Fangen wir mit dem Kofferwort „Podcast“ an. Wie jedes Kofferwort, ist dies ein Mischprodukt zweier Wörter, die zu einem neuen Begriff zusammenschmelzen. Die bekanntesten sind wohl immer noch jene englischsprachigen Bildungen wie „smog“ („smoke“ und „fog“) und „brunch“ („breakfast“ und „lunch“).
Im Falle von „Podcast“ werden „ipod“ (antikes tragbares Musikgerät und Vorgänger des „ipad“) und „broadcast“, also Fernseh- bzw. Rundfunksendung vermischt.
Nebenbei: Der Erfinder dieses Wörterspiels und des Begriffs Kofferwortes – franz. „port-manteau“ – ist Lewis Caroll, genialer Pater von „Alice in Wunderland“. In einem der Alice-Werken erklärt Humpty Dumpty der vifen Alice, wie man Wörter miteinander vermengt, um neue Begriffe zu gebären. Diese Wörter werden Humpty Dumpty zufolge gleichsam gemeinsam in einen Koffer gelegt.
Nun wissen Sie alles, was über dieses Thema wichtig ist.
Doch mein Titel lautet: „Dies ist kein Podcast“.
Jeder weiß, was mit Podcast gemeint ist. Man läuft durch die Straßen mit „airpods“ usw. im Ohr herum, man erledigt lästige Hausarbeit, man sitzt im Bus usw. und lauscht dabei einer Diskussion bzw. einem Vortrag über irgendein spannendes Thema. Ob politisch, historisch, ist egal. Hauptsache unterhaltsam.
Auch ich höre manchmal – doch nur mitten in der Nacht, wenn ich nicht schlafen kann – Radio Podcasts. Meistens sind das politische Diskussionen zu den großen Themen.
Man hört zu, erfährt dies und jenes usw. Danach schlafe ich wieder ein. In der Früh habe ich – meistens – den Inhalt wieder vergessen. Manchmal vergesse ich überhaupt, worum es ging.
Demenz? Nein. Bloß ein natürlicher Vorgang, wenn man Informationen nur mündlich aufnimmt.
Falls Sie es vergessen haben: Das Vergessen ist das Normalste, was es gibt, wenn man Informationen nur mündlich empfängt.
Was? Sie sind mit dieser Aussage nicht einverstanden?
Neulich habe ich einen Bericht im Radio gehört. Es ging um ChatGPT und die Tatsache, dass Schüler viel geschickter mit diesem Werkzeug umzugehen vermögen als ihre Lehrer. Die Empfehlung des Berichterstatters: Die Lehrer müssen sich jetzt bemühen, diese neue Technologie sich selbst lehren zu lassen.
Ganz anders TikTok – so hieß es im Bericht. Zwar bietet die kurzen Videos auf TikTok neben pure Unterhaltung auch diverse Fakten und Infos an, welche viele junge Leute wie Würstl aufm Kirmes verschlingen.
Dennoch: Im Nu vergessen sie alles wieder.
Zufälligerweise weiß ich, warum dem so ist. Denn ich habe vor dem digitalen Zeitalter sehr viel über den Unterschied zwischen den sog. „mündlichen“ Kulturen und den Schriftkulturen recherchiert.
Die schriftlosen Kulturen unterscheiden sich von den Schriftkulturen nämlich in einem sehr wichtigen Punkt: Sie haben keinen zuverlässigen Zugang zur Vergangenheit. Sie leben stets in der Gegenwart.
Das klingt vielleicht erstrebenswert – insbesondere für klimarettende Träumer. Ist es aber im Grunde nicht: zumindest, wenn man technologischen Fortschritt als Ziel hat.
Die schriftlosen Kulturen sind vollkommen mythologische Kulturen. Alles, was diese Menschen wissen, erfahren sie von Mythen, also von Geschichten über Gottheiten, die vielleicht dies oder jenes erfunden haben (etwa Feuer).
Wenn hingegen in einer Kultur das Schreiben gelernt wird, passiert etwas wundersames im Hirn: Man beginnt logisch zu denken. Logik bedeutet: Tiere haben vier Beine, Katzen haben vier Beine – Katzen sind also Tiere.
In schriftlosen Gesellschaften ist ein solcher Syllogismus nicht unbedingt verständlich.
Ich halte mich heute kurz. Vielleicht schreibe ich wieder mal mehr zu diesem Thema.
Fest steht jedenfalls: Dies ist kein Podcast. Was ich hier mitteile, haben Sie gelesen. Nur deshalb wird der Inhalt intensiv verinnerlicht werden. Würden Sie diesen Text nur hören, wäre all diese Wörter im Nu wieder weg…
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