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Brief eines letzten Überlebenden auf dem Mars

Lieber Elon,

ich darf Sie Elon nennen, oder? „Mr. Musk“ klingt so förmlich, und in meiner Situation, hungere ich beinahe verzweifelt nach der Informalität. Der letzte Überlebende auf der Mars Mission zu sein, mutet für manche vielleicht wie eine Ehre oder Glücksfall an. Doch um die Wahrheit zu sagen, beneide ich meine Mitreisenden, deren sterbliche Reste ich leider noch nicht unter die Erde…ich meine unter den Boden…hab bringen können. Sie liegen alle miteinander…da draußen.

Womöglich aber brauche ich sie nicht zu…be-„erd“-igen (sprich begraben). Seitdem wir auf die „Squeakies“ stießen, änderte sich unsere (inzwischen nur meine) Perspektive erheblich, was die Möglichkeit von Lebensformen auf dem Mars betrifft. Ja, waschechte Urviecher auf dem Mars, auch wenn diese Squeakies irgendwie eklig klein und schleimig sind. Wie sie diese Quietschtöne von sich geben, konnten wir leider nicht eruieren. Aber der Name „Squeakie“ ist geblieben.

Ich glaube, es war Pamela, die sie so taufte. Sie war leider auch die erste im Team, die gestorben ist. Wer hätte ahnen können, dass sie Corona positiv war und dass sie das Virus so lang hätte inkubieren können (vielleicht wegen der Schwerelosigkeit im Raumschiff?). Und dann zack! Trotz unseres jugendlichen Alters sind alle miteinander krank geworden und – ausgenommen ich – daran gestorben. Beatmungsgeräte findet man leider schwer auf dem Mars. Und wer wäre auf die Idee gekommen, so etwas mitzunehmen! Eine nach der anderen haben wir die Leichen in die sehr eisige Mars-„Luft“ gesetzt…bis nur ich allein übrig blieb. Immerhin: Da ich die Krankheit überwunden habe, bin jetzt immun! Oder vielleicht nur für ein Jahr? Irgendwie habe ich unter Herdenimmunität etwas anders verstanden. Na ja, so ist das Leben. Stets wird man von der Wirklichkeit überholt, nicht wahr!?

Übrigens: Seit ein paar Tagen schnuffeln die Squeakies da herum, wo die Leichen liegen. Bin gespannt, ob sie auf den Geschmack kommen, tiefgefrorenes Menschfleisch zu schnabulieren. Kann man nie wissen.

Sonst hab ich nichts zu meckern. Zu essen hab ich reichlich und ebenfalls zu tun. Einmal die Woche habe ich sogar Gitarrenunterricht über Interskype. Mein Lehrer, Walter, ist sehr geduldig, und ich lerne stets etwas Neues dazu. Trotzdem ein komisches Gefühl, wenn du jemanden siehst und beinahe seine Nähe verspürst, bis es klar wird, dass es keine wirkliche Nähe ist bloß ein Bild auf einem Display.

Trotzdem schneiden wir beide unsere Witze und – zum Glück – habe ich genügend Ersatzsaiten, falls etwas kaputt geht. Es ist dennoch etwas frustrierend, dass wir Duetten nicht spielen können. Das hat aber mit der Zeitversetzung zwischen der Erde und dem Mars zu tun. Die Signale müssen eine lange Strecke zurücklegen.

Auch für die Netflix-Sendungen bin ich Ihnen dankbar. Ich mag gern spannende und unterhaltsame Geschichten. Die letzte Serie, die ich in Netflix gesehen habe, war wirklich großartig. Leider hab ich schon vergessen, wie sie hieß. Natürlich war das Zuschauen viel lustiger, als die anderen noch am Leben waren. Aber immerhin: Man hat was zu tun, nicht wahr?

Ich weiß, lieber Elon, dass Sie sich sehr bemühen, mir ein…wie Sie es so lustig ausdrücken…“Taxi nach Hause“ zu organisieren. Ich mache mir aber keine Illusionen. Ich habe nämlich in den Nachrichten gesehen, dass manche entschieden gegen den Bau dieses Taxis sind, zumal es mittlerweile ein großes Umdenken über den Sinn der Marsbesiedlung gibt. Die Ironie: Ausgerechnet wegen unseres Schicksals denkt man jetzt um! Ja klar: Es geht um die altbekannte Kosten-Nutzen-Rechnung. Ein Leben retten gegen so viel Aufwand usw. Ich verstehe, dass manche so denken. Wie kann man es einem übelnehmen? Im Übrigen hat keiner mit den Squeakies gerechnet. Nebenbei: Möglich ist, dass es auch andere Lebensformen hier geben könnte – auch größere. Einmal behauptete Chuck – es war kurz, bevor er erkrankte – , dass er komische Fußstapfen da draußen entdeckt hatte. Ich selbst habe noch nichts gesichtet. Man kann aber nie wissen.

Oh, und danke für das Porno-Streaming. Ich weiß, dass Sie mir damit nur abhelfen wollten, aber wissen Sie, irgendwie haben diese Pornovideos auf mich eher eine ab- als anregende Wirkung. Es ist ähnlich wie beim Gitarrenunterricht. So nahe und doch so weit, sozusagen.

Wissen Sie, Elon: Die virtuelle Realität ist kaum mit dem echten Leben zu vergleichen. Glauben Sie es mir. Dieser Kontakt auf einem Display – auch wenn die Auflösung wirklich bewundernswert ist (und dafür danke ich herzlich), stimmt mich eher traurig ein, anstatt mich aufzuheitern.

Ja, es wäre wirklich schön, wenn mal ein „Taxi“ kommen könnte. Um das zu realisieren, müssten Sie, befürchte ich, Ihren ganzen Unternehmungsgeist und ihr ganzes Überzeugungsvermögen einsetzen. Denn es wird nicht billig sein, mich nach Hause zu holen.

Andererseits: Käme ich nach Hause, könnte ich bestimmt ein Buch (wenn nicht mehrere) über meine Erfahrungen schreiben und dann überall in den Medien auftreten. Das wäre bestimmt ein lohnendes Geschäft….oder?

Bleiben Sie gesund, Elon, und lassen Sie von sich hören.

Beste Grüße vom wilden Mars

Bradley

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