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Auch Wörter werden alt

Wer an dem Wettbewerb "Das bedrohte Wort" teilnehmen möchte, muss sich allmählich Gedanken machen, welches der Abertausenden von deutschen Wörtern ihm am bedrohtesten vorkommt. Einsendeschluss für Beiträge ist nämlich der 28. Februar.

Haben Sie noch nichts von diesem Wettbewerb gehört? Dann schauen Sie mal unter www.bedrohte-woerter.de – Geisteskind des Journalisten Bodo Mrozek.

Ich selbst erhielt am 4. Januar erste Informationen darüber in einem Text aus der Süddeutschen Zeitung von Jens Bisky. Bisky zweifelte, ob alle dem Tod geweihten Wörter wirklich so bedroht seien. Ich schließe mich diesem Zweifel an. Hier eine Kostprobe: "Heuer“, "Jungfer“, "Rauchwaren“, "in petto“, "Kittchen“, "Luder“, "Rüpel“, "Stegreif“, "Pfennigfuchser“, "Schindluder“, "Tobak“, "Wams“, "Zaster“, "Zwist“.

Hand aufs Herz: Haben Sie während der letzten zwölf Monate eins oder mehrere dieser Wörter in den Mund genommen? Ich schon. Mehrmals sogar. Soll dieses Bekenntnis einen Schatten über mein eigenes Dasein werfen? Pustekuchen! Die "Jungfer" und der "Rüpel" sind weniger bedroht als die Eisbären oder sibirischen Tiger aus richtigem Fleisch und Blut.

Fakt ist: Wörter sind Werkzeuge, man holt sie raus, wenn man sie braucht. Manche Werkzeuge benutzt man freilich nur selten, aber wenn man sie nicht hätte, müßte man sie ohnehin neu erfinden. Man trägt zwar heute kein Wams (und damit meine ich nicht die "Welt am Sonntag") mehr, das Wort führt dennoch ein aktives Dasein in der Schriftsprache. Und wer weiß, was Calvin Klein oder Armani für die Zukunft im Schilde führen? Wörter brauchen lediglich einen Zusammenhang, um aktiv zu werden.

Damit will ich nicht behaupten, dass alle Wörter ewig währen. Kleist gibt den Beruf seines Michael Kohlhaas als "Rosskamm" an. Der "Kamm“ ist längst zu einem "Händler“ geworden. Das alte Wort indes ist fast vollständig aus dem aktiven und passiven Wortschatz verschwunden.

1972 hat der Ägypter Nabil Osman ein hervorragendes „Kleines Lexikon untergegangener Wörter" veröffentlicht. Hier geht es um wahre Seltenheiten der deutschen Sprachvergangenheit, für die man heute kaum mehr einen Zusammenhang findet. Sein Buch ist ein wahrer Wörterfriedhof. Beispiele: "ansiegen" für "besiegen"; "Brast" für "Gram"; "englisch" für "engelhaft" – ganz klar, dass dieses leicht zu verwechselnde Wort verschwinden musste (doch, wer kennt noch das Wehrmachtslied "Denn wir fahren gegen Engelland, Engelland ahoi!“?); "Maus" für "Muskel“; "Urgicht" für "Bekenntnis"; usw.

Und doch ist die Situation auch dieser Wörter nicht mit dem Schicksal des Dodos oder des Mammuts zu vergleichen. Wenn ein Tier ausstirbt, kann es beim besten Willen nicht ins Leben zurückgeholt werden – außer im berühmten Jurassic Park. Wörter dagegen können mit etwas Glück immer aus der Versenkung zurückgeholt werden. Nur: Einer muss den Anfang machen. Ich jedenfalls würde jederzeit meine "Mäuse" für diese gute Sache einsetzen! Und ich bin guter Hoffnung, man würde schließlich ansiegen. Vorschläge?

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