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Der Fall Elliot Rodger, z.B.: Wie ein Mensch zu einem Wort werden kann

Ungern instrumentalisiere ich das Unglück anderer. Diesmal aber mache ich eine Ausnahme – aber nur der Sprache zuliebe.

Vielleicht haben Sie schon über Elliot Rodger erfahren: in der Zeitung, im Netz oder Fernsehen, bei Twitter, Facebook usw.

Elliot war eine 22jährige Zeitbombe, der in einem Küstenstädtchen namens Isla Vista im südlichen Kalifornien lebte, wo er schließlich in die Luft ging.

Zufällig kenne ich Isla Vista, weil ich, als ich in seinem Alter war, ebenfalls in dieser regen Studentenstadt neben der University of California at Santa Barbara lebte und – wie Elliot – an der Uni studierte. Ein ganzes Städtchen nur für junge Menschen. Man kann sich vorstellen, wie es dort zugeht.

Zeitbombe Elliot Rodger fühlte sich aber ausgeschlossen. Er war verklemmt, schüchtern, nahm nicht am dortigen lustigen Geschehen teil.

Seinem Frust, seiner Einsamkeit hat er im Lauf der letzten Monate in ca. zwei Dutzend YouTube Videos Luft gelassen.

Drei davon schaute ich mir neulich an. Mehr wäre zu viel gewesen. Zu unheimlich war das. Elliot beklagte sich darüber, dass er kein Glück bei den Frauen hatte. Er würde von ihnen gar nicht wahrgenommen, was er partout nicht verstünde: Immerhin sei er gutaussehend, intelligent, charmant, weit gereist, wortgewandt usw. Er wütete gegen die „ungelenken Idioten“, die mühelos die hübschen Frauen bekamen. Er werde sich aber rächen, verkündete er recht deutlich.

Man muss kein Menschenkenner sein, um festzustellen, dass Elliot Rodger sehr sehr gestört war. Wenn ich eine Frau gewesen wäre, hätte ich bestimmt einen Bogen um ihn gemacht. Dass er trotzdem drei Schusswaffen in Kalifornien – auf legale Weise – erwarb, erwähne ich hier nur nebenbei.

Denn er brauchte keine Schusswaffen. Als die Bombe losging, tötete er als erstes seine drei Mitbewohner – nur mit einem Messer. Er wäre sicherlich auch ohne Pistolen in der Lage gewesen, noch weiter so metzeln.

Doch er hatte seine Pistolen und kurvte mit ihnen nach den ersten Morden gemächlich durch die ruhigen Straßen Isla Vistas. Währenddessen schoss er wahllos aus dem Fenster auf wildfremde Menschen, männlich und weiblich – alle in seinem Alter.

Am Ende trafen die Sheriffs ein. Es gab eine filmreife Verfolgungsjagd, und bald jagte sich Elliot Rodger eine Kugel durch den eigenen Kopf.

Ich erzähle diese Trauergeschichte– wie anfangs erwähnt – nur der Sprache zuliebe.

Über Massenmorde werden täglich berichtet. So viele, dass man kaum mehr Notiz nimmt: Selbstmordattentäter in Bagdad oder Kabul, fanatisierte Schlachter in Nigerien usw.

Der Fall Elliot Rodger ist dennoch anders: vielleicht, weil der Blutrausch in YouTube wochenlang angekündigt wurde. Zudem handelt es sich um einen Mörder mit einem nicht unattraktiven Gesicht. The boy next door. Und dieser nette Nachbarjunge erschien schüchtern, ruhig, harmlos. Wer seine Videos nie sah, würde kaum ahnen, dass es sich um eine tickende Bombe handelte.

Der Fall Elliot Rodger sorgt momentan für viel Aufsehen in den USA – insbesondere unter Jugendlichen, die die Sache bei Twitter und Facebook rege diskutieren. Obendrein halten ihn manche Frauengruppen für beispielhaft als Frauenhasser. Andere wiederum zeigen Verständnis für sein blutiges Ausrastern. Letztendlich aber denkt man bei Elliot Rodger an eine Gruselfigur aus einem Horrorfilm (lang werden wir auf die Filmversion sicherlich nicht warten müssen). Er ist jemand, dem man weder tags noch nachts auf der Straße begegnen möchte.

Deshalb rechne ich bald mit einem neuen Begriff – zumindest in der Jugendsprache. Zuerst auf Englisch und dann wohl als Lehnübersetzung fürs deutsche Sprachgebiet. Junge Amerikaner werden sagen „to elliot somebody“ oder „to rodger somebody“ (etwa: „Man, is that dweep going to elliot/rodger us tonight?“). Noch weiß ich nicht, ob der Vor- oder Nachname gebraucht wird. Fürs Deutsche zöge ich jedenfalls den Nachnamen vor. Klingt schöner fürs deutsche Ohr: „rodgern“ (z.B.: „Dein Freund ist mir etwas unheimlich, weißt du. Bist du sicher, er wird uns heute Abend nicht rodgern?“).

Momentan nur eine Vermutung meinerseits. Doch warten wir es ab.

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