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Ameisen und Blogs

Stefan hat dem vorigen Beitrag (über die Drogensprache) einen interessanten Kommentar angehängt. Nicht die Drogen wollte er thematisieren, sondern das Wort "Blog“. Der Anlass: Er hat festgestellt, dass ich mich vom Begriff "Blog“ als Bezeichnung für das, was ich hier wöchentlich produziere, allmählich entfernt habe.

Ja, Stefan, Sie haben Recht. Was ich hier schreibe, ist kein waschechter Blog, sondern eine "Sprachglosse“. Ich stehe, sozusagen, in einer langen Tradition von Schriftstellern, die Sprachglossen verfasst haben bzw. verfassen. Neu ist nur die Tatsache, dass meine Glosse im Internet und nicht in den "klassischen“ Printmedien zu lesen ist. Womöglich wird die gedruckte Seite ohnehin innerhalb zehn Jahre zum Auslaufmodell oder vielleicht nur "Nischengeschäft“.

Doch wenn mein "Blog“ kein "Blog“ ist, was ist dann ein "Blog“? Wörtlich, wie jeder längst weiß, ist dieses Wort eine Zusammensetzung aus "Web“ (sprich "Internet“) und "Log“ in der Bedeutung von "Tagebucheintrag“. Damit ist aber längst nicht alles erklärt. Denn "Blog“ ist noch immer ein Modewort und wird deshalb, wie Stefan richtig erkannt hat, ziemlich ungenau verwendet. Nur deshalb konnte ich meine Glosse so lange "Blog“ nennen.(Bin ich vielleicht ein "Sprachglosseur?)

Wenn Sie einen wahrhaften „Blog“ lesen möchten, dann kann ich Ihnen nur empfehlen, die neuen "Aktions“-Texte meines Kollegen Jakob Vicari anzuloggen. Er hat vor, regelmäßig – bis Oktober – von einem Ameisenvolk zu berichten, das er in seine Wohnung "eingeladen“ hat (http://blogs.pm-magazin.de/Aktion/main). Er hat sich nämlich eine Anlage bestellt (die wir in meiner Jugend "ant farm“ nannten) und züchtet ein eigenes Ameisenvolk. Seine Berichte sind in der Tat "Web-Logs“. Denn er wird uns wohl tagebuchartig, von seinen Tieren berichten.

Viel Glück, kann ich nur sagen. Als ich Mitte der 90er Jahren mit meiner Familie vier Jahre in Portland, Maine verbrachte, kamen die Ameisen von allein – ohne Einladung – in unserem Haus angekrabbelt. Diese großen, schwarzbraunen Ameisen – sie heißen bei uns "carpenter ants“ (etwa: "Schreinerameisen“) – suchen sich bei Menschenwohnstätten einem feuchten Platz im Balkenwerk und fressen sich ein Zuhause ins Holz ein. Auch ich habe meine Ameisen täglich beobachtet und mir ihre Gewohnheiten und ihren Tagesablauf eingeprägt. Ich habe allerdings kein Tagebuch geführt ("Blogs“ gab es damals ohnehin noch nicht). Meine Gründe waren freilich anders. Denn zugleich habe ich mich über die verschiedenen Ameisengifte auf dem Markt schlau gemacht. Schließlich gelang es mir mein emsiges und sehr zahlreiches Volk ins Ameisenjenseits zu befördern. In den nächsten Jahren verstreute ich jeden Frühling das bewahrte Gift um ihre Lieblingsplätze. Mit der Plage war es vorbei.

Dennoch stelle ich mir Jakobs Vorhaben als große Herausforderung vor. In der Großstadt, Jakob lebt nunmal in einer Großstadt, gibt es außer Ungeziefer, Spatzen, Tauben und braven Hunden nur wenig Fauna "live“ zu beobachten. Klar, dass man in die mitgelieferte Anlage aus durchsichtigem Kunststoff gerne schaut und die fleißigen Geschöpfe bewundert, wie sie im vollen Besitz ihrer Instinkte, ihre Welt so selbstverständlich ordnen. Mal sehen, was Jakob bis Oktober über seine Ameisen noch zu sagen hat. Hoffentlich werden sie den geheimnisvollen Weg in seine Küche nicht finden.

Übrigens: Das deutsche Wort "Ameise“ bedeutet ursprünglich "Abschneiderin“. Das waren wohl "Blattameisen“ oder wie immer sie in Wirklichkeit heißen (meine Ameisenkunde habe ich längst vergessen), denen die Altgermanen begegnet waren. Noch eine Kleinigkeit: Im Lateinischen verwendet man "formica“ nicht nur für "Ameise“, sondern für "Warze“. Fragen Sie mich bitte nicht, warum.

Über Ameisen hat der Franzose Bernard Werber eine spannende Trilogie ("Les Fourmis“ usw.) geschrieben. Er forscht sehr geschickt in der Welt und in der Psyche der Ameisen. Kann ich nur empfehlen. Viel Erfolg, Jakob! Und vergessen Sie nicht, den Deckel auf der Zuckerdose stets fest zu schrauben.

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