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Wutköder, Andy Warhol, etc.

Raten Sie: Wie viele YouTube-Videos werden jährlich veröffentlicht? Vielleicht wissen Sie es schon. Ich hab’s nicht gewusst.

Mein Sohn war zu Besuch und hat mir dieses Faktoid nachgeschlagen. Natürlich via Google, Anbieter und Besitzer von YouTube.

Die Antwort lautet 900.000.000. In Wörtern Neunhundertmillionen. Das heißt: Die Influencer, die Musiker, die Schrägen, die Tiervideo- und medizinischen-Grausamkeiten-Produzenten, die Propagandalügner – auch wenn ihre Erzeugnisse Zehnmillion mal begafft werden, machen nur eine kleine Kerbe in der Gesamtzahl aus.

Wie soll man das bewerten? Überhaupt nicht! Es ist einfach so. Vielleicht sollte ich mal die Zahl der TikTok-Videos recherchieren. Ne, lieber nicht.

Und nun fällt mir Andy Warhol ein. Kennen Sie seinen berühmten Spruch? Ich meine: dass jeder seine fünfzehn Minuten Berühmtheit bekomme.

Heute braucht man bloß „fünfzehn Minuten“ zu sagen – oder „Er (sie) hatte seine (ihre) fünfzehn Minuten“, und jeder weiß, worum es geht.

Doch nun verrate ich Ihnen eine längst vergessene Korrektur: Andy Warhol hat obigen Spruch in dieser Form nie gesagt. Das weiß ich, da ich zufällig Zeuge der ersten Veröffentlichung des wahren Spruchs war.

Damals lebte ich in San Franzisko. Ich war in der Wohnung irgendwie mit etwas beschäftigt. Im Hintergrund brabbelte das Radio. Vielleicht waren es Nachrichten. Egal. Der Radiosprecher sagte dann jedenfalls, dass laut Warhol, alle Menschen bis 1974 fünfzehn Minuten berühmt sein würden. Wenn es hieß „bis 1974“, kann das nur bedeuten, dass ich dieser wichtigen Nachricht bereits 1973 lauschte.

Irgendwie oder -wann wurde das mit „1974“ fallengelassen. Es blieben lediglich die „fünfzehn Minuten“ übrig.

Und jetzt zurück zu YouTube, wo heutzutage viele ihre fünfzehn Minuten ausleben. Naja, vielleicht sind das manchmal mehr als nur fünfzehn Minuten.

Nein, genug YouTube. Jetzt Themenwechsel: Neulich bin ich aufs nagelneue Oxford Wort des Jahres gestoßen. Natürlich ein englisches Wort…bzw. Begriff. Immerhin ist Oxford ein englischer Verlag.

Der diesjährige Preisträger…oder soll ich lieber sagen „Gewinner des Fünfzehnminutenpreis“ lautet …“rage bait“.

Noch nie gehört? Ich auch nicht.

Falls Ihr Englisch ausreichend ist, dann kennen Sie die zwei englischen Vokabeln bereits, aus denen dieses „Wort des Jahres“ konstruiert ist: „rage“ und „bait“.

„Rage“ bedeutet „Wut“ oder „Wutanfall“. „Bait“ „Köder“.

Zusammengestellt würde das etwas wie „Wutköder“ heißen. Komische Formulierung, aber immerhin kann man sich darunter etwas vorstellen.

Denn manche der neunhundertmillionen jährlich produzierten YouTube Videos werden absichtlich so gestaltet. Will heißen: als Köder, um Wut zu erzeugen.
Schlau schlau schlau.

Wutköder hat es freilich immer gegeben. Aber momentan ist er pandemisch geworden. Man kann seinen Wutanfall überall genießen – egal wo man sich gerade auf diesem dicht vernetzten Planeten befindet!

Dies hat sicherlich etwas zu bedeuten…

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