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Justin Bieber als Geschäftsmodell

Wurm: O Herr, bitte nicht!

Vorstandsvorsitzender: Winden Sie sich nicht so, Wurm! Außerdem sitzt die Perücke falsch. Jetzt in die Stirn verschieben. Ein bisschen nach links, damit sie apart und frech aussieht.

Wurm: Die juckt mich aber.

Vorstandsvorsitzender: Wens juckt, der kratze sich. Seien Sie nicht so narrisch. Konzentrieren Sie sich. Es ist ohnehin nur ein kurzes Video. Und dazu braucht man keine teure Perücke. Also packen Sie die Gitarre, als würde es Ihnen Spaß machen zu singen.

Wurm: Ooooo.

Vorstandsvorsitzender: Was ist also jetzt?

Wurm: Nichts. Ich habe nur geübt.

Vorstandsvorsitzender: Es heißt aber nicht „Ooooo“ sondern Eiiii, und zwar achtmal infolge.

Wurm: Eiii eiii eiii eiii eiii!

Vorstandsvorsitzender: Das waren nur fünfmal. Mit Gefühl, verdammt noch mal. Mit Gefühl. Denken Sie daran, dass unsere Zukunft, besser gesagt, Ihre Zukunft, von diesem Moment abhängt. Und nicht vergessen, schön flott singen: „Me plus you, I’ma tell you one time“. Und zwar zweimal. Stets heiter! Also one, two three:

Wurm: Eiiiiii! Mi plass ju, eima tell ju wann teim. O Herr, muss das sein?

Vorstandsvorsitzender: Jammern Sie nicht so elend daher. Außerdem klingt Ihr Englisch erbärmlich. Haben Sie mir nicht versprochen, Sie würden den Text auswendig und perfekt lernen? Das ganze war ohnehin Ihre Idee.

Wurm: Meine Idee?

Vorstandsvorsitzender: Jawohl. Haben Sie das schon vergessen? Setzt bei Ihnen wohl die Altersdemenz ein? Sie waren es, der mir endlos vom Erfolg diesen Justin Bieber vorgeschwärmt haben. „So jemanden bräuchten wir, um den Umsatz ein bisschen in die Höhe zu zwicken.“ Das haben Sie gesagt. Ich zitiere wörtlich.

Wurm: Aber ich habe es anders gemeint.

Vorstandsvorsitzender: Wie dann anders? Dass er für uns Texte schreibt? Das ist ein Knabe, war nie auf der Journalistenschule. Nur Mädchen, Mütterchen und Päderasten stehen auf ihn. Denken Sie daran: Wir möchten mit Ihrem Auftritt ein ganz anderes Publikum becircen.

Wurm: Aber warum muss ich dieses dämliche Kostüm anziehen? Ich bin schon 55 Jahre alt.

Vorstandsvorsitzender: Was? Schon so alt? Wir müssen bald an die Frührente denken, mein lieber Wurm. Allmählich glaube ich, Sie haben aufgehört, kreativ mitzudenken. Wozu bezahle ich Sie denn? Wir sind Medientiere. Wer nicht untergehen will, der darf das Querdenken nicht verlernen.

Wurm: Habe ich Ihnen aber nicht die Idee gegeben, alle Journalisten zu kündigen und nur die alten, recycleten Texte zu drucken?

Vorstandsvorsitzender: Ja, das war ja vielleicht keine so schlechte Idee. Allerdings nicht ganz durchdacht. Leider. Und nun werden wir von allen Seiten wegen Verletzung der Urheberrechte verklagt – obwohl wir unsere Autoren damals dazu zwangen, Knebelverträge, in denen sie ihre Urheberrechte abtraten, zu unterschreiben. Sie lassen einfach nach, Wurm. Ich bin aber gnädig. Das wissen Sie. Deshalb bekommen Sie heute Ihre letzte Chance. Wir werden den Song in YouTube uploaden. Wird er zum Hit, dann sind Sie gerettet. Sonst…

Wurm: Eiii eiii eiii eiii eiii eiii eiii eiii!

Vorstandsvorsitzender: Sehr schön. Diesmal haben Sie’s mit Gefühl gesungen. Wer braucht so einen Justin Bieber? Man hat lediglich das Geschäftsmodell nötig, mein lieber Wurm.

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