bin. Andererseits gäbe es ohne mich keinen Sprachbloggeur. Insofern ist der „Gast“ in diesem Fall mehr als nur ein Gast. Außerdem: Wäre ich hier der Gast und er der Gastgeber, würde das bedeuten, dass ich ein schlechter Gast bin. Sie wissen, was man über Gäste und Fische am 3. Tag sagt.

Herrn P. als meinen „Provider“ (sprich „Fürsorger“) zu beschreiben, klingt ebenfalls ungenau. Man hat einen Fürsorger, wenn man für sich nicht sorgen kann. Das machen Eltern für ihre Kinder oder der Staat für jene Menschen, die nicht in der Lage sind, für sich selbst zu sorgen. Früher galt der Ehemann als Fürsorger für seine Ehefrau. Das erwähne ich lediglich der Vollständigkeit halber.

Herrn P. meinen „Webmaster“ zu nennen, mutet auch seltsam an. Denn der „Master“ ist nicht nur der „Meister“ wie im Deutschen, sondern ebenfalls derjenige, der Sklaven besitzt. Und das geht erst recht nicht. Schließlich leben wir im 21. Jh.

Wer ist denn Herr P.? Er ist schlicht und einfach der Mensch, der es mir möglich macht, den „Sprachbloggeur“ als Internetplattform zu betreiben. Und dafür bin ich ihm dankbar. Nebenbei: Herr P. ist auch derjenige, der mich von meiner Botplage befreit hat. Auch dafür bin ich ihm dankbar. Wie hat er das geschafft? Er ließ die Bots im sog. „Honeypot“ verschwinden. Der „Honigtopf“ scheint ein Begriff aus dem Blogprogramming zu sein.

Herrn P. wusste allerdings nicht, woher dieser Begriff stammt. Ich habe ihm deshalb erklärt, dass „Honeypot“ US-Marine-Slang ist, um den Behälter zu beschreiben, der auf einem Schiff als Sammelstelle für Exkremente dient. Die Honeypots werden selbstverständlich regelmäßig geleert. Diese Aufgabe hatte übrigens ein Jugendfreund von mir, als er Matrose war. Auch im Flieger, mit dem Sie nach Mallorca oder Kreta jetten, gibt es „Honigtöpfe“. (Jegliche Alternative wäre undenkbar). Auch meine Bots sind in einer Art digitalem Honigtopf steckengeblieben, wo sie entledigt werden. Hoffentlich bleibt es dabei.

Als die Situation mit den Blogbots besonders schlimm war, habe ich Herrn P. eine Mail geschickt – nein kein „Whatsapp“, sondern eine richtige Mail. Ich habe ihm mitgeteilt, dass ich erwäge, den „Sprachbloggeur“ über YouTube laufen zu lassen und auf geschriebene Texte vielleicht ganz zu verzichten.

Herr P. hat daraufhin folgendermaßen geantwortet: „Es gibt zwar die fürchterliche Tendenz heutzutage, für jeden Schei… ein Video anzubieten. Ich persönlich hasse das. Auch Dokumentation für IT-Leute gibt es immer mehr in Form von Videos. Was für eine scheußliche Zeitverschwendung.“

Und weiter: „Wenn es allerdings wirklich den Trend zum Nichtleser gibt, und wir demnächst in das Zeitalter der Nicht-Schriftkultur eintreten, werden das Sie und ich vielleicht leider nicht verhindern können.“

Herr P. hat natürlich recht. Ich meine das mit dem Unterschied zwischen einer Schrift- und Nicht-Schriftkultur. Allzu leicht vergisst man, dass es zwischen diesen Kommunikationsformen einen SEHR großen Unterschied gibt. Ich war aber ob meines Botfrusts verzweifelt; deshalb hab ich nach einem Ausweg gesucht. Fakt ist aber: Kulturen ohne Schrift kennen kein Mittel außer dem gesprochenen Wort, um Vergangenes festzuhalten. Das Resultat: Sie haben Mythen als einen Ersatz für Geschichte erfunden. Doch leider läuft es mit den Mythen nicht immer rund, wenn sie Fakten hüten sollen. Denn die Mythen verändern sich nämlich ständig. So sind halt die Menschen, wenn sie reden oder erzählen. Immer was Neues dazu, oder man vergisst etwas.

In einer Schriftkultur läuft es anders. Indem man schreibt, hält man quasi alles automatisch fest. Das heißt: Man kann zu einer späteren Zeit den genauen Wortlaut nochmals lesen.

Und noch ein Vorteil der Schriftkultur: Lernt man Sprache zu schreiben, wird das Hirn gezwungen, logisch zu denken. Ja im Ernst! Logisch! Will sagen: „A“ ist gleich „B“, „B“ ist gleich „C“, also ist „A“ gleich „C“. So ein Gedanke kann einer in einer schriftlosen Kultur unmöglich formulieren.

Fazit: Der Sprachbloggeur bleibt Ihnen als Wortladen erhalten. Vielleicht werden wir eines Tages das letzte Bollwerk der geschriebenen Sprache sein.

Erst die Sprache der Tiere, und dann die Unsprache von Menschen

Sind Sie mal einer Klapperschlange begegnet? Damit meine ich kein Reptil im übertragenen Sinn – davon gibt es jede Menge –, sondern ein echtes.

Ich jedenfalls schon, aber leider – ja leider! – hat sie mich nicht drohend angerasselt, was sicherlich sehr dramatisch gewesen wäre. Wir, d.h. die Klapperschlange und ich, trafen aufeinander in den Santa Ynez Bergen bei Santa Barbara, Kalifornien. Es war lange her. So überraschend war die Begegnung – für uns beide –, dass die Schlange keine Zeit hatte, eine klassische Drohstellung einzunehmen. Sie nahm mich wahr und machte sich wie eine nervöse Sinuskurve aus dem Staub.

Auch ich hatte wenig Zeit, das schöne, giftige Tier zu bewundern. Meine urmenschlichen Instinkte setzten mich automatisch in Rückwärtsgang.

Es liegen viele Jahre dazwischen, aber endlich weiß ich, dass Klapperschlangen über eine Sprache verfügen. Nein. Keine Sprache wie Georgisch oder Friesisch, sondern…was sonst? Eine Klappersprache! Nicht mit der Klappesprache eines Menschen zu verwechseln.

Zugegeben. Die Klappersprache ist nicht besonders kompliziert – dennoch feinfühlig. Wie ich das jetzt aus einem Text in der New York Times erfahre, besteht sie aus lediglich zwei „Wörtern“: einmal ein langsames und einmal ein schnelles Rasseln mit der Klapper. Langsam rasselt die Schlange, wenn eine Bedrohung – d.h., Sie oder ich – in einer gewissen Entfernung bewegungslos dastehen. Dieses Wort bedeutet: Vorsicht! Ich sehe dich, und ich kann beißen. Und wie!

Wenn aber Sie oder ich in Bewegung sind in Richtung Schlange – auch wenn wir zehn Schritte von ihr entfernt sind – verdoppelt sich die Geschwindigkeit des Rasselns. Das hat einen Sinn. Es soll so klingen, als wäre die Schlange noch näher, als sie eigentlich ist. Es ist zwar nur ein Trick, funktioniert aber fantastisch.

Nun wissen Sie so viel über Klapperschlangen wie ich.

In der gleichen Ausgabe der New York Times habe ich außerdem über die Sprache von Fledermäusen gelesen. Genauer gesagt: über die Sprache von Babyfledermäusen. Noch präziser: die Sprache von Babyfledermäusen in Costa Rica und Panama der Gattung Sackflügelfledermaus (Saccopteryx bilineata).

Es heißt, dass die Kleinen dieser Gattung unentwegt plappern ähnlich Menschensäuglingen. Dieses Plappern kann, so die Forscher im Feld, bis 43 Minuten andauern.

Menschenbabys plappern, weil sie auf diese Weise das Werkzeug für die echte Sprache üben. Ob das bei diesen kleinen Federmäusen der Fall ist, weiß ich nicht. Und leider sind meine Kenntnisse über die Sprache erwachsener Fledermäuse auch begrenzt. Ich weiß nur, dass sie für unsere Ohren unwahrnehmbare Piepstöne von sich geben, die quasi als Radarsignal dienen.

Jetzt haben Sie etwas Neues über die Sprache der Klapperschlangen und der Fledermäuse erfahren. Vor allem, dass es sich – in beiden Fällen – um wahrhafte Sprachen handelt. Denn in beiden der oben erwähnten Beispiele wollen die Tiere mit Sicherheit etwas mitteilen. Und darum geht es in jeder Sprache.

Genau das Gegenteil also von Spammern und Bots im WehWehWeh. Diese haben – wenn man genau hinschaut – kein Bedürfnis, etwas mitzuteilen. Im Gegenteil: Sie bemühen sich, jegliche Kommunikation zu zerstören. Ein gefährliches Unterfangen, das sich irgendwann rächen könnte.

Stellen Sie sich vor, diese Pirat***In***nen machen das Internet unzuverlässig. Und plötzlich hat eine der Botproduzentinnen einen Notfall und bedarf dringend Hilfe aus dem Netz. Nur: Das kaputte Netz funktioniert nicht mehr zuverlässig!

Auf Englisch heißt dies: „What goes around, comes around.“ Das weiß auch jede Klapperschlange und auch jede Fledermaus besser als jeglicher Spammer.

Nun wissen Sie es: Es gibt Menschen, die weniger intelligent sind als Schlangen und Fledermäuse.

Achtung: Nächste Woche kein neuer Beitrag. Der SB verinnerlicht sich. Erst wieder am 15ten des Monats.

Darf ich vorstellen: Tuyetsmest – meinen Spammer!

Sprachbloggeur: Danke, dass Sie heute ein bisschen Zeit genommen haben, um mit uns zu reden. Ich bin überzeugt, dass Sie unter Zeitdruck stehen. Wenn ich bedenke, dass ich täglich ca. 1000 Spamkommentare bekomme, bei denen Ihr Name als Absender vielleicht zu 80% steht, so denke ich mir: Ich bin bestimmt nicht Ihr einziger Kunde. Oder?

Tuyetsmest: Wohl wahr, lieber Herr Sprachbloggeur, und darf ich sagen: Es freut mich, Sie endlich persönlich kennenzulernen. In meinem Beruf kommt eine solche Begegnung nur selten zustande. Und darf ich sagen: Ihre Webseite hat mich schon besonders interessiert. Ihre Titel sind häufig derart apart! Allerdings muss ich eingestehen, dass ich den Sinn ausschließlich über den Google-Übersetzer verstehe.

Sprachbloggeur: Ein wichtiger Punkt. Vielleicht müssen wir unsere Leser informieren, dass wir dieses Gespräch auf Englisch führen und dass Sie Englisch nicht ganz akzentfrei reden. Dafür aber nicht schlecht.

Tuyetsmest: Oh danke! Von Ihnen ist das ein Kompliment!

Sprachbloggeur: Wenn ich mich täusche, dürfte Russisch Ihre Muttersprache sein. Es könnte aber auch Bjelorus oder Ukrainisch sein.

Tuyetsmest: Nein, Sie haben richtig getippt – und ich bin ebenso stolz auf meine Sprache wie Sie auf Ihre.

Sprachbloggeur: Das höre ich gerne. Vielleicht könnten Sie mir und meinen Lesern dann erklären, wieso Sie als sprachenverliebter Mensch ins Spamkommentargeschäft gestiegen sind? Denn mir kommt es vor – wenn ich’s sagen darf – , dass Sie genau das Gegenteil tun vom dem, was Sie zu bewundern behaupten. Sie gehen nämlich respektlos mit der kreativen Arbeit anderer um. Entschuldigen Sie, wenn ich das so deutlich ausdrücke.

Tuyetsmest: Um Gottes willen. Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Wissen Sie, Herr Sprachbloggeur, ich halte meine Arbeit für ebenso kreativ wie Sie die Ihre. Bedenken Sie aber. Täglich erhalten Sie um die 1000 Spamkommentare. Manche Kunden bekommen sogar noch mehr als Sie. Stellen Sie sich vor, was das für einen Aufwand ist! Ich muss auf laufenden Band hunderte von kurzen Spamtexten schreiben, die ich dann an die Kundschaft – Blogger wie Sie – verschicke. Und irgendwie müssen auch meine Texte witzig wirken. Manchmal komme ich wahrhaftig ins Schwitzen. Vor allem deshalb, weil es mir Spaß macht, so viele sprachliche Abwechselung wie möglich zu produzieren. Sonst wird die Arbeit einfach zu dröge. Und Langeweile wünscht sich kein halbwegs schöpferischer Mensch. Oder?

Sprachbloggeur: Ja, das verstehe ich gut. Auch ich will wöchentlich meinen Lesern Neues, Frisches anbieten…

Tuyetsmest: Und das machen Sie auch! Chapeau, Gospodin Sprachbloggeur!

Sprachbloggeur: Erzählen Sie, warum Sie sich „Tuyetsmest“ nennen. Das ist mit Sicherheit ein erfundener Name. Einmal habe ich sogar „Tuyetsmest“ gegoogelt…

Tuyetsmest: Sie meinen, Sie haben beim „Vorsitzenden Google“ geschaut. So schreiben Sie es immer. Find ich köstlich…

Sprachbloggeur: Danke. Ich habe jedenfalls unter diesem Namen „Tuyetsmest“ nichts gefunden – mit Ausnahme eines Hinweises auf einen Text von mir. Denn einmal hatte ich versehentlich einen Ihrer Schmuddelkommentare veröffentlicht. Ich habe ihn allerdings schnell wieder gelöscht…

Tuyetsmest: Na, sehen Sie! Der Vorsitzende Google vergisst nichts! Den Sinn meines Namens? Eigentlich ein russisches Wortspiel. Die freundliche Übersetzung wäre „an deiner Stelle“…

Sprachbloggeur: Und die weniger freundliche Übersetzung…?

Tuyetsmest: Fragen Sie lieber einen Russen. Ich drücke mich ungern vulgär aus. Ich hatte eine gute Kinderstube.

Sprachbloggeur: Also dann noch eine Frage: Wozu Ihren Dreck ins Netz schleudern? Um Treffer für diverse – inklusive pornografische Seiten – zu erzeugen? Damit meine ich: um das sog. „Ranking“ peinlicher Seiten zu bessern?

Tuyetsmest: Das denken viele Leute. Aber ganz ehrlich gibt es einen anderen, trefflicheren Grund für meine Arbeit: Um Chaos zu verursachen – um Kommunikation zu stören. So einfach ist es.

Sprachbloggeur: Und was haben Sie davon?

Tuyetsmest: Sagen Sie lieber: Was hat mein Arbeitsgeber davon?

Sprachbloggeur: Sie meinen wohl den russischen Geheimdienst?

Tuyetsmest: Das sagen Sie.

Sprachbloggeur: Schon gut. Was hat Ihr Arbeitsgeber davon?

Tuyetsmest: Habe ich ja gesagt: Chaos zu säen.

Sprachbloggeur: Und wozu dieses Chaos? Leben Sie gern in chaotischen Verhältnissen?

Tuyetsmest: Um Gottes willen keinesfalls! Ich bin ein ordentlicher Mensch. Aber ich merke jetzt. Sie möchten mich sanft in einen Widerspruch bugsieren. Vielleicht setzen wir dieses Gespräch lieber ein anderes Mal fort. Ich darf nur so viel sagen…

Sprachbloggeur: Ist schon recht. Aber da dies meine Webseite ist, bestehe ich auf etwas Grundsätzliches…

Tuyetsmest: Und das wäre…?

Sprachbloggeur: das letzte Wort.

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