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Selfness! Selfness??!!

Ich kenne Matthias Horx nicht, bin aber überzeugt, dass er ein aufrichtiger Mensch ist. Ich bin heute auf seinen Namen gestoßen, weil ich vor ein paar Tagen auf eine mir neue von ihm erfundene Vokabel gestoßen bin: Selfness.
„Was soll es bedeuten?“ fragte ich meine Frau, die mir darauf aufmerksam gemacht hat.

„Es ist ein neues Angebot der Hotels…so was wie ‚wellness‘.“

„Ein dummes Wort“, sagte ich.

„Warum musst du immer alles schlechtmachen?“

„Und was soll es bedeuten?“ fragte ich.

„Dass man im Urlaub Gelegenheit hat, in Kontakt mit seinem Selbst zu kommen. Was ist dabei schlimm?“

Klar. Sie hat recht. Was ist dabei schlimm, das eigene Selbst zu entdecken? Traum eines jeden halbwegs bewussten Menschen…oder? Aber Selfness?

Obiges Gespräch war der Anlass für meine Internetrecherche. Welch Segnung das Googeln! Früher hätte ich in die Bibliothek fahren müssen, durch endlose Katalogen wühlen, und womöglich hätte ich trotzdem nix gefunden, weil der Begriff zu neu wäre. Google sei dank vermag man innerhalb Sekunden von Ahnungslosen zum Experten zu mutieren.

Folgendes hab ich herausgekriegt:

Publizist Horx hat den Begriff 2002 aus dem Boden gestampft…und es hat offenbar Feuer gefangen, wohl aber nicht in meiner Nähe…zumindest bis jetzt nicht.

Aber warum stößt dieses Selbstnis bei mir so sauer auf?

Wahrscheinlich, weil ich Englisch Muttersprachler bin. Fakt ist: Kein Mitmuttersprachler wäre je auf die Idee gekommen, dieses Wort im obigen Sinn aus der unerschöpflichen Vokabelsuppe der engl. Sprache aufzukochen. Denn er (sie) wüsste, dass der Begriff nicht gut ankommen würde. Warum nicht? Weil der Muttersprachler im Wort „selfness“ andere, bereits existierende Vokabeln mitschwingen hört. Zum Beispiel „selfishness“, also „Selbstsucht“.

Noch tückischer: „selflessness“. Zu Deutsch etwa: „Selbstaufgabe“.

Tückisch, weil, angesichts des bereits existierenden „selflessness“ müsste „Selfness“ dessen Gegenteil sein! müsste also „Selbstsucht“ bedeuten... gleichbedeutend also mit „selfishness“.

Oder noch ein Problem: „Self“ auf Griechisch (notabene: aus dem Griechischen kreiert man die vornehmsten Vokabeln in den europ. Sprachen wie z.B. Synkope, Epidemie usw.), lautet „autos“. Ein „Automobil“ ist ein sich selbst-bewegender Gegenstand“. Überträgt man „selfness“ wörtlich in griechische Wortelemente, so entsteht …“autismos“. Sie kennen dieses Wort in der Form „Autismus“.

Ist das(?) „Selfness also eine Art Autismus? Das ist bestimmt nicht im Sinne der Selfisten.

Nebenbei: Das lateinische Wort für „selbst“ lautet „ipse“. Will man daraus ein lateinisches Abstraktum konfigurieren, entsteht die Vokabel „Solipsismus“. Auch das wäre nicht im Sinn der Selfisten. Denn der Solipsismus ist ein „Auf-sich-bezogen sein“.

Klar: Herr Horx hat sicherlich an „Wellness“ gedacht, als er „selfness“ aus der Taufe gehoben hat. Und sein Neologismus klingt auf Deutsch beim ersten Blick in der Tat pfiffig.

Ich frage mich aber, ob das Wort im anglosächsischen Bereich jemals zum Schlager werden könnte.

Heute ist alles möglich. Oder?

Oder vielleicht nicht. „Handy“ hat es nicht geschafft, die Sprachgrenze zu überschreiten – auch wenn es aussieht wie ein engl. Wort. Ebensowenig „Shitstorm“. Letzteres bedeutet für Muttersprachler eine heftige Rüge unter vier Augen. (Darüber hab ich mal eine Glosse geschrieben). Auf Englisch sagt man „firestorm“, um das auszudrücken, was mit dem dt. „Shitstorm“ gemeint ist.

Wellness und Selfness wünsche ich dennoch alles Gute. Gleiches gilt für die Hotels, die diese interessanten Dienste anbieten.

PS: Zum Glück hab ich vergessen über die "Selfies" zu schreiben!

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