You are here

Von Witzen und anderen ernsten Dingen

Kennen Sie den alten Witz? Was macht Christian Schwarz-Schilling bei der Arbeit? Antwort: Er erledigt die Post. Sie werden diesen Witz natürlich nur lustig finden, wenn Sie wissen, wer Schwarz-Schilling ist. Von 1982 bis 1992 war er Bundesminister für Post und Telekommunikation und einer der ersten Befürworter der Privatisierung von Post und Telefon. Ihm haben wir es zu danken, dass Post und Telefon ihre getrennten Wege gegangen sind, ihm zu Dank haben Sie heute eine so große Auswahl an Klingeltönen.

Ich habe heute an ihn denken müssen, nachdem ich einen blauen Benachrichtigungsschein der Post AG in meinem Briefkasten entdeckte. Dieser informierte mich, das eine nicht entgegengenommene Einschreibsendung ab Morgen am Postamt abzuholen sei. Komisch, dass das Einschreiben nicht direkt zugestellt wurde. Denn mein Sohn war zuhause und öffnete sogar, als jemand unten geklingelt hatte. Wahrscheinlich wieder eine unterbezahlte Aushilfe der längst privatisierten Post, die etwas verständlicherweise durcheinander gebracht hat. Wie gesagt: Schwarz-Schilling hat früher die Post erledigt. Bald wird auch die Bahn privatisiert.

Wie dem auch sei: Ab morgen muss ich den weiten Weg zur Ausgabestelle zurücklegen. Mir schwant nichts Gutes. Einschreibbriefe bekommt man meistens nur, wenn einem Schlimmes mitgeteilt werden soll.

Übrigens: Haben Sie jemals darüber nachgedacht, warum man "mir schwant“ sagt? Was hat diese Redewendung mit dem bissigen wenn auch graziösen weißen Federvieh zu tun? Antwort: Gar nichts. Tatsache ist: Dieser Spruch entstand im 16. Jahrhundert als Witz! Freilich kein derber Witz, wie man damals im Wirtshaus erzählte. Es handelt sich um ein kleines Witzchen unter damaligen gelehrten – besser gesagt – "gelahrten“ Menschen. Latein "olor“ heißt nämlich "Schwan“. Das lateinische Verbum "olere“ bedeutet hingegen "riechen“. "Mihi olet“ heißt wörtlich "ich rieche“ (genauer gesagt: "es riecht mir“) und wird im Lateinischen im Sinn von "ich wittere“ verwendet. Irgendein uns heute unbekannter Scherzkeks hatte damals den lustigen Einfall, "mihi olet“ mit "mir schwant“ ins Deutsch zu übersetzen. Alle die gelahrten Menschen – oder waren es bloß possenreißende Studenten? – haben sicherlich geschmunzelt. Haha.

Da wir gerade von Witzen sprechen: Bekommen Sie auch so viele Witze per Email zugeschickt wie ich? Ich lese die meistens gar nicht. Manchmal finde ich den gleichen Witz mehrmals in meinen Mails, weil ein bestimmtes Bonmot gerade die Runde macht. Doch Witze existieren nicht von ungefähr. Sie sind im Grunde ein freundlicher Hinweis auf die Absurdität allen logischen Denkens. Sie befreien uns quasi von den Strapazen einer gezwungenen Ordentlichkeit. Dank der Anarchie eines Witzes finden wir immer wieder neue Energie, weiterzumachen.

Nicht von ungefähr ist das Wort "Witz“ etymologisch mit "Wissen“ verwandt. Der "witzige“ Mensch will mehr vom Leben, als nur die Post zu privatisieren. Übrigens: Die "Witze“ von denen ich rede, sind natürlich keine dummen Witze. (Solche sind ohnehin keine Witze, sondern lediglich Ausdrücke der Agression). Ein gelungener Witz erhebt den Menschen auf die höchste Ebene seiner Erkenntnisfähigkeit. Hier ein Beispiel.

In dem Roman "Per Anhalter durch den Galaxis“ erzählt der amerikanische Autor Douglas Adams von einer sehr fortgeschrittenen Menschenrasse, die einem schlauen Computer namens "Deep Thought“ die Frage nach dem Sinn des Lebens, des Universums usw. stellt.

Nach 7,5 Millionen Jahren verkündet "Deep Thought“, er habe die Antwort. Sie laute 42.

"Zweiundvierzig? Mehr als das kannst du nach 7,5 Millionen Jahre nicht anbieten!?“ kreischt ein gewisser einheimischer Wissenschaftler namens Loonquawl, der so lange auf diese Antwort gewartet hat.

"Ich habe alles sehr genau geprüft”, sagt der Computer, "und das ist ganz bestimmt die Antwort. Was ich vermute, ehrlich gesagt, ist, dass du noch nie die richtige Frage formuliert hast.“

P.S. Es ist Morgen. Ich war schon auf der Post. Das Einschreiben war Gottseidank keine böse Überraschung, sondern ein Buch, auf das ich seit sehr lange warte: die Autobiographie eines berühmten Kunstfälschers. Auf Fälscher und Fälschungen komme ich ein anderes Mal zu sprechen.

Add new comment

Filtered HTML

  • Web page addresses and e-mail addresses turn into links automatically.
  • Allowed HTML tags: <a> <p> <span> <div> <h1> <h2> <h3> <h4> <h5> <h6> <img> <map> <area> <hr> <br> <br /> <ul> <ol> <li> <dl> <dt> <dd> <table> <tr> <td> <em> <b> <u> <i> <strong> <font> <del> <ins> <sub> <sup> <quote> <blockquote> <pre> <address> <code> <cite> <embed> <object> <param> <strike> <caption>

Plain text

  • No HTML tags allowed.
  • Web page addresses and e-mail addresses turn into links automatically.
  • Lines and paragraphs break automatically.
CAPTCHA
This question is for testing whether you are a human visitor and to prevent automated spam submissions.
Image CAPTCHA
Enter the characters shown in the image.