You are here

Stille Post, unheilige Post

Haben Sie die jüngsten Meldungen vom Dahinschwinden der Bienenstöcke verfolgt? "CCD“, "Colony Collapse Disorder“ (etwa: "Bienenvolkkollapssyndrom“) nennt man in der US-Presse dieses beunruhigende Phänomen: Die Bienen schwärmen aus, um nie wieder in die Bienenstöcke zurückzukehren. Sie verschwinden spurlos. Wer im Bienenstock zurückgeblieben ist, etwa Königin, Larven und sonstige Arbeitende, verendet elendst.

Einem Artikel der englischen Zeitung, "The Independent“, zufolge, seien 70% der Völker an der US-Westküste und 60% an der Ostküste auf dieser Weise bereits verschollen. Nun breite sich das tückische Syndrom peu à peu in Europa aus. Manche Wissenschaftler tippen auf den sogenannten "Elektrosmog“, der von unseren Handys und WLAN-Anlagen ausgestrahlt wird, als verantwortlich für dieses große Sterben. Man blicke aber bisher weiterhin ins Dunkel.

Warum ich diese Horrorgeschichte erzähle? In verschiedenen Berichten zu diesem Thema liegt ein besonders beunruhigendes Zitat Albert Einsteins vor: "Würde die Biene von der Erdoberfläche verschwinden, hätte der Mensch nur noch vier Jahre zu leben.“

Nur: Einstein hat diesen Satz mit größter Wahrscheinlichkeit weder geschrieben noch jemals gesprochen. Die Webseite www.snopes.com hält das Zitat für eine sogenannte "urban legend“. Viele Legenden kursieren im Netz. Zum Beispiel, dass Bill Gates und AOL Geld verschenken, wenn einer einen gewissen Kettenbrief weiter befördert oder dass viele Lippenstifte mit Blei hergestellt werden. Für weitere Unterhaltung schauen Sie bei Snopes vorbei.

Als Kind spielte ich liebend gern "Stille Post“ ("Telephone“ auf Englisch). Die radikale Abwandlung einer am Anfang des Spiels geflüsterten Botschaft durch das Weitersagen hat mich stets bezaubert.

Die Existenz der Gerüchteküche ist freilich eine natürliche Folge der Kommunikation, sie kann aber auch zu ihrer dunklen Unterseite werden. Nach dem verheerenden Kanto-Erdbeben in Japan 1923, z.B., munkelte "man“, dass sich die koreanische Minderheit im Land Vorteile vom Desaster verschafft hätte. Hunderte von unschuldigen Menschen mussten daraufhin sterben.

Hier ein weniger virulentes Beispiel: Die englische Zeitung "The Sun“ berichtete am 26. April, dass ca. 2000 Japanerinnen für teures Geld "frisierte“ Lämmer gekauft hätten, in dem Glauben, diese seien Pudel. Die “Sun” deckte die Geschichte auf und machte sich besonders lustig über die Schauspielerin Maiko Kawakami, die sich während eines Talkshow-Auftritts beschwert habe, dass ihr neuer Pudel nicht belle und fresse kein Hundefutter. Hahaha.

Sie haben es schon erraten: Der Pudel war letztendlich eine Zeitungsente. Tatsache ist: Die Geschichte vom Pudel und Lamm ist in Japan einer jener abgedroschenen Witze, den jeder kennt – außer "Sun“-Berichterstatter/in V. Wheeler, versteht sich. Noch schlimmer: Hunderte von Zeitungen weltweit haben diese Meldung kritiklos übernommen. Lesen Sie Edward Zimmermanns englischsprachigen Blog "Dog’s Clothing“ bei www.ibu.de, um mehr darüber zu erfahren. Und werden Sie Mitglied meines neuesten Vereins: Die Gemunkelzermatscher. Übrigens: Das mit den Bienen hat man übrigens noch nicht ganz zermatschen können. Leider.

Add new comment

Filtered HTML

  • Web page addresses and e-mail addresses turn into links automatically.
  • Allowed HTML tags: <a> <p> <span> <div> <h1> <h2> <h3> <h4> <h5> <h6> <img> <map> <area> <hr> <br> <br /> <ul> <ol> <li> <dl> <dt> <dd> <table> <tr> <td> <em> <b> <u> <i> <strong> <font> <del> <ins> <sub> <sup> <quote> <blockquote> <pre> <address> <code> <cite> <embed> <object> <param> <strike> <caption>

Plain text

  • No HTML tags allowed.
  • Web page addresses and e-mail addresses turn into links automatically.
  • Lines and paragraphs break automatically.
CAPTCHA
This question is for testing whether you are a human visitor and to prevent automated spam submissions.
Image CAPTCHA
Enter the characters shown in the image.