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Gespräch mit meinem Ammoniten

Ich habe meinen Ammoniten „Schnecki“ genannt.

Ich gebe zu: Der Name ist nicht besonders original. Ich habe ihn aber so genannt, weil Ammoniten irgendwie schneckenähnlich aussehen.

Ich habe „Schnecki“ vor ein paar Tagen auf den „Mineralien Tagen“ in München preiswert erworben. Damals erfuhr ich, dass Ammoniten zeitgleich mit den Dinosauriern ausgestorben sind.

Mein „Schnecki“ stammt aus Sengenthal im Oberpfalz. Er ist also Bayer – Urbayer sogar. Eigentlich ist er eine Garantiana. So hieß eine Unterart der Ammoniten. Als er in Sengenthal hauste – oder was auch immer dieser Ort damals für einen Namen hatte – , war die Gegend wohl ziemlich unter Wasser. Ammoniten sind nämlich Wassertierchen.

Ich finde es sehr aufregend, dass „Schnecki“ bei mir wohnt. Wie oft hat man einen Hausgenossen, der während der Jurazeit zeitgleich mit den Dinosauriern lebte?

„Erzähle mir von den Dinosauriern, lieber Schnecki“, sagte ich.

Und stellen Sie sich vor: Er hat geantwortet. Ich weiß, dass viele Leser mir nicht glauben werden, dass er gesprochen hat. Es stimmt aber. Schnecki hat wirklich geantwortet. „Was ist zu erzählen?“ sagte er. „Sie waren groß, zum Teil brutal und sehr dumm.“

„Wurdest du jemals von einem Dinosaurier angegriffen?“

„Ich persönlich? Nein, jedenfalls nicht direkt. Das Problem war: Sie nahmen überhaupt keine Notiz von uns. Sie dachten nur an sich selbst. Sie waren stets auf der Suche nach etwas zu vertilgen. Und weil sie ständig im Wasser herumstampften, brachten sie uns kontinuierlich in Gefahr. Wir Ammoniten sind nämlich nicht besonders schnellfüßig. Ich kannte persönlich viele Artgenossen, die von ihnen aus purer Rücksichtslosigkeit zerdrückt wurden. Dinosaurier hatten nur sich selbst im Sinn. Das hat sich aber gerächt, mein lieber Scholli. Und ob!“

„Inwiefern?“ frage ich.

„Sie waren so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie durch ihre blinde Herumstampferei Unmengen von Kleintieren plattmachten. Das wurde ihnen aber zum Verhängnis. Ein Beispiel: Wir Ammoniten haben winzige Flöhe gefressen, die für Dinosaurier gefährlich waren, weil ihr Biss Krankheiten übertrugen. Aber: Da sie so viele von uns zerstampft hatten, konnten sich diese Flöhe fast ungebremst vermehren. Schließlich machten sie den Dinos die Hölle heiß. Hast du jemals einen Dinosaurier sterben sehen?“

„Nein.“

„Das war ein Anblick: ein Dino so groß wie das Deutsche-Bank-Hochhaus in Frankfurt trottet gedankenlos entlang, bleibt kurz stehen – wenn man ihn in die Augen schaut, merkt man, dass ihm jeder Verstand fehlt – und plötzlich fällt er tot um. Einfach so. Das fühlt sich an wie ein Erdbeben.“

„Hat niemand versucht, ihnen die Gefahr ihrer Rücksichtslosigkeit zu verdeutlichen.“

„Aber sicher.“

„In welcher Sprache, übrigens?“

„Ich weiß, die Sprachen interessieren dich sehr, lieber Sprachbloggeur. Ich kann dir aber nur wenig über unsere Sprache erzählen. Mir ist das viel zu kompliziert. Es genügt zu sagen: Wir hatten einander genügend zu sagen. Wie gesagt: Leider haben die Mächtigen unserer Zeit nie auf uns gehört.“

„Das mit dem Meteor als Ursache für das Aussterben der Dinos stimmt also nicht?“

„Nein, nein. Das hat es auch gegeben. Und wir Ammoniten haben öfters versucht, die Hornochsen auch davor zu warnen. Das alles hat sie aber gar nicht interessiert. Hauptsache sie konnten sich den Bauch vollschlagen.“

„Und Ihr Ammoniten, wie kam es, dass auch ihr ausgestorben seid?“

„Wer hat gesagt, dass wir ausgestorben sind? Im Gegenteil. Es geht uns ausgezeichnet. Wir sind aber, wie soll ich sagen… umgezogen – weit weg von den Dinos und deren Nachfolgern, die in hohen Häusern hausen. Unsere neue Adresse verrate ich dir aber nicht. Das wirst du hoffentlich verstehen.“

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