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Darf ein Laden „Golden Face“ heißen?

Auf dem Weg zum Supermarkt bin ich gestern auf einen Laden gestoßen, der mir bisher gar nicht aufgefallen war: „Golden Face“, hieß er. Es handelt sich um eine Kosmetik-Geschäft.

Ein passender Name für den Kosmetikbetrieb…oder?

Gestern war ich nicht so ganz überzeugt.

Meine spontane Reaktion: Ach du lieber. Schon wieder ein Geschäft mit trendy englischem Namen. Eigentlich weiß ich schon lange, dass ich, wenn Englisch in Werbetexten oder im Namen eines Produkts steht, nicht die eigentlich Zielgruppe bin.

Mit „ich“ meine ich nicht mich, den Sprachbloggeur. Schließlich ist Englisch meine Muttersprache. Wenn sich also jemand mit englischsprachigen Vokabeln angesprochen fühlen sollte, dann ja selbstverständlich ich.

Mit „ich“ meine ich Menschen, die mehr oder weniger das 50. Lebensjahr überschritten haben.

In der Werbeindustrie dient Englisch längst als Signalsprache. Wer unter 40 ist, fühlt sich gleich angesprochen. Hab ich 40 gesagt? Ja, die Grenzen der Jugend gehen immer weiter in die Verlängerung. Vielleicht gibt es doch mal wieder eine Chance, dass auch ich mal als jung erachtet werde!

Englisch klingt „hip“, „cool“, „young“ usw. Das wissen die Leute in der Werbebranche ganz genau.

Zugegeben: Auch die Werbefritzen machen mal Fehler. Zum Beispiel damals mit dem Douglas-Werbespruch, wo es hieß: „Come in and find out“. Erinnern Sie sich noch?

Manche aus der Zielgruppe hatten es wohl auf der Schule versäumt, Englisch zu büffeln und gingen lieber in die Disko oder auf eine Party oder probten Comasaufen usw. Denn diverse hip, cool, younge Menschen haben das mit „come in and find out“ gar nicht richtig kapiert.

Das „come in“ war sicherlich easy. Hallo, willkommen! Come in. Aber “find out”? Das haben die Schüler mit den schlechten Noten in Englisch mit „finde wieder raus“ übersetzt anstatt mit „entdecke“. Denn „to find out“ bedeutet „entdecken“, „mitbekommen“ usw.

Wie gesagt: Obige Story kennen Sie wahrscheinlich schon. Vor sieben Jahren war es aber der letzte Schrei. Alle haben gelacht. Haha. Das war aber damals, und solche Dinge werden schnell wieder vergessen.

Anyway, ich habe das mit Douglas nur deshalb erwähnt, um die Strategie der Werbefritzen genauer zu veranschaulichen.

Aber jetzt zurück zum „Golden Face“. (Vielleicht wird jemand vom besagten Laden auf diese Glosse stoßen. Kann man nie wissen. Das WehWehWeh ist voller Überraschungen).

Als ich gestern auf „Golden Face“ gestoßen bin, hab ich spontan gedacht: Hmm. De AutorIn dieses Ladennamens war mit Sicherheit kein native speaker.
Warum hab ich das gedacht?

Irgendwas hat mich an den Namen auf der Stelle nicht gefallen. Es kam mir – wie soll ich’s sagen? – vom Sprachrhythmus her holprig vor. Übrigens: Der native speaker – wenn er nicht ganz ungebildet ist – denkt sofort an „golden fleece“ – zu Deutsch „goldenes Vlies“, so der Name des kostbaren Fells, nach dem der mythologische Held Jason mal gejagt hatte. Golden Face – golden fleece. Sie sehen: Die zwei Begriffe fließen ineinander, wenn man Englisch denkt. Solche assoziative literarische Querverweise nennt man übrigens „Intertextualität“.

Doch wie schon gesagt: Etwas mit dem Sprachrhythmus hat mich irritiert. Ich hab gleich überlegt: Vielleicht wäre „Face of Gold“ schöner.

Klingt eigentlich nicht schlecht, „Face of Gold“.

Zumindest mir. Fürs deutsche Ohr hört sich „Golden Face“ vielleicht doch besser an.

Das war jedenfalls gestern. Heute bin ich komischerweise wieder unschlüssig geworden. Typische Nebenerscheinung, wenn man lektoriert. Auf einmal ist man seiner Sache nicht mehr sicher. Auf einmal kann ich zwischen „golden face“ und „face of gold“ nicht mehr so genau unterscheiden. O je.

Vielleicht ist „Golden Face“ doch in Ordnung, denk ich heute. Und Morgen? Wie klingt es für mich morgen? Keine Ahnung.

He, Sie sind die Deutschen. Ihnen stört „Golden Face“ als Name eines Geschäfts wahrscheinlich gar nicht. So ein Glück…

Ach du lieber. Schon wieder eine Kleinigkeit über die, man viel erzählen kann. Fehlt nur noch das Happyend…

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