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Über den armen Troll

Erstaunlich, wie oft im Leben die Theorie von der Praxis eingeholt wird. Meine neuerlichen Gedanken über die Redewendung "durch den Wind sein“ (siehe Beitrag vom 8. Mai) wurden für einige treue Leser/innen zum Anlass, selbst einige Bemerkungen zu diesem Thema publik zu machen, was natürlich Mut fordert. Ein(e) Kommentator(in) – er/sie nannte sich "ich, und ihr wisst wer“ – musste sogar die Rüge über sich ergehen lassen, er/sie sei selbst "durch’n Wind“. Ironisch, nicht wahr, über diese Redewendung zu schreiben, um dann zu hören, man sei selbst "durch den Wind“.

Das Kommentieren über Kommentatoren ist aber nicht mein heutiges Thema. Lieber möchte ich das Wort "Troll“ abhandeln. Leser/in "ich, und ihr wisst nicht“ hat diesen Begriff nämlich in seinem/ihrem Kommentar verwendet. Ich kannte das Wort nicht, d.h., bis mein Sohn mich darüber aufklärte. Ich gehe davon aus, liebe Leser, liebe Leserinnen, dass die meisten von Ihnen hinsichtlich des "Trollens“ besser informiert sind als ich.

Für den einen oder anderen, der vielleicht doch meinen Stand des Unwissens teilt, erkläre ich in aller Kürze den Sinn dieser neuen Vokabel. Ein "Troll“ ist im Internetjargon ein "Störenfried“, einer, der mit der Tür ins Haus fällt. Er besucht Blogs, Foren usw. und macht sinnlosen Radau, nur um auf sich aufmerksam zu machen. Er ist ein Netzrabulist.

Unter Stichwort "Troll“ googelt man in weniger als eine Sekunde über 19 Millionen Treffer, genug Stoff, um eine Doktorarbeit zum Thema zu schreiben. Unter anderen habe ich Seiten entdeckt, die über den Umgang mit dem "Troll“ unterrichten. Auch die gewichtigen psychologischen Analysen fehlen nicht. Mein Anliegen gilt lediglich der Sprachgeschichte dieses Begriffs.

Naheliegend ist freilich die Verknüpfung mit dem "Troll“ aus der skandinavischen Mythologie, einem schelmischen Naturgeist ähnlich dem "Kobold“. Ich bin überzeugt, dass der Internettroll sich gerne als eine Art "Cyberkobold“ sieht. In so ein Selbstbild könnten manche sich leicht verlieben. Andere Netzhistoriker leiten den Begriff doch lieber vom englischen Verb "to troll“ (auch "trawl“ geschrieben) ab. Das Wort bedeutet auf deutsch: "mit der Schleppangel fischen“. Der Internet-"Troll“ angelt auch. Seine "Fische“ sind diejenigen, die bereit sind, ihm Aufmerksamkeit zu schenken. Einer dritten Theorie zufolge stammt das Wort vom Englischen "to patrol“ („patrouillieren“) ab, als würden der "Troll“ das "Gewässer“ des Webs absuchen, um eine geeignete Auftrittsplatform zu finden.

Das "Trollen“ gibt es offenbar seit den 90er Jahren. Die ersten dieser Rabulisten tauchten als Störenfriede, Anarchisten u.Ä. bereits in den urzeitlichen "FTP“("File Transfer Protocol“)-Foren auf, als es noch kein WehWehWeh gegeben hat.

Ich möchte hier aber eine ganz andere Theorie für die Etymologie dieses Wortes aufstellen: Das "Trollen“ stammt meines Erachtens vom englischen "control“ im Sinne von "walten“ ab. Genauer gesagt: Ich halte "Troll“ für eine Kurzform des Begriffs "control freak“. Das ist jemand, der nur glücklich wird, wenn er alle Zügel in der Hand hält, was natürlich in der wirklichen Welt unmöglich ist. Der "Troll“ ist nach dieser Deutung eine wahrhaft traurige wenn nicht tragische Figur: jemand der unfähig ist, sich auf ein richtiges Risiko einzulassen. Wer Troll ist, dem kann ich nur gute Besserung wünschen.

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