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Über meine Unmünze

Fangfrage, liebe Deutsche: Wann ist ein „Ding“ kein Ding? Wenn es …vielleicht…ein „Unding“ ist?

Natürlich nicht. Ein „Unding“ ist - das weiß jeder - unabdingbar ein „Ding“, ebenso wie ein „Unstern“ ein „Stern“ und ein „Unmensch“ ein „Mensch“ ist.

Hilfe! Wie sollen sich Migrantler jemals integrieren, wenn sie diese dt. Sprache derart schikaniert? Eine Unsprache, sog i. Ich meine: Nur auf Deutsch ist es möglich, eine Sache zu verneinen, ohne dass es verneint wird. Nur auf Deutsch kann eine Wetterfront als „Unwetter“ bezeichnet werden…und nur auf Deutsch, wäre es zumindest theoretisch möglich, gewisse Münzen als „Unmünzen“ zu beschreiben. Zugegeben: Dieses Wort existiert nicht. Aber jeder Deutsche wüsste trotzdem, was damit gemeint ist. Aber genug des Jammerns. Nun möchte ich Ihnen von meiner Unmünze erzählen…

Ich war vor einer Woche auf einem kleinen, intimen Flohmarkt, der gelegentlich um die Ecke von mir stattfindet. Auf der Auslage einer mir bekannten Händlerin erspähte ich eine Münze, was mich sehr überraschte, da die Händlerin sonst nur asiatische Waren verkauft (hübsche Dinge übrigens). Bald stellte ich fest, dass es sich um einen sogenannten US-„Trade Dollar“ handelte.

Die Münze war mit der Jahreszahl 1876 und mit Prägeort „CC“, also Carson City (Bundesstaat Nevada) versehen.

„Woher haben Sie die Münze?“ fragte ich etwas erstaunt.

Sie zuckte kurz mit den Achseln. „Nehmen Sie sie“, sagte sie. „Ein Geschenk von mir.“

„Nein, das kann ich nicht akzeptieren…“

„Doch, ich bestehe darauf.“

Okay. Sie konnte mich überzeugen. Ich bedankte mich und nahm die geschenkte Münze mit.

Zuhause googelte ich unter Stichwort „Trade Dollar 1876 CC“, und bald war ich bestens informiert über meine Münze.

Ich erfuhr, z.B., dass im Jahr 1876 ca. 500.000 dieser Münzen in zwei Ausführungen, die sich nur geringfügig voneinander unterschieden, geprägt wurden. Meine stammte aus der ersten Prägung.

Heute seien nur noch ca. 1500 im Umgang.

Und dann las ich: Als diese Münzen im 19. Jh. nach China gelangten, wurden sie ob ihrer Schönheit sehr beliebt und von daher häufig gefälscht.

Und meine? fragte ich mich jetzt: Ist sie echt oder unecht? Einiges sprach dafür, dass sie echt wäre, zumal ich gelesen hatte, dass diese Münzen 27,2g wogen. Mein Exemplar schien so viel zu wiegen. Auch die Details auf der Münze kamen wir - verglichen mit Fotos - echt vor. Und schließlich: Wenn ich sie fallen ließ, klingelte sie einigermaßen. Das war ein gutes Zeichen, denn das tun auch Silbermünzen.

Wäre die Münze echt, wusste ich inzwischen, dank Onkel Google, hätte sie einen Wert von ca. 400-500 Euro. Natürlich wurde ich nun immer neugieriger.

Am nächsten Tag, bin ich mit meiner hübschen Münze zu einem mir bekannten Numismatiker gegangen, der seinen Laden unweit von mir betreibt. Er nahm das gute Stück in die Hand, schaute es liebevoll an. „Sieht schön aus“, sagte er. „Gutes Gewicht.“ Doch dann nahm er sie etwas genauer unter die Lupe, während er mit sich redete. Ich hörte, wie er etwas von den flauen Denticles und den flauen Details murmelte. Nun schaute er mich an: „Zu neunundneunzigkommaneunprozent eine Fälschung“.

„Wieso können Sie so sicher sein?“ fragte ich.

„Wenn ich das nicht wäre, dann bin ich im falschen Beruf. Die Münze stammt aus Spanien, wurde außerdem nicht geprägt, sie kam aus einem Guss.“

Am Schluss legte er sie auf die Waage. „Wie viel soll sie wiegen?“

„Siebenundzwanzigkommazwei“, antwortete ich.

„Diese wiegt genau siebenundzwanzig.“

„Ist sie aus Silber?“

„Versilbert vielleicht, aber wahrscheinlich eine Kupferlegierung…“

„Aber sie ist trotzdem hübsch“, sagte ich.

Keine Antwort…

Fazit: Meine Münze ist eine echte Unmünze…eine schöne Unmünze, aber das Ding wurde im Nu zum Unding.

In eigener Sache: Der Sprachbloggeur macht eine Woche Pause. Ab in die Forschungsreise.

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