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Big "Facebook" is watching YOU

Aus dem Nichts ein Schrei, er geht durch Mark und Bein. So gruselig ist er, dass er mich aus meinen Träumereien weckt.

Es war Samstag. Ich hatte die Frau auf der anderen Straßenseite schon kommen sehen. War nichts Auffälliges zu bemerken, lediglich, dass sie zielbewusst dahinschritt. Plötzich der Schrei, lang und schrill – wie aus einem Horrorfilm.

Wie reagiert man? Ganz klar! Das Tier im Menschen übernimmt die Regie. Blitzschnell sucht es die Umgebung nach einer Gefahrenquelle ab. Das tut jedes Tier instinktiv. Und das habe auch ich getan. Es war aber nichts zu erkennen. Nichts.

Sie hat zetermordio geschrien, wurde dann sofort wieder still, als wäre nichts geschehen, und ist einfach weitergegangen, ebenso zielbewusst wie vorher.

War das Sprache? War da eine Botschaft? Nein, nichts. Entweder hat sie gesponnen, war Schlafwandlerin, oder sie litt an dem Turrette-Syndrom. Das ist eine Art Tick mit der Stimme, eine Zwangshandlung. Man schimpft, schreit oder grunzt. Ich weiß nicht, was da los war. Es war jedenfalls keine Sprache, war nur ein sprachähnliches Phänomen, weil es getönt hat.

Das nur zur Einführung. Das eigentliche Thema heißt „Facebook“. Ich beginne mit einem Geständnis: Ich bin kein Facebooknik, ich habe keine „Freunde“.

Indes baut sich in mir seit mehreren Wochen zunehmend ein Missmut gegen diese Informationskrake auf.

Alles begann im Dezember vorigen Jahres. Eines Tages erhielt ich eine Mail: von „Facebook“. Eine gewisse „Lydia Bernstorfer“ – den Namen habe ich gerade erfunden, den wahren Namen werde ich hier wie üblich nicht verraten – machte mir (in englischer Sprache) das Angebot, ihr „Freund“ zu werden. Nur: Ich kenne keine „Lydia Bernstorfer“ und weiß nicht, warum sie meine „Freundin“ werden will.

Wie sie zu meinem Namen gekommen ist, war mir ebenfalls ein Rätsel.

Aber jetzt wird’s unheimlich: Auf der Einladung entdeckte ich sechs Namen von Menschen, die bereits ein „Facebook“-Konto haben. Es waren allesamt Namen von Menschen, die ich tatsächlich kenne – manche aus den USA, manche aus Deutschland.

Mein Sohn wollte mich beruhigen: „Reg dich ab, es ist kein Phishing. Die Mail kommt wirklich von ‚Facebook’. Auch ich bekomme gelegentlich solche Mails.“

„Aber woher weiß ‚Facebook’, dass ich all diese Menschen kenne?“ frage ich.

„Ganz einfach. Wenn man ‚Facebook’ beitritt, kann man dafür optieren, ‚Facebook’ den Zugang zum eigenen Emailadressbuch zu gewähren. Das machen viele Menschen, weil sie das Kleingedruckte nicht lesen.“

Mittlerweile habe ich besagte Einladung schon dreimal erhalten. Etwa: „Lydia Bernstorfer“ schicke mir eine Erinnerung, dass ich noch immer nicht ihr „Freund“ geworden bin.

Bin ich nur paranoid, oder finden Sie es auch nicht bedenklich, dass ein „soziales Netzwerk“ in der Lage ist, in den Emails anderer zu wühlen, um neue Kandidaten für die eigene Firma zu bewerben?

Nach der zweiten Einladung habe ich eine Mail ans Gesichtsbuch geschickt, worin ich sehr deutlich zum Ausdruck brachte, dass ich nicht weiter belästigt werden wollte. Meine Bitte kam offenbar nie an.

Kennen Sie den Film „Invasion of the Body Snatchers“ (Deutsch: „Die Körperfresser kommen“)? In diesem Film werden die Menschen eines gemütlichen amerikanischen Dorfes –einer nach dem anderen – von außerirdischen Doppelgängern vereinnahmt und beseitigt, bis nur noch wenige richtige Menschen übrig bleiben. Richtige Menschen können die Doppelgänger daran erkennen, dass sie seelenlos wirken. Ich fühle mich wie einer der letzten Menschen, der noch nicht von „Facebook“ einverleibt wurde.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich kenne viele Gesichtsbüchler – unter ihnen meine Frau und unsere Söhne. Dennoch bleibe ich bis auf Weiteres ein überzeugter Verweigerer. Vor allem, weil ich glaube, dass die meisten „Botschaften“, die in „Facebook“ unter „Freunden“ ausgetauscht werden, so leer sind wie das Geschrei der Frau auf der Straße, von der ich vorhin erzählte.

He! Vielleicht wollte die Frau nur meine „Freundin“ werden! Vielleicht ist sie die echte „Lydia Bernstorfer“?

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