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Assel der Welt vereinigt euch!

Mein Sohn hat sich einen neuen MP3-Player gekauft und behauptet, dass das gute Stück ein "Assoteil“ sei.

Erwartungsgemäß habe ich gefragt, was das bedeutet: "Assoteil“ und habe erfahren, dass "asso“ eine Abkürzung von "asozial“ sei.

"Da dir dein neuer MP3-Player gefällt, gehe ich davon aus, dass 'Assoteil’ hier etwas Positives bedeutet“, sagte ich vorsichtig.

"Ja, klar, doch manchmal wird ‚asso’ auch im negativen Sinn benutzt.“

Hmm.

"Assel“ ist mir bereits ein Begriff (und hier ist die Rede nicht von einem unappetitlichen Krebstier, das man in feuchten Kellerräumen antrifft). Auch "Assel“ wird, soweit ich informiert bin, von "asozial“ abgeleitet, scheint aber – im Unterschied zu "asso“ – nur abwertend gebraucht zu werden in der Bedeutung „Primitivling“ oder „Sprücheklopfer“.

Ebenfalls ist mir "Assi“ bekannt. (Meine Söhne hingegen kennen weder "Assel“ noch "Assi“, nur "Asso“). Der "Assi-Sticker“ wird zum Beispiel in der Bedeutung von „Tätowierung“ gebraucht. Und neulich bin ich auch "rumasseln“ begegnet, was "ziellos sein Dasein fristen“ zu bedeuten scheint. Hier ein paar Sätze, die ich im Internet zum "rumasseln“ aufgeklaubt habe: Ein gewisser "Sayarin“ aus Jena erzählt bei "Metal1.info“, dass er gerade eine "schwarze Hose zum daheim Rumasseln“ trage; "Bademeistär Nr. 1“ klägt sich beim "Southpark Gemeinschaftsforum“, "…jetz muss ich bis zu meinem zivi noch zwei monate rumasseln“.

Letztlich habe ich "assig“, ein Adjektiv im Sinne von "derb“, "primitiv“ usw. kennengelernt. Nebenbei: In einer früheren Inkarnation bedeutete "assig“ (von "As“) "hervorragend“. Wie sich die Zeiten ändern!

Egal. Fest steht jedenfalls: "Assel“, und Co. sind, meiner Meinung nach, keine freundlichen Begriffe – auch wenn sie manchmal, wie im Fall von "asso“, positiv verwendet werden. Denn letztendlich liegt ihr Sinn darin, die Schwächen anderer zu verspotten. Was ist überhaupt ein "Asozialer“? Er ist ganz einfach derjenige, den manche für "unnormal“ halten.

Somit sind wir endlich bei der ältesten Frage der Welt gelandet: Was ist denn "unnormal“? Im heutigen Iran zum Beispiel gelten als "unnormal“ Homosexuelle oder unverheiratete heterosexuelle Liebespaare. Diese werden im Land der Mullahs wegen ihrer "Unnormalität“ öffentlich hingerichtet. Pol Pot, der dämonische Staatschef Kambodias (1975-1979), erklärte alle Arbeitsunfähigen (auch vorübergend Erkrankte) zu "Asozialen“ und ließ sie alsbald mit Stöcken erschlagen. In Deutschland während er Nazizeit…wir wissen schon…

Meine Vermutung: Der heutige Gebrauch des Wortes "Assel“ usw. ist aus dem "Nazirock“ der sogenannten "rechten Szene“ in die heutige Jugendsprache ’rübergesprungen.

Allerdings möchte ich die Schuld für die Verwendung dieser Vokabel keineswegs nur Neonazis in die Springerstiefel schieben. Die Schwachen auszugrenzen und zu verspotten war und bleibt immer ein Bestandteil der Jugendsprache. In der Pubertät machten meine Söhne einst reichlich Gebrauch des Schimpfwortes "Mongo“. "Mongo“ ist, wie jeder weiß, eine Kurzform für "Mongoloid“, einen also, der unter "Downs-Syndrom“ leidet.

In meiner Jugend waren wir kaum vernünftiger. Wir beschimpften einander als "spaz“ (sprich "s-päs“), abgekürzt von "spastic“ ("Spastiker“) oder als "retard“ (sprich "RIE-tard“), d.h. "geistig zurückgeblieben“.

Die Gebrechen anderer sind für Jugendliche (und Erwachsene ebenso) stets eine unangenehme Erinnerung an die eigene Gebrechlichkeit. Der Behinderte erweckt im Nichtbehinderten nämlich Ängste. Das Schimpfen auf den geistig oder körperlich Lädierten kann man folglich als eine Art Exorzismus verstehen, den Versuch, durch einen "Zauberspruch“ eine Macht über den befürchteten Zustand zu erringen.

Vor vielen Jahren habe ich gelesen, dass Menschen in den kleinen Dörfern Indiens diejenigen mieden bzw. ausgrenzten, denen etwas Schicksalhaftes zugestoßen war, weil man Angst hatte, das schlechte "Karma“ (etwa "Schicksal“) des anderen würde sonst irgendwie auf einen selbst überspringen.

Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal jemanden als "asozial“ abwerten möchten.

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