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Es war einmal ein schöner Schmetterling

Kennen Sie den Xerces-Bläuling? Ich vermute, liebes lesendes Publikum, aber nicht aus einer Überheblichkeit meinerseits, dass Sie diese Frage verneinen werden. Denn Fakt ist: Kaum jemand mehr kennt diese Schmetterlinggattung.

Der Xerces-Bläuling war nämlich einst in der Stadt San Francisco, Kalifornien zuhause, und nur dort. Noch dazu war er ausschließlich in den Sanddünen des heutigen Sunset-Distrikts zu finden. Die Ansiedlung dieser Gegend bedeutete für ihn den Garaus. Die allerletzte Sichtung wird für 1943 belegt. Wie der Name sagt, waren diese Falter bläulich – wie alle Bläulinge. Man/frau/diverse findet Exemplare heute nur noch in Schmetterling/Falter-Sammlungen und mit einer Stecknadel mittig durchbohrt.

Ich habe von dieser Schmetterlingart erst erfahren, als ich das neue Bändchen „Insectary“, gezeichnet und geschrieben von der amer. Künstlerin Cynthia Vaiden Guest, vor Augen hatte. Ein wahrhaft lustiges Alphabetbuch. Schade, habe ich gedacht, dass meine Söhne längst erwachsen sind. Ich hätte ihnen dieses Alphabetbuch gerne vorgelesen, als sie im Alter waren, wo Kinder das Lesen lernen. Aber so ist es mit dem Leben und der Zeit.

„Xerces moth“ heißt das Tierchen auf Englisch. Das englische „moth“ kennzeichnet normalerweise das, was man auf Deutsch als eine „Motte“ oder einen „Nachtfalter“ bezeichnet. Soweit ich weiß, handelt es sich hier aber um einen echten Schmetterling.

Da ich aber Altphilologe bin, war mir selbstredend der Name „Xerxes“ bekannt. So hieß nämlich der persische Großkönig, der am Anfang des 5. vorchristlichen Jh. einen Krieg gegen die abtrünnigen Griechisch sprechenden westlichen Provinzen seines Königsreichs führte. Über diesen Xerxes wird in der griechischen Literatur viel geschrieben. Er wird gern vor allem als Sinnbild des Hochmuts dargestellt. Für die Griechen galt der Hochmut als „tragischer Fehler“.

Man kann über Xerxes sowohl in der Prosaliteratur (z.B. Herodot) wie auch in der dramatischen Literatur (Äischylos) lesen. Eine berühmte Szene – nun vergesse ich, wo sie erzählt wird – zeigt Xerxes mit Peitsche in Hand am Strand des Hellespontes, wie er aufs Meer prügelt, weil seine Schiffe untergegangen sind.

Ob diese Szene der Wirklichkeit entspricht, werden wir nie wissen. Die Griechen erzählten sie aber gern, und Xerxes wurde eine der ersten historischen Figuren, die als tragische Figur diente. Ein ähnliches Schicksal ereilte König Saul im Alten Testament.

Weil ich mich in der griechischen Literatur auskenne, hat mich die Schreibweise von „Xerxes“ im Buch von Frau Guest zuerst stützig gemacht. Hej, habe ich gedacht. Wieso heißt das kleine Viech Xerces und nicht Xerxes. Ich witterte einen Flüchtigkeitsfehler…oder noch Schlimmeres!
Fehlanzeige. Hier trat vielmehr die Überheblichkeit des Altphilologen ins Lampenlicht. Komisch. Man glaubt, wenn man ein so esoterisches Fach wie Altphilologie studiert hat, Kenntnisse zu haben, die anderen vorenthalten sind. Beinahe wollte ich wie Xerxes selbst aufs Buch ob eines vermeintlichen Fehlers lospeitschen.

Letztendlich aber siegte die Vernunft. Schließlich leben wir im Jahr 2022. Von daher habe ich den Vorsitzenden Google gefragt, ob er so etwas wie eine „Xerces-Motte“ kenne. Immerhin heißt seine Firma „Alphabet“!

Lange Leitung, kurzer Sinn: Frau Guest hatte recht. Das ausgestorbene Viech heißt in der Tat „Xerces-moth“. Wissen Sie, warum?

Weil sich diese Vokabel der französischen Schreibart bedient! So einfach ist das.

Ein gutes Gefühl, einen Fehler einzugestehen. Denn nun kann ich dieses neue Jahr mit gutem Gewissen antreten.

Ein gutes Gewissen wünsche ich auch Ihnen liebes lesendes Publikum. Wir werden in diesem Jahr unser Gewissen bestimmt dringend gebrauchen!

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