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Alles, was Sie über die Bigotterie wissen müssen

Fangen wir mit dem bemitleidenswerten Gordon Brown an. Falls Sie zufällig Außerirdischer sind und dies Ihr erster Besuch in Europa ist: Brown ist (noch) Premierminister von Großbritannien, einem Inselländchen ein bisschen westlich von Köln.

Aber zurück zu Mr. Brown. (Achtung, Englischlernende: Wir Amerikaner setzen nach der Abkürzung „Mr.“ stets einen Punkt, die Engländer tun das nicht. So kann man gleich erkennen, ob man es mit einem amerikanischen oder einem britischen Text zu tun hat. Außerdem ist die Aussprache unterschiedlich).

Vielleicht haben Sie letzte Woche gelesen, dass sich Kandidat Brown – im UK wird bald gewählt – mit einer Wählerin auf einer Straße in Rochdale, England (Noch nie davon gehört? Liegt nicht weit von Healey) unterhalten hatte. Die Rentnerin, Gillian Duffy, eine Anhängerin von Labour, Browns Partei, stellte plötzlich unbequeme Fragen – zum Beispiel über Studiengebühren und Immigration. Politiker Brown versuchte die unbequemen Fragen, so gut es ging, zu entschärfen mit Fragen über Duffys Enkelkinder – das macht jeder Politiker – , bevor er die lästige Wählerin endlich abhängen konnte.

Dann stieg er in seinen Wagen und beklagte sich, dass er sich auf ein Gespräch mit einer derart „bigotted“ Person habe einlassen müssen. Was er nicht wissen konnte: Ein Fernsehmikrofon nahm seine private Schimpftirade auf. Es folgte, was die englische Presse nun „bigotgate“ nennt. Erfinderisch sind die Journalisten allemal.

„Bigotted“.

Das Wort wurde in der deutschen Berichterstattung mit „borniert“ wiedergeben. Das klingt sinvoll, ist leider sehr an den Haaren herbeigezogen. „Borniert“ und „bigotted“ sind, wie die deutsche Redewendug so bildlich sagt, zwei paar Stiefel. Die FAZ versuchte es dann mit „bigott“. Doch auch sie hat sich in der Sache arg verstiefelt.

Ja, liebe Sprachenvernarrten, hier haben wir es wieder einmal mit einem der vielbeschworenen „falschen Freunde“ zu tun. Was sind „falsche Freunde?“ Ganz einfach: Das sind Leute die, wenn Sie bei „Facebook“ sind, an Ihrer „Türe“ klopfen. Nein, ich mache hier nur einen schlechten Witz.

Bei den „falschen Freunden“ handelt es sich um Wörter aus zwei (oft verwandten) Sprachen, die zwar ähnlich klingen, aber unterschiedliche Bedeutungen haben. Gern gegebenes, lustiges Musterbeispiel ist die deutsche (und englische) Vokabel „Mist“. Auch „bigotted“ und „bigott“ sind „falsche Freunde“.

Jemand gilt im Deutschen als „bigott“, wenn er engstirnig ist, vor allem in Glaubensfragen. „Borniert“ bedeutet Ähnliches. Im Deutschen kann man allerdings auch im Bezug auf nichtreligiöse Dinge „borniert“ sein. Etwa die Politik.

Nur: Wir Englisch-Muttersprachler meinen mit „Bigotted“ etwas ganz  anders. Dieses Wort bedeutet für uns schlicht und einfach „rassistisch“ – im weitesten Sinn. Man kann „bigotted“ sein gegen Rassen, Kulturen und Religionen.

Und gerade das meinte Pechvogel Brown, als er über Ms. Duffy herzog. Es ging ausschließlich um ihre Einstellung zu Ausländern. Mag sein, dass die auch borniert und bigott war. Das war aber nicht maßgebend.

Alas and alack. In Großbritannien ist aber Wahlkampf. Wenn man keine triftigeren Argumente hat, um den Premierminister dieses maroden Ländchen westlich von Köln abzusetzen, dann hilft stets ein saftiges Skandälchen.

Was wirft man Brown vor? Ganz klar: Er hat das Schlimmste getan, was ein Politiker tun kann: Er hat die Wahrheit gesagt.

Aber genug der Miseren des (noch) Premierministers. Jetzt erkläre ich, woher dieses Wort „bigot“ bzw. „bigott“ kommt. Es taucht zum ersten Mal auf, kurz nachdem die Normannen England erobert haben. Notabene: Die Normannen haben damals Altfranzösisch, die Engländer Angelsächsisch gesprochen. Offenbar haben die entsetzten Angelsachsen damals des öfteren „bi God!“ ausgerufen. Auf Neuenglisch würde man „by God!“ sagen, auf Französisch „mon Dieu!“, auf Deutsch „Ach du meine Güte!“. Damit wollten sie wahrscheinlich lediglich auf sanfte Art wegen der Eroberung Dampf lassen, ohne den Kopf gleich in die Schlinge zu halten.

Die Franzosen nahmen jedenfalls Notiz von diesem ständigen „bi God!“. Bald bezeichneten sie die besiegten Fremdsprachler – scherzhaft – als „les bigots“.

Jetzt habe ich Ihnen alles zum Thema erzählt. Nur ein letzter Punkt: Wissen Sie, wie man “zwei Paar Stiefel“ auf Englisch sagt? Darauf kämen Sie nie: „a horse of a different color“. Und jetzt sagen Sie Mr. Brown „byebye“.

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