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He! Du nix verstehen?

Wer kann das Gastarbeiterdeutsch noch?

Ich! Ich! liebe Deutschmuttersprachler. Mich hat man häufig in diesem Idiom angesprochen. „Nein, nein. Du nix hier unterschreiben. Du dort unterschreiben. Verstehen?“

Jo, mei. Dös waren ja Zeiten. Ausländer waren noch Ausländer und Daitsche Daitsche.

In meinem Ausländerkreis – wir waren hauptsächlich Engländer, Amerikaner und Schotten – haben wir gerne über diese Sprache gescherzt. Hat uns jemand auf Gastarbeiterdeutsch angesprochen, so antworteten wir: „Entschuldigung, können Sie kein Deutsch? Brauchen Sie Hilfe oder vielleicht ein Wörterbuch ?“

Ja, auch wir waren lustige Kerle.

Das Gastarbeiterdeutsch ist heute so gut wie tot. So tot wie das Lateinische und das Kornische. Junge Leute machen keine Erfahrungen mehr mit der Sprache, und die Alten möchten sie am liebsten vergessen. So sehr ist sie aus der Mode gekommen.

Dabei war sie auf dem besten Weg, einmal eine richtige Sprache zu werden. Ich denke, zum Beispiel an den Titel des Fassbinderfilms „Angst essen Seelen auf.“ Ich nix verstehen damals, , dass dieser Titel falsches Deutsch war. Ich habe den Satz gedankenlos hingenommen, als hätte ich gelesen „Angst isst Seelen auf“ oder „Ängste essen Seelen auf“. Wenn das nicht Sprache ist…

Ich schreibe diese Erinnerungen aber nicht aus Gründen der Sentimentalität nieder. Nein, so weich ist meine Birne noch nicht. Ich schreibe über das Thema, weil es höchste Zeit ist, dass sich jemand endlich mit ihm befasst.

In der Sprachwissenschaft bezeichnet man das Gastarbeiterdeutsch als ein „Pidgin“. Pidginsprachen wurden früher von Kolonialisten gebraucht, um sich mit Eingeborenen zu verständigen. Ein Pidgin ist eine Vereinfachung der eigenen Sprache – und das war das Gastarbeiterdeutsch auch.

Pidginsprachen sind nützlich, wenn man sich mit Untertanen oder Sklaven unterhält. Zu bemerken: Sprache ist ein Machtinstrument. Solange ein Sklave die Hochsprache nicht beherrscht, kann er sich nicht einbilden, dass er kein Sklave ist. Eine Pidginsprache ist also, genau genommen, eine textilfreie Gefängnisuniform. Man wird deutlich gekennzeichnet.

Manchmal passiert es aber, dass eine Pidginsprache an die eigenen Kinder weitergegeben wird. Im Nu verwandelt sie sich in eine richtige Muttersprache. Dieses Phänomen nennen die Sprachwissenschaftler Kreolisierung. Eine Pidginsprache wird also zu einer Kreolsprache.

Das passierte, zum Beispiel, in Haiti. Das verballhornte Französisch der Sklavenhalter wurde peu à peu zu einer reichhaltigen Muttersprache namens „Kreyòl ayisyen“. Vordergründig scheint sie eine Vereinfachung des Französischen zu sein, tatsächlich ist sie aber ein vollblutiges Vehikel, um auch die ausgefeiltesten Ideen und Seelenregungen auszudrücken.

Die „Gettosprache“ der Afroamerikaner in den USA ist gleichfalls eine Kreolsprache mit eigener Grammatik. Wer die Sprache nicht perfekt beherrscht, wird von den native speakers leicht als Ausländer geoutet. („ahm hipp“, d.h. „ich verstehen“).

Stellen Sie sich vor: Das Gastarbeiterdeutsch hätte auch zu einer Kreolsprache werden können. Das ist aber nicht passiert, weil es in Deutschland Schulpflicht gibt und weil „Gastarbeiter“ keine Sklaven waren. Außerdem: Die Deutschen stellten fest, dass sie gerne Döner, Thai-Takeout, Hamburger und Indisch essen. Erster Schritt der Integration. Heute spricht keiner mehr Gastarbeiterdeutsch. Außerdem gibt es keine „Gastarbeiter“ mehr. Dieses Wort ist restlos veraltet. Auch die „Ausländer“ verschwinden allmählich. Wir sind alle Migrationshintergründler geworden.

Ich habe mich ohnehin nie als „Gastarbeiter“ verstanden. War auch keiner. Fragte mich einer, was ich in Deutschland mache, so antwortete ich mit Vorliebe: „Ich bin da, um einem Deutschen den Arbeitsplatz wegzunehmen.“ Jo mei, ein lustiger Kerl war ich mal.

Die Leitkultur und die Leidkulturen

Schon sind zwei Wochen vergangen, seit der neue Bundespräsident seine mit Spannung erwartete Rede zum 3. Oktober gehalten hat und längst kann sich fast niemand mehr an einen einzigen Satz erinnern – mit Ausnahme von einem: „Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“

Fast jeder kennt diesen Satz, weil kaum ein Tag vergeht, ohne dass er in den Medien zitiert wird.

Wer hätte gedacht, dass sich dieser Satz zum Brennpunkt einer großen Kontroverse mausern würde? Die einen halten ihn für richtig, die anderen für völlig inakzeptabel.

Ich vertrete weder die eine noch die andere Meinung. Ich halte den Satz für eine Fehlgeburt.

Falls Sie meinen, ich beabsichtigte nun, dem Bundespräsidenten (oder seinen Redenschreibern) brutal auf den Schlips zu treten, irren Sie sich. Schließlich hat ein Sprachbloggeur die Pflicht, sich Gedanken über Sprache zu machen, auch wenn der eigene Sprachgebrauch weit von perfekt ist. Perfekt ist nur die Natur.  Dahlien, Pfingstrosen und Mangos, zum Beispiel, sind perfekt. (Auch das meint nicht jeder. Das ist aber ein anderes Thema).

Doch zur Sache. Der Satz, „Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland“, ist aus folgendem Grund eine Fehlgeburt: Er propagiert genau das Gegenteil von dem, was er eigentlich will. Genauer gesagt: Er untergräbt das Konzept der Leitkultur.

Ja, ja, ich weiß. Da Stoiba, da Schlawina, hod amol große Radau mit dem Wort gemacht. Und jetzt provozieren Seehofer und die Bundeskanzlerin die Gemüter mit dem gleichen politisch unkorrekten Konzept. (Dass machen sie natürlich aus politischem Kalkül, denn der Union laufen die Wähler davon). Aber egal. Fakt ist: Es gibt in Deutschland tatsächlich eine Leitkultur. Das sollte nicht überraschen. Es gibt auch in England, in Frankreich, in Italien, in Marokko, in der Türkei und in Gaza eine. Auch in den USA.

In seiner Rede wollte der neue Bundespräsident mit dem Begriff der „judäo-christlichen Kultur“ auf diese Leitkultur hindeuten. Auch hier wurde er unabsichtlich unpräzise. Schade. Nie haben die Juden an der Leitkultur dieses Landes teilgenommen. Im Gegenteil. Ihnen wurde vielmehr die Rolle der Leidkultur zugewiesen, was nicht bedeutet, dass sie über die Jahrhunderte übermäßig gejammert hätten. Sie haben gelitten und trotzdem ihren Platz zu finden versucht.

Diese Lage trifft nicht nur auf die Juden zu. Jeder Zuzügler macht irgendwie eine Leidenszeit durch. Das liegt in der Natur der Dinge. Die der Juden war freilich etwas extrem. Muslime sind hierzulande nicht die „neuen Juden“. Dafür sind sie viel zahlreicher als es die Juden jemals waren. Trotzdem kommen auch manche von ihnen mit ihrer vorübergehenden Rolle als Angehörige der Leidkultur nicht zurecht. Das Jammern wäre aber die falsche Strategie. Man sucht lieber fleißig nach dem eigenen hart errungenen Platz.

Aber zurück zur Rede des Bundespräsidenten. Besagter Satz, „Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland“ ist aus einem einfachen Grund eine Fehlgeburt: Herr Wulff wollte in Wirklichleit mit seiner Aussage etwas ganz anders ausdrücken. Er meinte eigentlich: „Aber Muslime gehören inzwischen auch zu Deutschland.“ Nota bene: „Muslime“ ist nicht identisch mit „der Islam“. Gleiches hätte er über Juden (im Unterschied zum jüdischen Glauben), Italiener, Jugoslawen, Amerikaner und alle, die sich hier heimatlich gemacht haben, sagen können. Alle gehören zu Deutschland, wenn sie sich hier niederlassen.

Die Leitkultur in Deutschland bleibt so wie sie immer war: christlich mit römischen, keltischen und germanischen Wurzeln. Das ist nicht schlimm. Wer zu Deutschland gehört – auch wenn er kein Christ ist oder sein Stammbaum nicht nach Rom oder zu den Westgoten führt – , darf Ramadan feiern, Koscher essen und alle sonstigen Gepflogenheiten seines ursprünglichen Kulturkreises pflegen, solange sie nicht in Konflikt mit dem Grundgesetz kommen. Und er darf an der Leitkultur teilnehmen. Diese pauschal abzulehnen, ist immer ein Fehler.

Wenn Herr Wulf bereit ist, anständig zu zahlen, schreibe ich ihm gerne seine nächste Rede zur Nation.

Vorsicht! Datenschwundzone! (oder: Die Horrorwolke)

Hilfe! Ich bin in einer Wolke gefangen!

Augenblicklich könnte dieser Text verschwinden, wenn er nicht schon jetzt verschwunden ist. Paff! Und dennoch: Für den Fall, dass diese Worte doch noch sichtbar sind, hier meine dringliche Warnung vor der Wolke:

Ja, die Wolke. „Clouding“ heißt das bei den Techies: das Speichern von Daten auf großen Servers. Haben Sie gemerkt, wie die Wolke eine immer größere Rolle als Speichermedium einnimmt? Festplatte, USB-Sticks ade, wird es bald heißen. Alles Wissen wird in der Wolke schweben. Nur: Was passiert, wenn einer den (oder die) Stecker zieht? Oder wenn ein Trojaner alles vernichtet oder die Neutronbombe einschlägt?

(Hmmm. Sind diese Worte überhaupt sichtbar? Oder schreibe ich schon jetzt für den Katz? Miaaauu?)

Ich stelle diese Fragen aus persönlichen Gründen. Fakt ist: Die Existenz dieser Webseite hängt im Augenblick an einem dünnen Stromkabel. Vielleicht ist Ihnen das Problem bereits aufgefallen: Seit beinahe zwei Wochen stimmt beim Sprachbloggeur etwas mit der Technik nicht. Ein Knacks rumort durch den Server, und ich kann ihn nicht einmal annäherend sachlich erläutern.

Einzig weiß ich: Die Programmuhr meiner Seite ist außer Betrieb, ist folglich irgendwo in der Vergangenheit stehen geblieben. Das Resultat: Wenn ich einen Beitrag hochzulade, erscheint er gar nicht auf dem Bildschirm. Für den Server werde die Gegenwart als Zukunft gedeutet, wurde mir erklärt. Meine Beiträge existieren für den Server also nur in der Zukunft, seien de fakto nicht aufrufbar. Alles klar? Mir nicht. Nur durch ein Kunststück ist es jedes Mal möglich, einen neuen Beitrag hochzuladen. So war es schon letzte Woche. Und weil ich dieses Kunststück selbst nicht beherrsche, muss ich warten, bis einer vom Server mich durch diese Zeitlupe führt.

Der verkorkste Server verhindert nicht nur die Veröffentlichung meiner Beiträge. Auch Ihre Kommentare kommen nicht zum Vorschein. Mittlerweile erhalte ich böse Post sogar von meinen Spammern. Sie beschweren sich, weil sie erhebliche Schwierigkeiten haben, ihre Werbung für Potenzmittel, Kasinos, polnische Ferienwohnungen usw. mir aufzuzwingen. Die Situation ist also sehr ernst.

Immerhin ist die Lage nicht ganz hoffnungslos. Mein Provider hat mir versichert, dass er dabei ist, etwas, wovon ich keine Ahnung habe, zu richten. Hoffen wir das Beste.

Und was, wenn der Sprachbloggeur digital erstirbt? Wissen Sie, dass es fast nirgends (so weit ich weiß) papierne Ausdrücke der vielen Sprachbloggeur-Beiträge gibt? Das heißt: Sollte der Server tatsächlich hopps machen, wird diese Seite nur noch in der Erinnerung seiner Leser existieren.

In der Wolke lauert große Gefahr.

Und es kann noch schlimmer werden. Nun will Facebook Ihr ganzes Leben (Bilder, Tagebucheinträge, Erinnerungen usw.) in der Wolke speichern, damit Sie jederzeit im Jahr 2072 die Dummheiten von 2011 aufrufen können (gähn). Amazon bietet seinen Kindle-Kunden die Wolke als private Bibliothek für gekaufte E-Bücher an.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin kein Technikfeind. Im Gegenteil. Ich habe selbst mal erwägt, ein E-Buchlesergerät oder ein Tablett zu erwerben. Nur: Was passiert, wenn einer den – bzw. die – Stecker wirklich zieht? Und was geschieht, wenn der raffinierte Trojaner eines Geltungsgetriebenen alle Daten aller Menschen mit einem Mal doch vernichtet?

Als Kind hat mir der Film „The Incredible Shrinking Man“ („der unglaubliche schrumpfende Mann“), deutsche Titel „Die unglaubliche Geschichte von Mister C.“, Angst gemacht. Er erzählte von einem Mann, Mister C., der sich an einem sonnigen Sommertag auf dem Bug eines Motorbootes aalte. Plötzlich verschwand das Boot – nur kurz – in einer tiefhängenden Wolke. Mister C. dachte sich nichts dabei – bis er feststellte, dass er zu schrumpfen begann. Zuerst waren es nur Kleinigkeiten. Seine Hose schienen ihm zu lang geworden zu sein. Doch bald musste er auf Stühle klettern. Dann war er so groß wie sein Hund. Er wurde immer kleiner – bis er winziger als eine Stubenfliege wurde. Am Schluss konnte er durch ein Nadelöhr schlüpfen. Ein erschreckender Film für ein Kind, das sich freut, mal größer zu werden. Lange hatte ich wegen dieses Films Angst vor Wolken. Und nun verspüre ich die alte Angst schon wieder.

Haben Sie gewusst, dass wir heute besser informiert sind über das tägliche Leben der Babylonier als über das der uns zeitlich näher liegenden Römer? Warum? Weil die Babylonier ihre Briefe, Schulbücher, Verträge, Gerichtsurteile, Literatur usw. auf Tontafeln schrieben. Diese Tafeln sind beinahe unverwüstlich. Die Römer hingegen speicherten ihre Archiven auf Papyrus oder Pergament. Diese Unterlagen halten zwar einige Jahrhunderte lang, nicht aber Jahrtausende. Wenn sie nicht kopiert werden, sind sie weg.Was können wir uns von den Digitalspeichern erhoffen?

Noch immer weiß ich nicht, wer diese Warnung zu Augen bekommt. Vielleicht ist es schon zu spät. Vielleicht habe ich schon jetzt nur für die Katz geschrieben. Miaaauu.

Ein Wort bekommt lebenslänglich

Es ist mir peinlich, folgende Begebenheit zu schildern, aber jeder liest gerne Peinlichkeiten. Oder?

Eine Zufallsbegegnung mit Frau F. am Samstag vor dem Haus. Sie ist ein liebenswürdiger Mensch und eine gute Nachbarin. Es war gegen halb eins. Die Sonne schenkte letzte Herbstwärme. Man freut sich über das schöne Wetter, und man redet gerne mit den Nachbarn übers Wetter. Was auch nicht schlimm ist. Im Gegenteil. Über das Wetter zu reden ist Metasprache und bedeutet: „Sie sind in Ordnung, es herrscht Friede zwischen uns.“ Man darf nicht alles wörtlich nehmen.

Aber nun fragte mich Frau F., ob ich heute zur Großdemo ginge. Gemeint war die Demonstration in München gegen die Verlängerung des Atomkraftwerkevertrags. Man wollte an diesem Tag eine Menschenkette durch ganz München formieren.

„Nein, habe ich nicht vor“, antwortete ich. „Wozu auch? Die paar Jahre Atommüll werden eh nicht viel an der Sache ändern. Es besteht ohnehin  Konsens, dass es mit der Atomenergie nicht so weiter gehen kann. Mittlerweile ist jedem klar, dass die Atomenergie eine vorübergehende Lösung ist.“ (Achtung: Das Wort „Lösung“ ist hier zu beachten).

„Ja, sicher“, antwortete Frau F. „Die Endlagerung des Atommülls bleibt nach wie vor ein unlösbares Problem.“ (Achtung: Das Wort „Endlagerung“ ist hier zu beachten).

„Genau“, erwiderte ich, „bis man auf eine Endlösung der Atommüllagerung kommt…“

Upps. Haben Sie es gemerkt? Es rutschte aus mir einfach so heraus. Ich wollte nur „bis man auf eine Lösung der Endlagerung“ sagen. Daraus wurde eine „Endlösung der Atommülllagerung“.

Mir war sofort klar, wie sehr ich gegen die Gepflogenheiten der deutschen Sprache gesündigt hatte. Schade. „Endlösung“ wäre wirklich das passende Wort dafür gewesen. Nur: Diese Vokabel ist nicht weniger vergiftet als die Stadt Tschernobyl oder das von roten Erdmassen überschwemmten Koluntar und Umgebung in Ungarn.

Ich bin wahrlich nicht zimperlich, was Sprache betrifft. Einmal habe ich über „Jedem das Seine“ geschrieben und für dessen Freilassung aus dem Sprachgefängnis plädiert. „Jedem das Seine“ habe, so meinte ich, lange genug gesessen, sei ohnehin in anderen Sprachen gebräuchlich („chacqu’un son goût“, „to each his own“) usw.

„Endlösung“ ist aber anders. Erheblich anders. Eine Erfindung des Obernazis Reinhard Heydrich, glaube ich. Dieses Wort kann und will man nicht aus dem Sprachgefängnis entlassen. Es nimmt seine Mahlzeiten mit anderen hartgesottenen Knastis wie „Arbeit macht frei“ und „unwertes Leben“ ein. Allen wurde die Sicherungsverwahrung aus guten Gründen auferlegt.

Dennoch gibt der große Duden (Jahrgang 1976) „Endlösung“ als „normale“ Vokabel im Sinne von „endgültige Lösung“ an, allerdings mit dem Hinweis „selten“. Sonst heißt es nach Duden „Plan zur Ausrottung der europäischen Juden“.

Ich weiß nicht, wie viele Wörter und Begriffe heute im Sprachgefängnis noch sitzen. Ich glaube nicht, dass es viele sind. Es muss eine gemütliche Großanlage sein. Wie einst Spandau. Lebenslänglich haben ohnehin nur die wenigsten Wörter bekommen. Vielleicht sitzen auch dort die einen oder anderen politisch unkorrekten Sprüche mit. Die meisten von ihnen dürfen aber am Wochenende nach Hause gehen.

Nicht die „Endlösung“. Armes Wörtchen. Eigentlich selbst das Opfer. Es waren Menschenzungen und kranke Hirne, die es zum Delinquenten machten. Aber was heißt „lebenslang?“ Wenn ich noch hundert oder noch besser zweihundert Jahre lebe, kann ich diese Frage genauer beantworten. Vielleicht werden eines Tages auch Tschernobyl und Koluntar wieder bewohnbar sein. Alles ist möglich.

Die gute Nachricht: Meine kleine Indiskretion ist Frau F. wohl nicht aufgefallen. Wenn ja, hat sie nichts verlautbaren lassen. So ist es bei guten Nachbarn. Man überhört ganz unauffällig vieles.

Grantelrede über die drei Fs

„Ich würde dir vorschlagen, am Schluss ein paar Fußnoten anzulegen. Kein Mensch kennt Beda heutzutage“, sagte Carl.

„Aber wozu haben wir denn Wikipedia? Jeder kann alles schnell nachschlagen.“

„Trotzdem.“

Ein Fragment aus einer Unterhaltung, die ich letzte Woche mit Freund Carl führte. Er war der Meinung, dass ich den Lesern meines neuen Lyrikzyklus, „The Caedmon Songs“ etwas Lesehilfe bieten müsste.

Hintergrund: Im August habe ich zum ersten Mal seit 25 Jahren englischsprachige Lyrik geschrieben. Hier nur das Wesentlichste: Ganz plötzlich hat es mich überwältigt – manchmal mehrere Stücke pro Tag, manchmal stand ich mitten in der Nacht auf, um zu schreiben. Alles sehr unerwartet. Sie haben wahrscheinlich nicht gewusst, dass mein eigentlicher Beruf der des Lyrikers ist – und zwar in englischer Sprache. Der Sprachbloggeur ist bloß eine von vielen Personae, d.h. Masken, des Lyrikers P.J. Blumenthal.

Zugegeben: Die Lyrik ist das nützloseste Unterfangen der Welt. Aber so einer bin ich halt. Ein befriedigendes finanzielles Auskommen ist von der Lyrik kaum zu erwarten. Mein ehemaliger Chef witzelte einst, als ich ihm mal meine wahre Identität verriet: „Dann müssen Sie sich ja eine reiche Gräfin als Gönnerin finden.“ Über das Thema Poesie und Wirtschaft habe ich ein ganzes Buch – und zwar in deutscher Sprache – geschrieben: „Hierons Gastmahl – oder das Wort als Ware“. Dieses Buch ist noch nicht erschienen, aber jeder Leser des Sprachbloggeurs kann auf dieser Webseite zumindest den Anfang unter Rubrik „Wer bin ich“ lesen. Der Auszug aus diesem Buch heißt „Prolog auf dem Olymp“.

Fußnoten für meinen Lyrikzyklus? Ich war entsetzt, als mir dies Carl vorschlug. „Wie steht es heute mit der Allgemeinbildung?“ fragte ich entrüstet.

„Deine Lyrik braucht Fußnoten, weil die Leute sonst keine Ahnung haben, wer Beda und Caedmon sind. Außerdem musst du unbedingt schreiben, wann sie gelebt haben oder dass Caedmon der erste uns bekannte Dichter in der englischen Sprache war.“

„Ich verstehe die Welt nicht mehr. Es ist nicht, als hätte ich eine Doktorarbeit geschrieben. Ich habe lediglich Lyrik verfasst. Und dass mit Caedmon und Beda soll die Lektüre meines Zyklus nachvollziehbar machen, weil konkret.

„Du findest aber heute kaum einen, der ein Gefühl für die Geschichte hat.“

Ich war baff. Und dann kam prompt eine Mail von Freund D. (so nennen wir ihn heute) aus Amerika, der mein Prosagedicht, „Kommentar über das Buch Jonas“ (die englische Version) neulich gelesen hat: „Ich bin gar nicht richtig bibelfest“, schrieb er an mich. „Zunächst habe ich Jonas und Josua verwechselt.“

Kann es sein, dass das historische Bewusstsein heute wirklich so geringgeschätzt wird? Prompt fiel mir der Spruch des Philosophen George Santayana ein: „Wer die Vergangenheit vergisst, ist verurteilt, sie zu wiederholen.“

An einem Elternabend sagte ich der Französischlehrerin meines ältesten Sohns einmal: „Das Lehrbuch kommt mir irgendwie seichte vor – als lernten die Kinder nur französische Umgangsprache. Wissen Sie, als ich Französisch in der Schule hatte, war ich in der Lage, mich stundenlang über Descartes und Voltaire zu unterhalten. Dafür wäre ich vielleicht unfähig, eine Mahlzeit im Restaurant zu bestellen. Aber so was holt man schnell nach.“

„Heute ist es ganz anders“, erwiderte sie. „Die Kinder haben keine Ahnung, wer Descartes und Voltaire sind. In den Lehrbüchern wird ihnen nur die drei Fs beigebracht.“

„Die drei Fs?“

„Ficken, Fressen und Freizeit.“

Oje. Jetzt grantele ich wie ein Opa, dem die Nieren zwicken. Trotzdem bleibe ich dabei: Man darf den Blick auf die Vergangenheit nicht verlieren. Das muss ich gar nicht rechtfertigen. Jeder weiß, was es heißt, wenn man sich nicht mehr an die Vergangenheit erinnern kann: Amnesie – man wird zu Ray dem Waldjungen (der womöglich kein echter Waldjunge war – so der neueste Stand der Dinge). Soll ich Santayana nochmals zitieren?

Nächste Woche etwas weniger Pathos.

Grantelrede über die drei Fs

„Ich würde dir vorschlagen, am Schluss ein paar Fußnoten anzulegen. Kein Mensch kennt Beda heutzutage“, sagte Carl.

„Aber wozu haben wir denn Wikipedia? Jeder kann alles schnell nachschlagen.“

„Trotzdem.“

Ein Fragment aus einer Unterhaltung, die ich letzte Woche mit Freund Carl führte. Er war der Meinung, dass ich den Lesern meines neuen Lyrikzyklus, „The Caedmon Songs“ etwas Lesehilfe bieten müsste.

Hintergrund: Im August habe ich zum ersten Mal seit 25 Jahren englischsprachige Lyrik geschrieben. Hier nur das Wesentlichste: Ganz plötzlich hat es mich überwältigt – manchmal mehrere Stücke pro Tag, manchmal stand ich mitten in der Nacht auf, um zu schreiben. Alles sehr unerwartet. Sie haben wahrscheinlich nicht gewusst, dass mein eigentlicher Beruf der des Lyrikers ist – und zwar in englischer Sprache. Der Sprachbloggeur ist bloß eine von vielen Personae, d.h. Masken, des Lyrikers P.J. Blumenthal.

Zugegeben: Die Lyrik ist das nützloseste Unterfangen der Welt. Aber so einer bin ich halt. Ein befriedigendes finanzielles Auskommen ist von der Lyrik kaum zu erwarten. Mein ehemaliger Chef witzelte einst, als ich ihm mal meine wahre Identität verriet: „Dann müssen Sie sich ja eine reiche Gräfin als Gönnerin finden.“ Über das Thema Poesie und Wirtschaft habe ich ein ganzes Buch – und zwar in deutscher Sprache – geschrieben: „Hierons Gastmahl – oder das Wort als Ware“. Dieses Buch ist noch nicht erschienen, aber jeder Leser des Sprachbloggeurs kann auf dieser Webseite zumindest den Anfang unter Rubrik „Wer bin ich“ lesen. Der Auszug aus diesem Buch heißt „Prolog auf dem Olymp“.

Fußnoten für meinen Lyrikzyklus? Ich war entsetzt, als mir dies Carl vorschlug. „Wie steht es heute mit der Allgemeinbildung?“ fragte ich entrüstet.

„Deine Lyrik braucht Fußnoten, weil die Leute sonst keine Ahnung haben, wer Beda und Caedmon sind. Außerdem musst du unbedingt schreiben, wann sie gelebt haben oder dass Caedmon der erste uns bekannte Dichter in der englischen Sprache war.“

„Ich verstehe die Welt nicht mehr. Es ist nicht, als hätte ich eine Doktorarbeit geschrieben. Ich habe lediglich Lyrik verfasst. Und dass mit Caedmon und Beda soll die Lektüre meines Zyklus nachvollziehbar machen, weil konkret.

„Du findest aber heute kaum einen, der ein Gefühl für die Geschichte hat.“

Ich war baff. Und dann kam prompt eine Mail von Freund D. (so nennen wir ihn heute) aus Amerika, der mein Prosagedicht, „Kommentar über das Buch Jonas“ (die englische Version) neulich gelesen hat: „Ich bin gar nicht richtig bibelfest“, schrieb er an mich. „Zunächst habe ich Jonas und Josua verwechselt.“

Kann es sein, dass das historische Bewusstsein heute wirklich so geringgeschätzt wird? Prompt fiel mir der Spruch des Philosophen George Santayana ein: „Wer die Vergangenheit vergisst, ist verurteilt, sie zu wiederholen.“

An einem Elternabend sagte ich der Französischlehrerin meines ältesten Sohns einmal: „Das Lehrbuch kommt mir irgendwie seichte vor – als lernten die Kinder nur französische Umgangsprache. Wissen Sie, als ich Französisch in der Schule hatte, war ich in der Lage, mich stundenlang über Descartes und Voltaire zu unterhalten. Dafür wäre ich vielleicht unfähig, eine Mahlzeit im Restaurant zu bestellen. Aber so was holt man schnell nach.“

„Heute ist es ganz anders“, erwiderte sie. „Die Kinder haben keine Ahnung, wer Descartes und Voltaire sind. In den Lehrbüchern wird ihnen nur die drei Fs beigebracht.“

„Die drei Fs?“

„Ficken, Fressen und Freizeit.“

Oje. Jetzt grantele ich wie ein Opa, dem die Nieren zwicken. Trotzdem bleibe ich dabei: Man darf den Blick auf die Vergangenheit nicht verlieren. Das muss ich gar nicht rechtfertigen. Jeder weiß, was es heißt, wenn man sich nicht mehr an die Vergangenheit erinnern kann: Amnesie – man wird zu Ray dem Waldjungen (der womöglich kein echter Waldjunge war – so der neueste Stand der Dinge). Soll ich Santayana nochmals zitieren?

Nächste Woche etwas weniger Pathos.

Grantelrede über die drei Fs

„Ich würde dir vorschlagen, am Schluss ein paar Fußnoten anzulegen. Kein Mensch kennt Beda heutzutage“, sagte Carl.

„Aber wozu haben wir denn Wikipedia? Jeder kann alles schnell nachschlagen.“

„Trotzdem.“

Ein Fragment aus einer Unterhaltung, die ich letzte Woche mit Freund Carl führte. Er war der Meinung, dass ich den Lesern meines neuen Lyrikzyklus, „The Caedmon Songs“ etwas Lesehilfe bieten müsste.

Hintergrund: Im August habe ich zum ersten Mal seit 25 Jahren englischsprachige Lyrik geschrieben. Hier nur das Wesentlichste: Ganz plötzlich hat es mich überwältigt – manchmal mehrere Stücke pro Tag, manchmal stand ich mitten in der Nacht auf, um zu schreiben. Alles sehr unerwartet. Sie haben wahrscheinlich nicht gewusst, dass mein eigentlicher Beruf der des Lyrikers ist – und zwar in englischer Sprache. Der Sprachbloggeur ist bloß eine von vielen Personae, d.h. Masken, des Lyrikers P.J. Blumenthal.

Zugegeben: Die Lyrik ist das nützloseste Unterfangen der Welt. Aber so einer bin ich halt. Ein befriedigendes finanzielles Auskommen ist von der Lyrik kaum zu erwarten. Mein ehemaliger Chef witzelte einst, als ich ihm mal meine wahre Identität verriet: „Dann müssen Sie sich ja eine reiche Gräfin als Gönnerin finden.“ Über das Thema Poesie und Wirtschaft habe ich ein ganzes Buch – und zwar in deutscher Sprache – geschrieben: „Hierons Gastmahl – oder das Wort als Ware“. Dieses Buch ist noch nicht erschienen, aber jeder Leser des Sprachbloggeurs kann auf dieser Webseite zumindest den Anfang unter Rubrik „Wer bin ich“ lesen. Der Auszug aus diesem Buch heißt „Prolog auf dem Olymp“.

Fußnoten für meinen Lyrikzyklus? Ich war entsetzt, als mir dies Carl vorschlug. „Wie steht es heute mit der Allgemeinbildung?“ fragte ich entrüstet.

„Deine Lyrik braucht Fußnoten, weil die Leute sonst keine Ahnung haben, wer Beda und Caedmon sind. Außerdem musst du unbedingt schreiben, wann sie gelebt haben oder dass Caedmon der erste uns bekannte Dichter in der englischen Sprache war.“

„Ich verstehe die Welt nicht mehr. Es ist nicht, als hätte ich eine Doktorarbeit geschrieben. Ich habe lediglich Lyrik verfasst. Und dass mit Caedmon und Beda soll die Lektüre meines Zyklus nachvollziehbar machen, weil konkret.

„Du findest aber heute kaum einen, der ein Gefühl für die Geschichte hat.“

Ich war baff. Und dann kam prompt eine Mail von Freund D. (so nennen wir ihn heute) aus Amerika, der mein Prosagedicht, „Kommentar über das Buch Jonas“ (die englische Version) neulich gelesen hat: „Ich bin gar nicht richtig bibelfest“, schrieb er an mich. „Zunächst habe ich Jonas und Josua verwechselt.“

Kann es sein, dass das historische Bewusstsein heute wirklich so geringgeschätzt wird? Prompt fiel mir der Spruch des Philosophen George Santayana ein: „Wer die Vergangenheit vergisst, ist verurteilt, sie zu wiederholen.“

An einem Elternabend sagte ich der Französischlehrerin meines ältesten Sohns einmal: „Das Lehrbuch kommt mir irgendwie seichte vor – als lernten die Kinder nur französische Umgangsprache. Wissen Sie, als ich Französisch in der Schule hatte, war ich in der Lage, mich stundenlang über Descartes und Voltaire zu unterhalten. Dafür wäre ich vielleicht unfähig, eine Mahlzeit im Restaurant zu bestellen. Aber so was holt man schnell nach.“

„Heute ist es ganz anders“, erwiderte sie. „Die Kinder haben keine Ahnung, wer Descartes und Voltaire sind. In den Lehrbüchern wird ihnen nur die drei Fs beigebracht.“ 

„Die drei Fs?“

„Ficken, Fressen und Freizeit.“

Oje. Jetzt grantele ich wie ein Opa, dem die Nieren zwicken. Trotzdem bleibe ich dabei: Man darf den Blick auf die Vergangenheit nicht verlieren. Das muss ich gar nicht rechtfertigen. Jeder weiß, was es heißt, wenn man sich nicht mehr an die Vergangenheit erinnern kann: Amnesie – man wird zu Ray dem Waldjungen (der womöglich kein echter Waldjunge war – so der neueste Stand der Dinge). Soll ich Santayana nochmals zitieren?

Nächste Woche etwas weniger Pathos.

Grantelrede über die drei Fs

Grantelrede über die drei Fs

„Ich würde dir vorschlagen, am Schluss ein paar Fußnoten anzulegen. Kein Mensch kennt Beda heutzutage“, sagte Carl.

„Aber wozu haben wir denn Wikipedia? Jeder kann alles schnell nachschlagen.“

„Trotzdem.“

Ein Fragment aus einer Unterhaltung, die ich letzte Woche mit Freund Carl führte. Er war der Meinung, dass ich den Lesern meines neuen Lyrikzyklus, „The Caedmon Songs“ etwas Lesehilfe bieten müsste.

Hintergrund: Im August habe ich zum ersten Mal seit 25 Jahren englischsprachige Lyrik geschrieben. Hier nur das Wesentlichste: Ganz plötzlich hat es mich überwältigt – manchmal mehrere Stücke pro Tag, manchmal stand ich mitten in der Nacht auf, um zu schreiben. Alles sehr unerwartet. Sie haben wahrscheinlich nicht gewusst, dass mein eigentlicher Beruf der des Lyrikers ist – und zwar in englischer Sprache. Der Sprachbloggeur ist bloß eine von vielen Personae, d.h. Masken, des Lyrikers P.J. Blumenthal.

Zugegeben: Die Lyrik ist das nützloseste Unterfangen der Welt. Aber so einer bin ich halt. Ein befriedigendes finanzielles Auskommen ist von der Lyrik kaum zu erwarten. Mein ehemaliger Chef witzelte einst, als ich ihm mal meine wahre Identität verriet: „Dann müssen Sie sich ja eine reiche Gräfin als Gönnerin finden.“ Über das Thema Poesie und Wirtschaft habe ich ein ganzes Buch – und zwar in deutscher Sprache – geschrieben: „Hierons Gastmahl – oder das Wort als Ware“. Dieses Buch ist noch nicht erschienen, aber jeder Leser des Sprachbloggeurs kann auf dieser Webseite zumindest den Anfang unter Rubrik „Wer bin ich“ lesen. Der Auszug aus diesem Buch heißt „Prolog auf dem Olymp“.

Fußnoten für meinen Lyrikzyklus? Ich war entsetzt, als mir dies Carl vorschlug. „Wie steht es heute mit der Allgemeinbildung?“ fragte ich entrüstet.

„Deine Lyrik braucht Fußnoten, weil die Leute sonst keine Ahnung haben, wer Beda und Caedmon sind. Außerdem musst du unbedingt schreiben, wann sie gelebt haben oder dass Caedmon der erste uns bekannte Dichter in der englischen Sprache war.“

„Ich verstehe die Welt nicht mehr. Es ist nicht, als hätte ich eine Doktorarbeit geschrieben. Ich habe lediglich Lyrik verfasst. Und dass mit Caedmon und Beda soll die Lektüre meines Zyklus nachvollziehbar machen, weil konkret.

„Du findest aber heute kaum einen, der ein Gefühl für die Geschichte hat.“

Ich war baff. Und dann kam prompt eine Mail von Freund D. (so nennen wir ihn heute) aus Amerika, der mein Prosagedicht, „Kommentar über das Buch Jonas“ (die englische Version) neulich gelesen hat: „Ich bin gar nicht richtig bibelfest“, schrieb er an mich. „Zunächst habe ich Jonas und Josua verwechselt.“

Kann es sein, dass das historische Bewusstsein heute wirklich so geringgeschätzt wird? Prompt fiel mir der Spruch des Philosophen George Santayana ein: „Wer die Vergangenheit vergisst, ist verurteilt, sie zu wiederholen.“

An einem Elternabend sagte ich der Französischlehrerin meines ältesten Sohns einmal: „Das Lehrbuch kommt mir irgendwie seichte vor – als lernten die Kinder nur französische Umgangsprache. Wissen Sie, als ich Französisch in der Schule hatte, war ich in der Lage, mich stundenlang über Descartes und Voltaire zu unterhalten. Dafür wäre ich vielleicht unfähig, eine Mahlzeit im Restaurant zu bestellen. Aber so was holt man schnell nach.“

„Heute ist es ganz anders“, erwiderte sie. „Die Kinder haben keine Ahnung, wer Descartes und Voltaire sind. In den Lehrbüchern wird ihnen nur die drei Fs beigebracht.“

„Die drei Fs?“

„Ficken, Fressen und Freizeit.“

Oje. Jetzt grantele ich wie ein Opa, dem die Nieren zwicken. Trotzdem bleibe ich dabei: Man darf den Blick auf die Vergangenheit nicht verlieren. Das muss ich gar nicht rechtfertigen. Jeder weiß, was es heißt, wenn man sich nicht mehr an die Vergangenheit erinnern kann: Amnesie – man wird zu Ray dem Waldjungen (der womöglich kein echter Waldjunge war – so der neueste Stand der Dinge). Soll ich Santayana nochmals zitieren?

Nächste Woche etwas weniger Pathos.

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