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Wie sagt man „Arsch“ auf Deutsch (oder die Kunst des Übersetzens)

Unehrliche Politiker und Beamte aufgepasst. Der Pechsee droht.

Wir befinden uns– nach Dante – im fünften Ring der Hölle.

Alles, was einem zu Lebzeiten an den Fingern geklebt hat, mutiert hier zu einem schwarzen Gebräu, in dem man meistens kopfunter befestigt bleibt. Pech gehabt (haha). Wer es wagt, die Oberfläche zu erstreben, wird von äußerst unfreundlichen Dämonen, die mit großen Mistgabeln ausgerüstet sind, traktiert und wieder nach unten gedrängt.

Doch kein Weilen bei den Gequälten heute. Vielleicht ein anderes Mal. Mich geht es um die Übersetzer. (Auch sie riskieren die Hölle).

Erst Folgendes: Dantes „Göttliche Komödie“ ist ein unterhaltsames und zum Teil sehr lustiges Werk. Das merkt man nicht immer, weil die Witze aus einem fernen Zeitalter stammen. Nur der Klamauk springt einem noch in die Augen.

Kurz zur Handlung unserer Stelle: Der Erzähler (Dante) und sein Führer durch das Inferno, Vergil, brauchen die Hilfe der oben erwähnten Quälgeister, die im fünften Ring das Sagen haben, um weiter in den sechsten Ring zu kommen. Die Teufel bieten schier begeistert ihre Hilfe an, und geben ihrem Kommandanten das Signal ihrer Bereitschaft.

So klingt es im Italienischen des Spätmittelalters, wenn ein jeder Teufel dem Hauptmann gegenüber den Marsch bläst:

Ed elli avea del cul fatto trombetta. Wörtlich: “Und er machte aus seinem Arsch eine Trompete.”

Schön derb für unsere Ohren. Doch was machen diverse Übersetzer daraus?

Wir fangen mit einer deutschen Übersetzung aus der Mitte des 19. Jahrhundert an, von „Philalethes“ (Liebender des Vergessens). Hinter diesem Pseudonym steckt übrigens Johannes, König von Sachsen (1801-1873), der es neben seiner uferlosen Verwaltungsarbeit schaffte, eine großartige Übersetzung dieses Werkes anzufertigen. Hier seine Handhabung des Arsches, der Trompete wird:

Und der gebraucht den Hintern als Trompete.

Schön schlicht, meine ich. Dazu hat es seine Hoheit geschafft – wie Dante – die Betonung dieses Satzes auf „Trompete“, zu setzen. Allerdings macht Philalethes „cul“ (im heutigen Italienischen „culo“) zu einem „Hintern“. Geht das? Oder war er zu prüde „Arsch“ zu schreiben? Vielleicht. Andererseits: Wie klang „Hintern“ mitten im 19. Jahrhundert in den Ohren der Leser? Derb? Oder grenzwertig? Und wie klang „cul“ im 14. Jt. besonders grob oder nur ein bisschen unflätig? Ich weiß die Antwort nicht.

Aber weiter. Hier nun eine Übersetzung von August Vezin (1879-1963), seinerzeit einem angesehenen dt. Philosophen und Literaten. Seine „Göttliche Komödie“ erschien 1926. Vezin hat sich sogar die Mühe gemacht, das Werk in „terza rima“, ins Versformat also, das auch Dante verwendete, zu übertragen. Hier nun die letzten vier Zeilen vom Canto XXI:

Nun steckten sie aus breitem Maul die Zungen
Dem Hauptmann zwinkernd zu, zum Fürdermarsche
Bereit. Und Jener rief: „Linksum, ihr Jungen!“
Und gab das Marschsignal mit seinem…

Clever, das mit dem punktpunktpunkt. So kommt jeder auf seine Kosten – auch die Zensur.

Aber weiter: Als Kontrast nun eine neue, wortwörtliche Prosaübersetzung des bekannten Mediävisten Kurt Flasch (geb. 1930). Zum besseren Verstehen der ganze Satz:

Aber vorher hatte jeder zum Abschied von ihrem Führer die Zunge herausgestreckt, die Zähne gefletscht und aus seinem Hintern eine Trompete gemacht.

Nüchtern und genau – und der Akzent bleibt wie bei Dante (und Philalethes) auf „Trompete“. Nur wieder die Frage: Ist ein „Hintern“ ein „cul“?

Letztes Angebot: aus einer (meiner Meinung nach) sehr schönen englischsprachigen Übersetzung (1983) des amerikanischen Romanisten und Lyrikers Allen Mandelbaum (1926-2011):

And he had made a trumpet of his ass.

Ausgesprochen derb fürs englische Ohr. Bloß: Mandelbaum betont den „ass“ und nicht – wie bei Dante die „Trompete“. Vielleicht aus sprachrhythmischen Gründen (obwohl: „and he made his ass into a trumpet“ hätte, meine ich, auch funktioniert). Immerhin hat der Satz die Schlichtheit des Originals.

Tja, ich bleibe letztendlich sprachlos. Daher mein Fazit: Man liest etwas im Original oder man nimmt lauter Kompromisse in Kauf.

Aufgepasst unehrliche Politiker und Beamte…etc.

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