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Alles, was Sie über Esperanto wissen müssen

Treuer Leser Rappelkopf hat mich gebeten, über das Esperanto zu schreiben. Was er nicht weiß: Vor vielen Jahren hatte ich einen Text über künstliche Sprachen geschrieben, in dem auch das Esperanto vorkam. Ich habe diese Sprache damals in ein paar ziemlich oberflächlichen Absätzen freundlich geschildert.

Einige Monate nach Erscheinen besagten Artikels bekam ich Post – besser gesagt eine "Auszeichnung“ – von einem Esperanto-Verein, dessen Namen ich leider vergessen habe. Man bedankte sich für meine Bemühungen, das Wissen um das Kunstidiom verbreitet zu haben. Wenn ich mich nicht ganz täusche, hieß es weiter, dass mein Text in jüngster Zeit zu den wichtigsten Veröffentlichungen über die Sprache zähle.

Natürlich war mir das Lob sehr willkommen. Andererseits konnte ich mir den Gedanken nicht verkneifen, dass es dem Esperanto wohl nicht so ganz gut gehen konnte, wenn meine kurze Skizze einen so hohen Rang innehatte.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich finde das Esperanto als Spracherlebnis ausgesprochen anziehend. In meiner Jugend nahm ich mir vor, es zu lernen und las mit Begeisterung eine ganze Sprachlehre durch. Es hieß in dem Buch, dass das Esperanto vom Klang her ans Rätoromanische erinnert. Vielleicht kann dies jemand bestätigen.

Bis heute finde ich Esperanto attraktiv. Welche Sprache gibt es auf der Welt, deren Grammatik sich auf sechszehn eiserne Regeln reduzieren lässt? Hier ein paar der Sprachgesetze: Nomen enden ausnahmslos mit "o“ Adjektive mit "a“. Fügt man dem Nomen bzw. dem Adjektiv ein "j“ an, hat man die Mehrzahl gebildet. Um den Akkusativ zu formen, kommt ein "n“ am Ende des Wortes.

Auch die Verben sind ein Kinderspiel. Keine Unregelmäßigkeiten. Der Wortstamm plus "as“ ist gleich Gegenwart, plus "is“ Vergangenheit, plus "os“ Zukunft und plus "us“ Konjunktiv. Beispiel: "Mi trinkas“ (ich trinke), "mi trinkis“ (ich habe getrunken) usw. Was kann einfacher sein?

Was den Wortschatz betrifft: Viele Vokabeln werden aus dem Lateinischen bzw. dem Französischen und Spanischen entliehen. Der Erfinder des Esperanto im Jahr 1887, der idealistische polnische Augenarzt L.L. Zamenhof, war überzeugt, dass die romanischen Sprachen am verbreitesten, also am bekanntesten, seien: "canti“ (singen) "laboro“ (Arbeit), "homo“ (Mensch). Doch auch der deutsche Esperantist kommt mit Wörtern wie "bedauri“, "cel“ (Ziel) oder "nur“ auf seine Kosten. "Anstatau iri hejmen, mi iris en kafejon“. Also "Anstatt heim zu gehen, ging ich ins Café“.

Wie gesagt, eine durchaus charmante Sprache. Doktor Zamenhof hat schöpferisch und feinfühlig gearbeitet. Ich frage mich nur: Wozu braucht man sie?

Im Grunde ist Englisch bereits zur definitiven lingua franca geworden. Auf der ganzen Welt sprechen Menschen notfalls ein paar Brocken Englisch. Überdies: Für Asiaten sind englische Wörter ebenso fremd wie der stark romanisierte Wortschatz des Esperanto. Warum eine neue Sprache büffeln, wenn das Englische allemal praktischer ist?

Nebenbei: Esperanto erinnert ein wenig an die Creolesprachen. Diese entstehen, wenn man keine Geduld hat, mit fremdsprachigen Untertanen normal zu reden. Was man in Deutschland ehemals "Gastarbeiterdeutsch“ nannte, hätte zu einem Creole werden können. "Du kommen, machen sauber Fenster. Ja?“ So redeten auch französische Sklavenhalter im 18. Jahrhundert auf Haiti mit ihren Fronarbeitern. Daraus entstand das heutige Nationalidiom der Karribikinsel, das Créole. Es wird übrigens wie das Esperanto sehr regelmäßig und vereinfacht gebildet. “mwe ale“ heißt "ich gehe“, wörtlich "mich gehen“ vom "gastarbeiterfranzösischen“ "moi aller“.

Esperanto ist zweifelsohne eine nette Zugabe in unserer vielsprachigen Welt, bleibt aber eine Kuriosität. Seine ursprüngliche Aufgabe, als internationales Verständigungsmittel zu dienen, kann man nach wie vor nur als Wunschdenken betrachten.

Hätte man es aber jemals in diesem Sinn wirklich global verwendet, kann man getröst davon ausgehen, dass die Sprecher es dank dem unerbittlichen Gesetz des Sprachwandels alsbald "gemorpht“ hätten. Denn keine Sprache will logisch sein – auch das Leben selbst verhält sich nicht nach der herkömmlichen Logik.

Ich musste neulich ans Esperanto denken, als ich zufällig im Fernsehen während des Besuchs des Papstes in Lourdes die Austrahlung einer lateinischen Messe anschaute. Der deutschsprachige Papst, ein Französisch sprechender Kardinal und ein italienischer Kollege hatten jeder das Latein der Messe verschieden artikuliert. Auch vom Esperanto wäre in dieser Situation nichts anderes zu erwarten gewesen.

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