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Hundekunde

Fast jeder kennt den alten Witz vom englischen Ehepaar (oder war das ein deutsches Ehepaar?), das mit seinem Rover (mit Bello?) in Guangdong unterwegs war.

Das brave Haustier trippelt vergnügt neben Herrchen und Frauchen her, als diese mit großem Appetit in einem Restaurant einkehren, wo man leider kein Englisch (bzw. Deutsch) spricht. Man verständigt sich also mit Händen und Füßen. Eine Geste in Richtung Mund und Magen, eine Geste, die ein Tablett darstellt und last not least eine Geste in Richtung Rover/Bello und dann wieder Hand zum Mund und Magen. Der Kellner lächelt freundlich, signalisiert, dass er verstanden hat und führt den gutmütigen Zamperl in die Küche. Jeder soll auf seine Kosten kommen.

Wer die Pointe schon kennt oder erraten hat, kann diesen Absatz guten Gewissens überspringen. Alte Witze machen muntere Mienen müde. Mein Thema ist ohnehin nicht die Gebärdensprache, sondern der Hund selbst. Aber vorerst zu unserem Ehepaar zurück, das inzwischen lange auf sein Essen – und ebenfalls auf den Rückkehr seines kleinen pelzigen Freunds – wartet. Um die Zeit zu vertreiben, machen sie Witze darüber, dass eine Küche das Paradies der Hunde sei und dergleichen. Endlich betritt der lächelnde Kellner mit einem dampfenden Tablett den Raum; der leckere Duft von Fleisch und Gemüse becirct die Gemüter … Ja, ja, es ist halt ein alter Witz, und Sie wissen ohnehin schon, wie er ausgeht…

Merkwürdig ist die Beziehung zwischen Mensch und Hund. Dieses Lebewesen gilt als unser erster (und bester) Freund aus dem Tierreich – auch wenn es sich möglicherweise seit jeher nur um ein Zweckbündnis handelt. Die Sprache verrät aber unsere wahren Gefühle dem Hund gegenüber. Man fühlt sich "hundsmiserabel“, oder man geht "vor die Hunde“ oder kommt "auf den Hund“. Küppers "Worterbuch der deutschen Umgangssprache“ bietet unter dem Stichwort "Hund“ 163 Redewendungen an – davon sind die meisten negativ belegt. Wenn etwas nicht mündet, sagt man, zum Beispiel, es schmecke "wie Hund“ oder "wie dicker Hund von hinten“ – was in Guangdong wiederum einem wohl den Mund wässrig machen würde. Jemanden schlichtweg als "Hund“ zu bezeichnen, ist im Deutschen alles anders als ein Kompliment – außer vielleicht im Bayerischen, wo "bist a Hund“ durchaus positiv zu bewerten ist.

Warum diese hundemäßige Missachtung? Vielleicht weil sich der Hund, wenn er nicht gerade bissig ist, uns gegenüber untertänig verhält – sein Erbe aus dem Leben im Rudel. Viele Menschen halten bedingungslose Freundlichkeit oder Hilfsbereitschaft für ein Zeichen der Schwäche, was wiederum Agressionen erweckt – erst recht, wenn es um einen Hund geht.

Die Vokabel "Hund“ zählt jedenfalls zum Urwortschatz der indoeuropäischen Sprachen. Somit kann man sich eine Vorstellung machen, wie alt die Beziehung zwischen Mensch und Hund ist. Lateinisch "canis“ und das griechische "kyon“ (der "kynikos“, d.h. "Zyniker“, war ursprünglich ein bissiger Mensch) sind beide etymologisch mit "Hund“ verwandt. ("C“ und "H“ wechseln sich manchmal bei verwandten Sprachen ab). Die Spanier nennen ihre "Köder“ (wörtlich "Verschlinger“) lieber "perro“. Keiner weiß, warum. Beste Theorie: Das Knurren eines Hunds klingt wie "prrrrrrrr“. Nebeinbei: "Perro“ als Adjektiv bedeutet auf Spanisch „gemein“. Einmal erlebte ich in Südmexiko, wie am Dorfplatz ein knochendürre Hund gemächlich an einer Menschentraube vorbeilatschte. Plötzlich und aus nichtigen Gründen verpasste ihm jemand einen Tritt. So ist es mit den Hunden.

Wer Arabisch sprechen lernen will, muss mit der Vokabel "kalb“, also "Hund“, besonders vorsichtig umgehen. Das Wort gilt in dieser Sprache als wüster Fluch. Was die Sache zusätzlich erschwert: Das arabische "qalb“, "Herz“, klingt ähnlich. Nichtmuttersprachler stolpern manchmal über die Aussprache des arabischen Kehllauts "Q“, der an einen "K“-Laut erinnert, wenn man mit einem Kloß im Hals spricht. Warum hat der "Hund“ bei Arabern einen so schlechten Ruf? Weil er als unrein gilt, was eine alte Auffassung unter Semiten zu sein scheint. Schon im Althebräischen der Bibel wurde "kelew“ als Beschimpfung verwendet. "Kalb“ und "kelew“ stammen übrigens beide von einem Wortstamm, das "fassen“ oder "packen“ bedeutet.

Armer Hund. Wenn er nur wüsste, was wir wirklich von ihm halten. Aber dann wäre er eben kein Hund.

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