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Von Puschen und Grenzen

Fest steht, liebe Sprachforscher und Sprachforscherinnen: Die Puschenträger schlurfen unaufhaltsam nach Süden.
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"Heute komme ich nicht in die Puschen“, sagt meine Frau gerne. Damit meint sie, sie komme nicht voran, sie habe keine Energie usw.

Ich erinnere mich noch, wie sie diese Redewendung vor etlichen Monaten zum ersten Mal verwendete. Sie ließ wissen, dass sie von ihr sehr angetan war.

"Wo hast du das gehört?“ fragte ich mit dem gewohnten Interesse an sprachlichen Neuheiten.

"Das sagt Frau N. im Büro“, antwortete sie.

Bald zählte dieser Ausdruck zu den Lieblingsidiomen meiner Frau. "Puschen“, hatte sie erklärt, bedeute "Pantoffel“. Selbstverständlich schlug ich im Duden nach, um Näheres über das Wort zu erfahren. Als erstes stellte ich fest, was ich ohnehin vermutete: Es ist norddeutscher Herkunft.

Doch nicht ganz norddeutsch. "Puschen“, so stellte sich heraus, ist eine komprimierte Form des Wortes „Babuschen“, das wiederum vom Französischen "Babouche“ abgeleitet und im 18. Jahrhundert im deutschen Wortschatz heimisch geworden ist. "Babouche“ wiederum, las ich in Küppers "Wörterbuch der deutschen Umgangssprache“, geht auf Türkisch "babutschi" zurück (sicherlich stimmt Küppers Schreibart nicht), einem Wort, dass offenbar eine Art Schlappenschuh bezeichnet.

Nach Kluge ("Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache“) stammt die türkische Vokabel aus dem persischen "Papusch“ und bezeichnete ursprünglich "Fußbekleidung“. Hübsches Wort, nicht wahr? Letztendlich gehen alle diese Wörter auf ein persisches Zeitwort "puschidän“, "bedecken“, zurück.

Das ist ja wirklich eine weite Reise, um in die Puschen zu kommen. Wir sind aber noch nicht am Ziel gelangt: Das polnische "papu?“ ("Pantoffel“) sei ebenfalls mit unserem Wort verwandt, sagt Kluge. Jetzt frage ich mich: Sind die Franzosen im 18. Jahrhundert zu ihren "Babouches“ übers Polnische oder direkt übers Türkische gekommen? Und wie steht es mit den Deutschen? Sind die Deutschen zu ihren "Babuschen“ bzw. "Puschen“ übers Französische oder übers Polnische oder über beide gleichzeitig stereoartig gekommen? Leider kann ich keine befriedigende Antwort auf diese Fragen geben. Nur eins steht fest: Dieses Synomym für "Pantoffel“ war lange Bestandteil allein der norddeutschen Dialekte.

Was mich überrascht, ist die Dauer der Reise nach Süden. Gesetzt den Fall, dass sich die „Babuschen“ bereits im 18. Jahrhundert im Norddeutschland niedergelassen hatten, dann kommt mir das Erscheinen dieses Wortes in Bayern wirklich wie ein langes Schlurfen nach Süden vor. Wenn die "Puschen“ im Süden früher zur Geltung gekommen wären, hätte ich das Wort sicherlich schon längst registriert. Die "Puschen“ sind bei uns in Bayern sehr wohl frische "Zugeroaste“. Vor zwei Wochen habe ich die oben erwähnte Redewendung zum ersten Mal in einer Nachrichtensendung im Bayern Fünf gehört.

Worauf will ich hinaus? Die Sprachgrenzen des deutschen Inlands sind offenbar undurchdringlicher als ich bisher angenommen habe. Wir schreiben das Jahr 2007. Es hat also zwei Jahrhunderte gedauert, um norddeutsche Puschen nach Süden zu befördern.

Fazit: Die Sprachgrenze war nie ganz dicht, aber sie ist dennoch bis heute eine Grenze geblieben.

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