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"Doping": die ganze Geschichte

Jeder könnte zur Eröffnung der olympischen Spiele über die Lage in Tibet und Darfur oder über die Internetzensur der nervösen chinesischen Führung usw. lästern. Ich ziehe es vor, ein sprachliches Thema zu erläutern: das "Doping“.

Sicherlich ist Ihnen aufgefallen, dass man für diesen denglischen Begriff keine deutsche Alternative findet, als wäre das "Doping“ hierzulande etwas Fremdes. Der "Duden“ sagt nur Folgendes darüber: "Anwendung verbotener Substanzen zur (vorübergehenden) Steigerung der sprotlichen Leistung.“ Das wissen wir aber schon.

Wie der Zufall es will, kenne ich mich auf diesem Gebiet bestens aus. Ich bin nämlich mit dem Begriff "dope“, Stamm des "Doping“, groß geworden. Ich sage vorab: Es handelt sich um eine äußerst vielseitige Vokabel mit vielen verschiedenen Bedeutungen. Stellen Sie sich vor, Sie müssten einem Ausländer das Wort "anmachen“ erklären. So ist es auch beim "dope“. Muttersprachler ahnen nicht, wie schwierig solche Wörter für Lernende sind.

Erste Bedeutung: Während meiner Kindheit war "dope“ ein Slangwort für "Heroin“. Jemanden als "dope addict“, also "Heroinsüchtigen“, zu bezeichnen, zählte damals zu den schändlichsten Beschimpfungen. "To be doped up“ hieß "unter dem Einfluss einer gefährlichen Droge (meistens Heroin) zu stehen“. Während der 60er Jahre klang das Wort in diesem Sinne allerdings zusehends altbacken. Viele jungen Leute gebrauchten es eher spielerisch (und nicht ohne Ironie) als Synonym für "Cannabis“.

Woher bekommt das "dope“ die Bedeutung von "Rauschgift“? Eine Moglichkeit – und jetzt gelangen wir zur zweiten Bedeutung: „Dope“ war – und bleibt – ein gängiges Wort für "Trottel“. Vielleicht galt das "doped up“ Individuum einfach als "vertrottelt“. Ich spekuliere nur.

Nebenbei: "Dope“ im Sinne von "Trottel“ war möglicherweise ein Mitbringsel deutschsprechender Einwanderer, deren "Doof“ bzw. "Depp“ vergermlischt wurden. Wieder eine Theorie meinerseits.

Doch jetzt zur dritten Bedeutung: Mit diesem Wort bezeichneten wir in meiner Kindheit den Lack, den wir auf Modellflugzeuge bestrichen, um sie wasserdicht zu machen. Die Autoren meines "Random House Webster’s College Dictionary“ leiten es in diesem Sinn vom niederländischen "doop“ ab, das "Sauce“ bedeutet. Bedenken Sie: Bevor ein "dope addict“ sein Heroin spritzt, kocht er es in einem Löffel zu einer "Sauce“. Daher das "Dope“? Schon wieder ein wilder Gedanke meinerseits.

Was ich aber hundertprozentig weiß: "Dope“ im Sinne von "Sauce“ steht Pate für die vierte Bedeutung dieses vielsagenden Wortes: "Geheimtipp“, „vertrauliche Information“. Ganz klar, warum: Eine "Sauce“ ist schließlich die Quintessenz des Bratens. "Gimme (gib mir) the dope“, sagten wir früher, wenn auch dieser Satz heute wie ein Dialogfragment aus einem altertümlichen Gangsterfilm klingt.

Aber zurück zum „Doping“. Hier war zweifelsohne von Anfang an das "Berauschen“ gemeint, ein Berauschen, das die Leistung eines Sportlers erhöhen sollte. In diesem Sinn wird es seit etwa 50 Jahren gebraucht. Indessen ist das "Doping“ eine beachtliche Wissenschaft und profitable Industrie geworden. "Rauschgift“ und "vertrauliche Information“ in einem!

Somit sind Sie nun bestens ausgerüstet, um die neuesten Dopingfälle beim Beijing-Olympia mit fundierten Fachwissen zu beurteilen. "You’ve got the whole dope“, wie wir früher zu sagen pflegten. Viel Spaß beim Zuschauen, falls die fleißige Zensur der nervösen Gastgeber das Zuschauen überhaupt noch erlaubt.

Eben habe ich eine brandaktuelle Bedeutung für unser Wort erfahren. Mein Sohn verbrachte die letzten Tage mit zwei jungen Kanadiern. "Dope" sagen sie für "cool", meint er. Und: Sie benutzen es unentwegt. So sieht also das neueste "dope" aus.

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