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Warum Deutsch nicht Englisch ist

Gestern stieß ich in Spiegel Online auf folgende Überschrift: „Warum sich Seehofer an Merkels iPad stört.“

Ein einfacher Satz, den jeder Deutsche auf Anhieb versteht. Oder?

Keine Sorge. Hier stellt Ihnen der Sprachbloggeur keine Fangfrage.

Natürlich handelt es sich um einen Satz, der für jeden Deutschen ab drei Jahren sinnvoll klingt – und ist.

Für einen Englischsprechenden hingegen, der nur, sagen wir, Basiskenntnisse der deutschen Sprache hat, löst obiger Satz entweder Bewunderung oder Panik aus. Warum?

Weil die Wortstellung so weit von der des Englischen ist wie Grönland von Island entfernt ist.

Als ich noch Anfänger war, hätte ich als studierter Altphilologe wahrscheinlich gejauchzt: „Mein Gott! Es ist wie Lateinisch!“
Kein Witz. Am Anfang meiner Karriere als Migrationshintergründler, war ich überzeugt, dass die deutsche Sprache vieles gemeinsam hatte mit der Sprache der alten Römer. Vielleicht kennen Sie das Brecht-Lied:

Denn wie man sich bettet, so liegt man.
Es deckt einen da keiner zu.
Und wenn einer tritt, dann bin ich es,
wird einer getreten, dann bist’s du.

Mich beeindruckte insbesondere den zweiten Vers: „Es deckt einen da keiner zu“. Fast wie Latein, weil das Subjekt des Satzes, also „keiner“, dem Objekt des Satzes, „einen“, nachgestellt und als solches durch eine Kasusendung erkennbar gemacht wird. Ein solcher Satz wäre in meiner Muttersprache völlig unmöglich. Das Englische verlangt nämlich – fast immer – Subjekt, Verb, Objekt: „Keiner deckt zu einen da.“ (wir lassen das irritierende „es“ beiseite), „No one covers someone there“, weil im Englischen Kasusendungen die Ausnahme sind.

Und jetzt zurück zu der Frage, warum sich Seehofer an Merkels iPad stört.
Im Englischen ein undenkbarer Satz. Es geht schon mit dem „sich stören“ los. Reflexive Verben sind im Englischen selten und werden meistens durch das Passiv ausgedrückt. Ein „sich stören“ ist also kein „irritates himself“, sondern ein „is irritated by“. Dazu stört sich der Englischsprechende an der Nebensatzkonstruktion des Deutschen, wo das Verb ans Satzende gestellt wird. Lateinisch halt.

Subjekt, Verb, Objekt ist unser englisches Zuhause. Merkels iPad wird zum Subjekt, und Seehofer, der sich stört, zum Objekt. Etwa: „Why Merkel’s iPad bothers Seehofer“.

Doch jetzt drehen wir den Spieß um: Stellen Sie sich vor, dass Sie den englischsprachigen Satz „Why Merkel’s iPad bothers Seehofer“, ins Deutsche übersetzen müssten. Wäre Ihnen „Warum sich Seehofer an Merkels iPad stört“ spontan eingefallen? Oder hätten Sie diesen englischen Satz mit „Wieso Merkels iPad Seehofer irritiert?“ übersetzt?

Ich tippe auf Letzteres, und zwar deshalb, weil sich dieser englische Satz leicht im Deutschen nachbilden lässt. Wer „Warum sich Seehofer an Merkels iPad stört“ verfasst, braucht einen freien Kopf, der seine heimische deutsche Hirnverkabelung zum Vorschein treten lässt.

Nebenbei: Ich habe „Warum sich Seehofer an Merkels iPad stört“ bei Google-Translate eingegeben. Das Ergebnis: „Why bother to Merkel Seehofer iPad“, ein Nonsenssatz. Fazit: Google-Translate ist mit der echten deutschen Hirnverkabelung überfordert. Danach ließ ich Google „Why Merkel’s iPad bothers Seehofer“ ins deutsche übersetzen und siehe da: „Warum Merkels iPad stört Seehofer?“ erschien auf dem Monitor.

Endlich haben Sie den Beweis: Deutsch ist (allem Denglisch zum Trotz) nicht Englisch.

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