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Eine Botschaft aus dem Jenseits

Nicht jeden Tag stößt man auf einen Ausschnitt aus der "Eisenbahner Zeitung" vom 29. Juni 1932. Es ist nur ein kleiner Papierfetzen (ca. 15x25 cm.), und ich entdeckte ihn in einem alten "Duden-Rechtschreibung der deutschen Sprache“ (Ausgabe 1923), den mir mein Sohn letzte Woche mit nach Hause gebracht hat. (Über diesen "Duden“ erzähle ich ein anderes Mal).

Sauber zusammengefaltet war der Ausschnitt und entstammte der "Fachbeilage“ der "Eisenbahner“. Jemand hatte sich 1932 die Mühe gemacht, ihn sorgfältig aus der oberen, rechten Ecke des Blatts herauszuschneiden, um ihn im "Duden“ liebevoll zu verstauen. Passenderweise trägt er die Überschrift "Sprachecke“. Selbstverständlich wird alles hier in "Fraktur“ gedruckt. Was mich besonders überraschte: Das Thema "Sprache“ wird auf beiden Seiten des Ausschnitts thematisiert. Cleveres Layout.

Die vordere Seite befasst sich mit Beispielen des fehlerhaften Gebrauchs der deutschen Sprache (darüber mehr ein anderes Mal), während die Rückseite die Überschrift "Keine Fremdwörter; dafür das Deutsche Wort“ trägt. Und darum geht es mir heute: Schon wieder die Fremdwörter.

Ich zitiere:

"Wir sind Deutsche. Unsere deutsche Sprache hat einen großen Wortschatz. Daher verwende man deutsche Worte wo irgend nur möglich. Warum geschieht vielfach das Gegenteil, warum so viele Fremdwörter in der Umgangs- und Schriftsprache? Weil viele meinen, mit dem Fremdwort vornehmer zu erscheinen. Das ist nicht der Fall, ja wenn das Fremdwort falsch angewandt, unrichtig ausgesprochen oder geschrieben wird, zeigt sich erst die Bildungsstufe des Betreffenden. In der Folge einige Verdeutschungen von Fremdwörtern:“

Notabene: Damals wirkten Fremdwörter offenbar vornehm oder (ein)gebildet, heute hält man ihren Gebrauch eher für salopp.

Doch nun ein paar Kostproben von der leider unvollständigen Liste. Nur Buchstaben "A“ bis "L“ erschienen in der Ausgabe der "Eisenbahner“ vom 29. Juni 1932 mit dem Hinweis: "Fortsetzung folgt“. Vielleicht lässt sich die Zeitung in einem Bibliotheksarchiv noch auftreiben.

Erstes Wort auf dieser Liste verteufelter Fremdwörter ist "Abonnement“. Der Autor bittet den Leser, das schöne, deutsche "Regelbezug“ an dessen Stelle zu gebrauchen. Wir wissen nach 75 Jahren, wie diese Geschichte in Wirklichkeit zu Ende gegangen ist. Für "avancieren“ zieht er "vorrücken“ vor. Hier punktet das deutsche Wort, was auch im Fall von "Anzeige“ (anstatt "Avis“) und "Verband“ anstelle von "Bandage“ (auch wenn keiner mit "harten Verbänden“ kämpft) passiert ist. "Blamage“ will der Autor der "Sprachecke“ in "Schande“ verwandeln. Tatsache ist: Beide haben sich heute etabliert. "Jahresanschlag“ will er anstatt von "Budget“ hören. Sorry. Wer sagt noch "Jahresanschlag“? Und wer sitzt im "Amtszimmer“ (klingt wie eine Folterkammer aus einem Kafkaroman), wenn man in einem hübschen "Bureau“ viel gemütlicher arbeiten kann? "Coupé“ hingegen hatte wohl gegen "Wagenabteil“ keine Chance. "Desavouieren“ ist "Lügen strafen“ gewichen. Auch "echauffieren“ (d.h. "aufregen“) hat sich aus dem Gebrauch verabschiedet wie ebenfalls die "Equipage“. Lieber hat man heute einen "Wagen“, aber man parkt ihn niemals im "Kraftwagenunterstand“, sondern in der "Garage“.

Ich will nicht jedes Wortpaar aus dieser jenseitigen Liste unter die Lupe nehmen. Auf eins möchte ich aber hinweisen: Ist Ihnen aufgefallen, dass man hier kein einziges englisches Wort vorkommt? Alles nur Französisch. Damals war das Englische im Deutschen noch nicht "in“.

Hier haben wir also ein prima Beispiel der natürlichen Selektion à la Herrn Darwin. Mein Rat: Man braucht sich keine Sorge um die Verdenglischung der deutschen Sprache zu machen. Die Zeit regelt alles.

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