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Lieber Raubkopierer, liebe Raubkopiererin,

vielen Dank für Ihr Interesse an mein Buch „Der Werwolf nebenan“. Seien Sie überzeugt: Ich fühle mich sehr geehrt, dass Sie ausgerechnet den Kopierschutz meines e-Buchs überlistet haben. Ein klarer Hinweis auf Ihren guten Geschmack.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, wenn ich mir dennoch gewünscht hätte, dass Sie die elf Euro siebzig für das Herunterladen bezahlt hätten. So viel kostet das Buch nämlich, wenn ich mich richtig entsinne. So steht es jedenfalls in meinem Vertrag. „Sie werden sehen. Mit e-books erreichen Sie ein viel größeres Publikum als es je zuvor möglich gewesen wäre!“ Das hat mir der Lektor damals gesagt. „Papier ist von gestern. Digital ist nicht nur die Zukunft, es ist schon die Gegenwart!“ Ja, das hat er mir gesagt.

Und er hat mich wirklich überzeugt. Ein papierenes Buch als privaten Fetisch brauche ich eigentlich nicht, zumal fast jeder mittlerweile einen e-Reader hat. Ja, so waren meine Gedanken.

Und weil ich damit rechnete, das ich meine zehnprozentige Tantieme so oder so bekomme, war das Geschäft perfekt. Das sind immerhin ein Euro siebzehn pro Exemplar. Der Lektor erklärte mir außerdem, dass Käufe im Internet viel spontaner – und schneller – vonstatten gehen als beim Gang in die Buchhandlung. Man drücke lediglich auf eine Taste und – zack! –schon hat man das Buch heruntergeladen. Irre Welt, nicht wahr?

Trotzdem war ich anfänglich etwas zögerlich. Was passiert, habe ich ihn gefragt, wenn jemand den Kopierschutz knackt? Der Lektor hatte für meine Sorgen nur ein müdes Lächeln übrig. „Sie werden sehen“, sagte er, „nicht einmal die besten Hacker in Moskau und Peking werden diesen Kopierschutz austricksen können.“

Er hat sich offenbar geirrt, nicht wahr?

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich möchte hier nicht larmoyant klingen. Ich weiß: Wenn du lachst, so lachen alle mit dir mit, wenn du weinst, so weinst du allein. Trotzdem: Ich habe fünf Jahre meines Lebens in das Schreiben dieses Buchs investiert. Noch nie hat jemand das Phänomen des Werwolfs so gründlich beleuchtet wie ich. Der „Spiegel“ lobte das Ergebnis als „Standardwerk“. In der „Zeit“ hieß es, dass ich „eloquente Wissenschaftsprosa“ geschrieben habe. Nur die PETA hat sich kritisch darüber geäußert. Eine „vertane Chance“ hieß es. Ich hätte „arroganterweise den uralten Mythos von der Überlegenheit des Menschen über das Tier Vorschub geleistet.“

Fünf Jahre meines Lebens habe ich dieser schweren Arbeit gewidmet und habe dafür weniger verdient als eine Putzfrau. Verstehen Sie mich nicht falsch. Das ist nur eine Redewedung. Ich weiß die Arbeit von Putzfrauen wirklich zu schätzen. Fünfhundert Seiten über Werwölfe. Dazu habe ich Originelles, noch nie gekannte Fakten über Wesen und Herkunft dieses kaum verstandenen Phänomens an den Tag gelegt. Und stellen Sie sich vor. Der Verleger war zunächst entsetzt. „Das Buch ist zu lang! Sie müssen es um die Hälfte kürzen. Wer möchte heutzutage soviel lesen?“ J

a, das hat er gesagt, obwohl er vorhatte, das Buch nur digital zu verlegen. Vielleicht hat er nur an die Kosten des Korrekturlesens gedacht. Ich weiß es nicht. Ich bekam jedenfalls beinahe einen Herzinfarkt. Soviel Arbeit, und alles für die Katz. Ich war mächtig verzweifelt. Glücklicherweise fiel mir in dem Augenblick eine mögliche Rettung ein. Da ich Franz Beckenbauer seit unserer Kindheit kenne – ja, wir spielten am Bolzplatz zusammen (damals galt ich als der bessere Stürmer) – habe ich dem Verleger ein Angebot gemacht: Lässt er das ganze Buch, so wie es ist, zu, so wird der Franz das Vorwort schreiben. Der Verleger war sofort Feuer und Flamme. Deshalb werden auch Sie lesen können, was der Franzerl über Werwölfe zu sagen hat.

Aber genug der Rede. Nun haben Sie ein bisschen über mich, den Autor erfahren. Was Sie nicht wissen: Jeder der mein Buch als Raubkopie erschlichen hat, wird auch diesen Text, den Sie gerade lesen, automatisch miterhalten. Dank einem guten Freund – er ist Programmier – ist es mir gelungen, diesen offenen Brief an jeder Raubkopie meines Buches „Der Werwolf nebenan“ (nicht mein Titel übrigens, stammt vom Verleger) anzuhängen. Der Text fehlt völlig in den gekauften Exemplaren. Im elektronischen Zeitalter ist alles möglich.

Sonst wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen, und vergessen Sie nicht, das Buch auch Ihren Freunden weiterzuempfehlen. Ach ja. Falls Sie selber mal ein Buch schreiben, seien Sie sicher, dass auch ich den Kopierschutz (mit Hilfe meines Freunds des Programmiers) zu knacken wissen werde. In einer vernetzten Welt haben wir alle Gelegenheit uns (zumindest URLmäßig) näher kennenzulernen.

Mit virtuellem Gruß

Ihr

Adrian van der Werff

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