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„Swatting“ für Anfänger

Vor vielen Jahren, als die Welt noch analog war, und die Menschen harmloser und dummer waren als die heutigen, habe ich manchmal einen bösen Streich gespielt, um Menschen, die mir auf die Nerven gingen, zu ärgern.

Damals lebte ich In Kalifornien, genauer gesagt, in Santa Barbara, also unweit der Villen von Harry und Meghan und Oprah und wie sie alle heißen. Diese Leute waren allerdings noch unbekannt oder noch nicht auf der Welt. Auf der Welt waren allerdings die Mormonen. Und diese moderne christliche Sekte hat damals (wie auch heute) eifrig missioniert.

Nix dagegen einzuwenden. Mich haben sie mit ihrer Lehre einfach nicht überzeugt. In der Hoffnung, sich Interessierten zugänglich zu machen, betrieben die Missionäre damals etwas, das wir heute als „Hotline“ bezeichnen würden. Genauer gesagt: Man konnte eine gewisse Telefonnummer anwählen (notabene: Festnetzzeitalter mit Wahlscheibe) und eine Nachricht hinterlassen, um dann einen Besuch von den Missionären zu vereinbaren.

Da ich über diese Missionsvorrichtung gut informiert war, pflegte ich, wenn mich damals jemand besonders ärgerte, diese „Hotline“ mit folgender Nachricht anzupeilen: „Hallo, mein Name ist XY. Ich habe einiges über die Mormonen erfahren und finde euch toll. Bitte kommt mich besuchen. Meine Adresse lautet…xxxyyy…usw.“

Was dann passiert ist, weiß ich nicht. Ich habe nie über die Konsequenzen meines Streichs erfahren. Ich gehe aber davon aus, dass die Missionäre meinen Feinden tatsächlich einen Besuch abstatteten. Wer weiß? Vielleicht sind manche sogar Mormonen geworden!

Warum erzähle ich dies? Weil ich vor ein paar Tagen erfahren habe, dass es endlich ein Wort – zumindest in der englischen Sprache – gibt, das dieses Phänomen beschreibt. Wie Sie aber bestimmt wissen: Dieses Wort wird sich mit Sicherheit alsbald in der dt. Sprache einbürgern

Der Begriff heißt „Swatting“. Wer „Swatting“ betreibt ist ein „Swatter“ bzw. „SwatterIn“. Und wer diesen Streich praktiziert… man würde sagen, dass dieser Mensch „swattet“. Ist noch kein dt. Verb, aber warten wir’s ab.

Eigentlich bedeutet „swat“ so etwas wie „schlagen“ oder „klatschen“. Man „swattet“ zum Beispiel lästige Fliegen. Der Fliegenklatscher heißt auf Englisch „flyswatter“. Ein „swat team“ bei der Polizei ist eine Einsatztruppe, die mit Brutalität nicht spart.

Ich habe über den neuen Sinn dieses Wortes in der „Washington Post“ (online) gelesen. Sicherlich finden Sie ihn auch, wenn Sie beim Vorsitzenden Google „Washington Post“ und „swatting“ eingeben. Ich habe die Geschichte eines jungen, kriminellen Amerikaners (er war erst 20) gelesen, dessen Geschäft es war, Domain-Namen zu kaufen, um sie für teures Geld umzusetzen. Einmal fand er heraus, dass ein gewisser Herr Herring im Besitz des Domain-Namens „@tennessee“ war. Dem jungen Gauner war es klar, dass er einen Haufen Geld für so einen Domain-Namen einfahren könnte. Der kleine Gangster träumte sogar davon, das Domain billig zu bekommen. Nur: Herr Herring wollte sich partout nicht auf einen Deal einlassen.

Also ist der junge „Swatter“ in Aktion getreten. Es folgten Drohtelefonate, die nix brachten. Dann kamen diverse falsche Anschuldigungen in den „Social-Media“. Manchmal schickte er die Feuerwehr zum Herring-Haus. Manchmal bestellte er Pizzas, die dann bei Herring geliefert wurde. Hat alles nicht geholfen. Herr Herring blieb hart. Natürlich hat ihn die Sache aufgeregt.

Doch nun der Gipfel: Der Swatter bekam Beistand von einem Mitswatter in England. Dieser schaffte es, bei der lokalen Polizei in Tennessee anzurufen, um einen Mordfall im Haus Herring zu melden. Im Nu war die örtliche Polizei vor Ort, und sie klopften mit gezogen Pistolen an der Herring Tür. Herr Herring, 60 Jahre alt, erlebte in dem Augenblick einen derartigen heftigen Schock, dass er auf der Stelle einen massiven Herzinfarkt erlitt und starb.

Tja. Ende der Geschichte. Der junge amer. Swatter muss jetzt für fünf Jahre ins Gefängnis in Tennessee. Er hat sich allerdings entschuldigt. Was mit dem Partner in England geschah, vermag ich nicht zu sagen. Herr Herring kehrt jedenfalls ins Jenseits zurück.

Früher hätte man das „Swatting“ als „to cry wolf“ bezeichnet. D.h.: Man schreit aus Spaß: „Da ist ein Wolf! Hilfe!!“ Wenn aber die Helfer ankommen, sagt man: „Haha. Nur ein Witz“.

Mein Späßchen mit den Mormonen ist wahrscheinlich harmlos im Vergleich. Dennoch war es eine Art Swatting.

Aber genug. Nächstes Mal erforschen wir ein anderes neues Wort. Oder vielleicht doch was ganz anders…

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