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Der Tod des Paradieses – Nein, nicht tot im Paradies

Über einen Tod zu berichten, ist (meistens) eine traurige Sache (außer, wenn einer wie Assad etc. an geronnenem Blut erstickt).

In diesem Fall – sprich Todesfall – schlägt die Sache schwer zu Buche: Das Paradies ist gestorben.

Treue Leser dieser esoterischen Glosse ahnen bereits, worum es hier geht. Neulinge (hallo und willkommen!) fragen sich: Wie kann das Paradies sterben? Ein Mensch stirbt…aber das Paradies?

Nun schmunzelt der erfahrene Leser, die erfahrene Leserin (oder wird mit dieser zähflüssigen Einleitung ungeduldig).

Die Rede ist von einem Obstundgemüseladen namens „Paradies“, der in dieser Glosse oft thematisiert wurde. Googelt man unter „Sprachbloggeur“ und „Paradies“ wird man ausreichende Beispiele finden.

Ja, liebe Kenner und Kennerinnen, heute gebe ich kund, dass das „Paradies“, seine Türe für immer geschlossen hat.

Kein Paradies mehr. Frau M., die Chefin, hat das Handtuch geworfen. Jenen talentierten Kundenbetreuerinnen, Frau M., Frau B. und Frau O. wird man nur noch per Zufall auf der Straße begegnet sein.

„Die Kundschaft stirbt uns weg“, erklärte mir Frau M. „Und die Baustellen und neue Leute in den Luxussanierten Häusern interessieren sich nicht fürs Paradies. Manche wohnen nicht einmal in deren neuen Luxuswohnung. Sie haben es als Investment gekauft oder um Geld zu waschen…wos woaß i? Und dann, falls die Stadt tatsächlich die grüne Straßenbahn baut, wird wieder eine große Baustelle über etliche Jahre entstehen, und es wird wieder noch weniger Kunden geben.“

Willkommen im 21. Jahrhundert, liebe Lesende. Nun sind wir doch endlich richtig gelandet. 20. Jahrhundert ade. Viele irdische Neubürger kennen das vorige Jahrhundert nicht einmal.

„Schade ums Paradies“, sagt der Alte auf der Straße, der mich gestern begrüßt. „Es war mehr als ein Obstundgemüseladen“, sagt er. „Es war ein Kommunikationszentrum. Man hat dort Sachen erfahren, die uns alle in der Gegend betrafen. Schauen Sie, das Leben wird immer anonymer. Die Leute, die die Wohnungen in der Luxusbaute gekauft haben, werden kaum da sein – nur vielleicht, um ihre Sommer- oder Winterfrische zu verbringen. Geldwäsche schwemmt viel Geld in die Stadt, macht zugleich alles kaputt.“

Das sagt er mir, als wir uns zufällig auf der Straße begegnen. Wir haben uns oft im Paradies gesehen. Man kaufte Erdbeeren oder Salat oder Nüsse oder Blumen dort, und man ratschte ein wenig. Meistens nahm auch Frau M. daran rege teil. Hätten der Alte und ich uns nur auf der Straße immer wieder gesehen und nie im Paradies, wäre es höchstens zu einem freundlichen, anonymen Nicken gekommen.

Ja, liebe Lesende, nicht nur meine Straße: Es könnte auch mal Ihre Straße werden. So sind nun mal die Zeiten.

Frau K. vom Zeitungsstand sieht die Lösung darin, ein Einparteisystem zu gründen, damit nur eine Partei – ohne Opposition – zwei Jahre regiert und vernünftige Gesetze durchpowert.

Ich bin nicht ihrer Meinung. „Was ist“, frage ich, „wenn diese eine Partei während dieser zwei Jahre ein Gesetz verabschiedet, dass der Partei erlaubt, nicht zwei, sondern zwanzig Jahre im Amt zu bleiben? So was hat Herr Xi in China gemacht.“

Frau K. lässt sich nicht umstimmen. Sie mag keine Korruption, keine Vetternwirtschaft, und sie sehnt sich nach einer funktionierenden Alternative.

Das Paradies stirbt überall, und viele denken wie Frau K.

Ja, lieber Leser, liebe Leserin, nun sind wir endlich im 21. Jahrhundert angekommen. Es ist eine Zeit, wo das Paradies überall zumacht.

PS Bin nicht so ein Pessimist. Später wird alles wieder gut…Ehrenwort!

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