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Mord und Gender

Das Beispiel ist unanständig, aber ich darf es – der Sprache zuliebe – nicht verschweigen. Es geht um die sinnlose Ermordung zweier Polizisten in Kusel, eines 29jährigen Polizisten und seiner 24jährigen Kollegin, die noch auf der Polizei-Hochschule studierte.

Über die Mörder darf man sich grausame Strafen ausdenken. Sie verdienen alle.

Doch zum Sprachlichen. Und abermals möchte ich mich hier entschuldigen. Ich wünschte, ich könnte hierfür ein harmloses Beispiel finden.

Folgendes will ich aber vorab hervorheben: Ich möchte allen Reportern meinen beherzten Dank aussprechen, dass sie bei der Berichterstattung über diese Tragödie – wohl aus Gründen der aufrichtigen Pietät – auf jeglichen Genderismus verzichtet haben.

Die Opfer dieses Verbrechens – wie jeder weiß – waren ein Polizist und eine Polizistin. In den Medien werden sie kollektiv als „Polizisten“ bezeichnet.

Was sonst, könnte man meinen? Doch wir leben im Zeitalter des Postkolonialismus und der Genderrelativität, und der gute Ton wird überall überarbeitet auch im obigen Fall. Dennoch wage ich zu fragen: Wie hätte man die zwei sonst bezeichnen können – ich meine, um tunlichst politisch korrekt in Erscheinung zu treten? Fest steht: Man bedarf in diesem Fall einer Pluralform. „Polizist/In“ geht nicht. Es klingt zu sehr verallgemeinernd. Man denkt vielmehr an ein „entweder oder“. Bei „Polizist/Innen“ schwebt einem eine große Anzahl von Polizisten beider Geschlechter vor. Sie sehen: Die Genderisten – wohl „GenderistInnen“ – haben ihre Sache nicht ganz durchgedacht.

Fakt ist: Die Suche nach jener erträumten sprachlichen Neutralität lässt seltsame Blüten sprießen. Beispiel „Studierendenschaft“! Manche werden meinen: „Wo ist denn das Problem? Man gewöhnt sich schnell daran, und bald klingt es auch schön.“

Mitglieder des Deutschen Journalistenverbands erhalten monatlich eine Zeitschrift, die, wenn man im Briefkasten schaut, entweder „Journalistin“ oder „Journalist“ heißt – alles wird nach dem Zufallsprinzip verschickt. Wenn mein Exemplar der „Journalistin“ ins Haus flattert, denke ich immer: Seit wann bekomme ich „Elle“ oder „Frau im Bild“ usw.?

Die Seuche der grammatikalischen Sprachgerechtigkeit breitet sich – zumindest in der westlichen Welt – schneller aus als das Omicron-Virus, und die Unlogik wächst zusehends. Hier ein schönes Beispiel: Während wir in Deutschland strebsam zwischen Männlein und Weiblein unterscheiden, tun es die Briten und die Amerikaner umgekehrt. In der angelsächsischen Welt werden jene Vokabeln, die auf die Eigenständigkeit der Frau hinweisen, gnadenlos in den Giftschrank eingesperrt.

Früher unterschied man zwischen „actor“ und „actress“. Heute gibt es auf Englisch nur noch die „actors“. Die weibliche Form gilt aus Gründen, die ich nicht verstehe, als „sexistisch“.

Genau das Gegenteil von der dt. Praxis! Komisch, nicht wahr. Die dt. Schauspielerin besteht auf ihr „in“! Stellen Sie sich vor: Es gäbe für diesen Schauspielerberuf eine Zeitschrift wie für die dt. Journalisten. Es müsste also „Actors“ heißen! Die „Actresses“ spielen keine Rolle mehr.

Auch andere weibliche Begriffe verschwinden aus der englischen Sprache. Früher sagte man „poet“ und „poetess“. Nun gibt es nur noch „poets“.

Ja, Sie brauchen mich nicht darauf hinzuweisen. Ich merke, dass ich heute sehr schwadroniere. Ich verspreche aber. Das nächste Mal kehre ich zu einem anderen Ton zurück.

Ich bin jedenfalls dankbar, dass das Feingefühl der Journalisten und Journalistinnen so weit gediehen ist, dass sie die Ermordung zweier jungen Polizisten respektvoll angegangen sind. Vielleicht gibt es doch noch Hoffnung für die dt. Sprache?

PS Zu schnell aus der Hüfte geschossen. Auf YouTube fand ich beim Sender Phoenix als Untertitel zu einem Beitrag übers Attentat Folgendes: „Thomas Meyer zur Tötung von zwei Polizist:innen bei Kusel“. Fazit: Jetzt wird’s gefährlich…ich meine natürlich für die dt. Sprache als Stilelement…

Comments

Wir könnten uns das ganze Gendern sparen, wenn wir eine männlich Endung hätten. Dann wäre eine Lehrerin immer noch die Lehrerin, ein männlicher Lehrer dann z.B. der Lehrerit und wenn es nicht draufkommt einfach das Lehrer.

Danke, Esperantistino. Manchmal wären die kompliziertesten Dinge einfach zu lösen, wenn nicht alles einfach so kompliziert wäre. Viele schöne Grüße P.J. Blumenthal

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