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Ganz klar: Diplomaten haben die Sprache erfunden!

Heute wieder ein Versuch, den Ursprung der Sprache zu ergründen.

Diesmal eine Theorie meines geschätzten ehemaligen Chefs, Gerhard Peter Moosleitner. Er hat eigentlich drei Namen. Für die Blattmacher beim Gruner + Jahr-Verlag wurde er "Peter Moosleitner“ genannt, ein Name, der als Titel einer Zeitschrift, sehr flott klingt: "P.M. – Peter Moosleitners interessantes Magazin. Für seine Frau heißt er schon seit mehreren Jahrzehnten "Gerd“, und ich sage zu ihm seit beihnahe 30 Jahren "Herr Moosleitner“.

Gerhard Peter Moosleitner vertritt die geniale Idee, dass die Ursprache der Menschheit aus Gründen der Höflichkeit entstanden sei. Sprachliche Mitteilungen hätten den Zweck gehabt, Agressionen, die bei der Begegnung zweier Fremden leicht hätten entstehen können, im Keim zu ersticken. So gesehen, habe man Wörter ursprünglich nur verwendet, wenn es darum ging, sich mit Menschen zu verständigen, die einem nicht vertraut waren. Zuhause reichten wohl die üblichen allen bekannten Grunzer der Gruppenpolitik.

Der Umgang mit dem Fremden erforderte wohl seit jeher Vorsicht. Nicht von ungefähr gibt es seit der Antike das wichtige Amt des Botschafters. Er ist derjenige, der die Kunst des diplomatischen Sprechens beherrscht hat.

So gesehen, wundert es nicht, dass die frühesten erhaltenen Texte der Antike – sie wurden in der akkadischen, der babylonischen, der ägyptischen und der sumerischen Sprache verfasst – viele richtig verschnörkelte Formalitäten aufweisen. Hier zum Beispiel der Anfang eines Briefes des Königs Tuschratta vom Lande Mittani an den König Ägyptens Nimmureja (wir kennen ihn heute unter dem Namen "Ekhnaton“). Es wurde im 14. vorchristlichen Jahrhundert in der altbabylonischen Sprache verfasst: "Sage Nimmureja, König Ägyptens, meinem Bruder, meinem Schwiegersohn, den ich liebe und der mich liebt: So geht es Tuschratta, dem König von Mittani, deinem Schwiegervater, der dich liebt: Mir geht es gut. Möge es dir auch gut gehen…“ usw. Dutzende solcher Briefe von Tuschratta an Ekhnaton wurden vor etlichen Jahren in Amarna, einem archäologischen Fundort südlich von Kairo, entdeckt. Sie beginnen alle mit den gleichen, für uns etwas umständlichen Höflichkeitsbekundungen. Wir drücken uns heute lieber etwas knapper aus: "Lieber Ekhnaton, wie geht’s dir? Selbst kann ich mich nicht beklagen…“ usw.

In den Texten der Frühantike ist die überzogene Formalität stets die Regel – auch in der Selbstdarstellung: "Ich soundso, großer König, Sohn der Göttin soundo, mächtiger der Erde…“ usw. Die eigentliche deutsche Übersetzung: "Ich betone meine Wichtigkeit, um Sie darauf hinzuweisen, dass Sie mit mir sehr höflich umgehen.“

Oben habe ich auf die drei Namen von Gerhard Peter Moosleitner hingewiesen. Jetzt fällt mir ein, dass diese drei Anspracheformen die Moosleitner’sche Theorie über den Anfang der Sprache in aller Kürze geradezu perfekt veranschaulichen: Denn sie zeigen, dass man bis heute stets zwischen privatem und öffentlichem Usus unterscheidet. Der Umgang mit dem "Anderen“ hat sich seit Jahrtausenden kaum verändert.

Übrigens: Herr Moosleitner hat noch eine interessante Theorie, die ich an dieser Stelle erwähnen möchte: Er meint, dass die ersten Städte keine Wohnorte waren, sondern Kultstätten, die ebenso wie die Sprache aus formalen Gründen entstanden seien. Er ist ganz bestimmt etwas Wichtigem auf die Schliche gekommen. Damit ist sein Ideenreichtum bei weitem nicht erschöpft. Googeln Sie mal seine Büchertitel. Lassen Sie sich überraschen.

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