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Mein neues Phone/Phon/Fon…und eine sprachliche Meditation

Die letzten Wochen war ich oft in den Internetforen, die auf Handys spezialisiert sind.

Längst weiß jeder, dass „Handy“ kein Englisch ist. Im Englischen ist „Handy“ ausschließlich ein Adjektiv und bedeutet so etwas wie „praktisch“ (it’s a handy solution) und manchmal „fingerfertig“ (he’s very handy when it comes to fixing mobile phones). Noch ein Indiz, dass „Handy“ kein englisches Wort ist: die Form der Mehrzahl. Die müsste auf Englisch „handies“ lauten.

Widerwillig hab ich mir diese dt. Mehrzahlsschreibart angeeignet, ebenso wie ich es bei „Storys“ etc. tue. Miss Fitzpatrick, meine Lehrerin in der ersten und der dritten Klasse, würde, wüsste sie dass ich mir erlaube, „Storys“ zu schreiben, im Grabe toben.

„Aber, Miss Fitzpatrick, so schreiben es die Deutschen. Ich weiß, dank Ihnen, wie es im Englischen sein muss.“

„Dann musst du die Lümmel da drüben umerziehen, junger Mann! Ach! Was sag ich? Das schaffst du nie. Du warst immer viel zu brav, um dreist zu sein. Klug aber brav. Muss wohl ein anderer es tun.“

Aber zurück zu den Handys…

Meinen Sie auch, dass das Wort „Smartphone“ bereits etwas verstaubt klingt? Wer sagt noch „Smartphone“ außer Menschen ab 40? (Nebenbei: Haben Sie gewusst, dass „smart“ mit „Schmerz“ verwandt ist? Man sagt auf English: „Ow! That smarts!“ und meint, das tut weh).

Ja, die Handies (schon besser, Miss Fitzpatrick?). Meins hat in letzter Zeit angefangen, etwas zu schwächeln. Nicht weil es alt (Jahrgang 2013), sondern weil es ein Blackberry ist, dessen Operating System (OS10) Stück für Stück enteignet und entwertet wird. Als dann plötzlich eines Tages mein Q10 (bitte googeln, ein tolles Gerät!) alle Mails und Messages ins digitale Jenseits verschwinden ließ, hab ich die Botschaft kapiert: Zeit auf Apfel oder Android oder Google umzusteigen. Umso mehr notwendig, weil die Firma Blackberry angekündigt hat: Support fürs alte (großartige) OS wird am 1.1.20 endgültig eingestellt werden. Es ist wie den Termin einer Hinrichtung abwarten.

Diese Nachricht hab ich übrigens im Forum erfahren. Dort findet man sehr engagierte Leute, die eine ganz andere Art zu sprechen haben als man auf der Straße hört. Darüber hinaus duzen sich alle. „Funzen“ ist mein Lieblingswort in den Foren. Ich denke, es ist der Versuch, das engl. „function“ so genau wie möglich ins Deutsche zu übernehmen. Ist also bestimmt keine Verkürzung von „funktionieren“.

Ich mutmaße, dass die Leute im Forum, die diese Vokabel benutzen, fast ausschließlich männlich und ab 35 und bis 50 Jahre alt sind. Sie lungern in den Foren sicherlich seit einem Jahrzehnt rum. Einst klang diese Vokabel „funzen“ ganz bestimmt sehr zeitgenössisch. Inzwischen reihe ich es in die gleiche Kategorie wie „Smartphone“.

Ein ähnliches Schicksal ereilt übrigens das Kürzel „LOL“. Wird es im Deutschen oder nur im Englischen gebraucht? Ich weiß es nicht. Man findet es jedenfalls überall in den US Foren, in den amer. SMSen (text messages), Emails, Whatsapps, Tweets usw. Es steht für „laughing out loud“. Das hab ich lange nicht gewusst und gedacht, es bedeute „lots of luck“. Man hat mich deshalb ausgelacht. Egal. Ich verstehe immer noch nicht, wie man es gebraucht.

Was ich aber doch feststelle: LOL galt früher als eine Vokabel der „leading edge“-Internet-Jugendsprache. Heute sind es nur noch die 60-80jährigen Cybernauten, die es verwenden. Vielleicht auch ein paar 40jährige.

Da fällt mir auch die „emojis“ ein. Inzwischen findet man sie auf jedem Phone/Phon/Fon als Font. Chinesen lieben sie, weil sie so Chinesisch wirken. D.h.: ein Schriftbild als Ersatz für die Buchstabenschrift.

Aber wie lange werden diese putzigen Fratzen noch becircen?

Und wie lange wird man noch von „Selfies“ reden?

Nebenbei: Mein neues Phone/Phon/Fon ist wieder ein Blackberry. Diesmal ein Modell mit Android. Man marschiert halt mit der Zeit.

Nettes Gerät, aber ich muss noch rauszukriegen, wie das Ding funzt. Außerdem möchte ich endlich wissen, wie ich das Gerät zu nennen habe, wenn es bald mal kein Handy, Phone/Phon/oder Fon ist. Alles ist im Fluss…

Comments

Sehr geehrter Herr Sprachbloggeur,
Ihren Artikel habe ich als sehr interessant empfunden. Besonders bemerkenswert finde ich, wie sie in ihren Texten, wie auch in diesem, Wörtern eine gewisse Alterszugehörigkeit attribuieren. So schreiben sie das Wort „funzen“ älteren Leuten zu. Das Wort „Smartphone“ bezeichnen sie lakonisch als anachronistisch. Ich muss sie jedoch desillusionieren: Im Jargon der Jugend sind diese Wörter stark manifestiert. Da spreche ich aus Erfahrung. Der veritable Dissens beruht auf der Frage, ob diese Wörter überhaupt genuin sind. Es könnte sich auch um akzidentelle Agglomerationen von Buchstaben handeln. So funktioniert der Wörterjungel sehr autark - man könnte fast von einer bevorstehenden Prosperität sprechen. Sie merken, das Thema ist sehr profund. Im Netz haben sich schon einige Stimmen kumuliert, die mit meiner Meinung d‘accord sind. Evaluieren sie das ganze doch einfach selbst. Den habituellen Schwachsinn können sie gekonnt ignorieren. Die Immanenz von Wörtern in allem kann man nicht leugnen. Die Usance, sich auf invalide Quellen zu beziehen, ist nicht wirklich erquicklich. Ich möchte noch akzentuieren, dass sie trotzdem mit ihrem Blog weitermachen sollen. Auch wenn der Großteil Blödsinn ist, wird sich der sprachliche Mittelstand sicher an ihren Texten erfreuen. Ich hoffe mein Verhalten erscheint ihnen als noch opportun.

Bis dahin,
Trebax Poltermann

Verehrter Trebax Poltermann, zum Dank fühle ich mich Ihnen verpflichtet. Es honoriert mich immens, dass Sie sich Zeit nehmen und Mühe geben, meinen bescheidenen Exkursus über den Wortschatz der zeitgenössischen Cybertelefonie zu kommentieren. Ja, ein etymologischer Diskurs über Gegebenheiten, die noch nicht auf wissenschaftlicher Ebene überzeugend verdinglicht wurden, erfordert doch eine gewisse risikofreudige Attitüde, scilicet eine Dreistigkeit. Das sehen Sie gewiss ein, denn somit geben Sie Ihr Gegenüber Anlass, sich in der Materie weiter zu vertiefen. Mich vor Ihrem Interesse verbeugend, verbleibe ich mit Hochachtung, Ihr P.J. Blumenthal

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