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Wie man den "Stress" überwindet

Kaum hat man ein neues Wort nötig, so tritt es in Erscheinung und wird zum Massenphänomen.

Ich komme auf diese Idee, weil ich über meinen heutigen "Stress“ nachdenke. Es gibt Tage, wo man ständig am Rotieren – besser gesagt – Jonglieren ist. Sie wissen, was das bedeutet: Kaum hat man es geschafft, drei Bälle behände durch die Luft zu beförden, kommt ein Schlaumeier daher und sagt: "Das machst du fein, aber wetten, dass du es mit vier Bällen nicht kannst.“ Wenn man dumm oder eitel genug ist, auf diese Herausforderung einzugehen, kann man darauf Gift nehmen, dass der nächste Witzbold fragt, ob du es nicht mit fünf Bällen kannst… usw.

Aber zurück zum "Stress“. Kaum war das Zeitalter des Stresses angebrochen – genauer gesagt, etwa 1945 (der "Stress“ war nämlich ein amerikanischer Import der Besatzerzeit) – , so wurde das passende Wort für das Phänomen mitgeliefert. In Sachen "Stress“ waren meine Landsleute den Deutschen immer eine Nase voraus.

Inzwischen hat sich der "Stress“ hierzulande so heimisch gemacht wie die Thüringer Bratwurst, dergestalt, dass das Wort längst Nachkommen bekommen hat: "stressen“ und "stressig“, zum Beispiel.

Worunter litt der Deutsche, bevor er den „Stress“ kennenlernte? Unter "Hektik“, was übrigens ein Begriff aus dem medizinischen Wortschatz ist. Oder er litt unter der Wirkung der „"Aufregung“, der "Erregung“, der "Überspannung“, der "Irritation“, des "Ärgers“. Er war manchmal "gereizt“ oder von der "Schinderei“, der "Plackerei“, der "Schufterei“ geplagt. Das war allerdings alles noch immer kein richtiger "Stress“. Denn der "Stress“ ist im Grunde ein Zeitbegriff, genauer gesagt, der "Stress“ ist das unangenehme Empfinden, man habe zu viel zu tun und zu wenig Zeit, um es zu tun.

So ein Empfinden hat es sicherlich immer gegeben, aber beileibe nicht so wie heute. Denn der heutige "Stress“ ist ein Nebenprodukt des Informationszeitalters. Je größer das Informationsangebot, umsomehr kommt das Menschenhirn ins Schlittern. Das ist wirklich stressig.

"Stress“ ist übrigens eine Kurzform des englischen "distress“, ein Wort, das „Gefahr“ oder "Verzweifelung“ bedeutet. Wenn ein Patient in einen lebensgefährlichen Zustand versinkt, reden die englischsprachigen Ärzte von "Distress“ oder von "Stress“. Unser heutiger "Stress“ ist sicherlich vom medizinischen Bereich, im übertragenen Sinn freilich, übernommen worden). Sowohl das "distress“ wie auch der "Stress“ gehen auf ein lateinisches Wort "districtum“ („verengt“) zurück. Ein passendes Bild. Denn dem Gestreßten wird die Luft regelrecht abgeschnürt.

Aber jetzt zur Frage der Überwindung: Da der "Distrikt“ und der "Stress“ etymologische Zwillinge sind, kann dass nur bedeuten, dass der "Stress“ höchstens einen "Distrikt“, besser gesagt, ein "Gebiet“, im menschlichen Handeln beansprucht.

Und das ist die gute Nachricht. Wenn der "Stess“ nur ein einziges "Gebiet“ (von vielen) ist, dann liegt es auf die Hand, wie man ihn zu bewältigen hat: Man braucht diesen "Distrikt“ nur zu umgehen.

Sie sehen, wie praktisch eine Beschäftigung mit Wörtern – auch im täglichen Leben – sein kann.

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