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Die Kunst der Übersetzung...

Übersetzen. Komisches Wort, mal trennbar: man setzt über – so wie bei den alten Griechen der Bootsmann Charon, der die Seelen der Toten über den Fluss des Vergessens, Lethe, übergesetzt hat; mal untrennbar – und darum geht es in dieser Glosse. Man übersetzt einen Text oder einen Satz aus einer Sprache in eine andere.

Im zweiten Sinn ist „übersetzen“ keine Vokabel der alten Germanen. Erst im 15. Jh. wurde sie in die dt. Sprache übergesetzt. Es war eine Zeit, als die Gelehrten die dt. Sprache eifrig mit vielen verdeutschten lateinischen Vokabeln aufhübschten. „Übersetzen“ ist letztendlich die dt. Version des lateinischen „traducere“, „überführen“.

Was hat man früher gesagt, wenn man etwas aus einer Fremdsprache in dt. Sprache wiedergeben wollte? Wahrscheinlich „verdeutschen“. Auch heute verdeutscht man. Oder man konnte – ab dem 13. Jh. „dolmetschen“. Notabene: Dieses Wort haben Deutsche von den slawischen Sprachen abgeguckt. Eigentlich ein türkischer Begriff für „Vermittler: „dilmaç“. Auch Luther benutzte ihn.
Doch warum berichte ich jetzt übers „Übersetzen“?

Fakt ist: Ich bin momentan dabei, einen Text aus dem Deutschen ins Englische zu „übertragen“, zu „übersetzen“… zu „verenglischen“ aber nicht zu „dolmetschen“. Denn heute sagt man „dolmetschen“ nur, wenn „live“ (sprich „leiw“) übertragen wird. Es geht hier nicht um irgendeinen Text, sondern einen eigenen…was selten vorkommt.

Und zwar um eine Novella, „Hierons Gastmahl – oder das Wort als Ware“. Den Prolog dazu findet man übrigens auf der Sprachbloggeur-Seite unter der Rubrik „Wer bin ich?“. Sie wird jetzt verenglischt, weil mein amer. Verleger sie sehen möchte.

Es geht also um ein Kunstwerk. So was zu übersetzen, erfordert eine besondere Aufmerksamkeit, bzw., Sprachgefühl: Man will nämlich, dass die Übersetzung eine ähnliche Wirkung in der Fremdsprache hat wie im Original.

Klar: Man kann Texte nie ganz eins zu eins übertragen. Das ist eine Eigenart von Sprachen. Sie drücken das gleiche oft sehr unterschiedlich aus. Die dt. Sprache, z.B., liebt Wörter wie „doch“, „noch“, „schon“, „zwar“, „mithin“ usw., wofür man dann englische Lösungen finden muss. Englisch unterscheidet zwischen „I think“ und „I am thinking“, „I was thinking“, „I thought” usw. Oder Idioms. „Er lügt wie gedruckt“, „it’s raining cats and dogs“. Man ist immer auf der Suche nach Lösungen.

Eine harte Arbeit. Ich habe über die Jahre viele Texte – mal literarische mal sachliche – übersetzt. Es waren allerdings immer die Texte anderer. Meine Vorgehensweise war aber stets gleich: erster Schritt – eine wörtliche Übertragung, zweiter Schritt – der Versuch Fehler auszuräumen. Erst dann habe ich das Original beiseitegelegt und in einem dritten Schritt, ohne das Original anzusehen, habe ich alles gnadenlos ins idiomatische Englisch verfeinert.

Komischerweise finde ich es noch schwieriger, mein eigenes Werk ins Englisch zu übertragen. Zumindest dieses Werk. Vielleicht liegt es daran, dass die Sprache, da das Buch im alten Griechenland spielt, sehr schlicht gehalten wird, d.h. frei von Idioms, die in der Zeit nicht passen. Der Leser ist angehalten, sich vorzustellen, er lese Griechisch und befinde sich in der Antike. Das erfordert die Einhaltung einer heiklen sprachlichen Gratlinie: sowohl im ursprünglichen deutschen Text wie auch im Englischen.

Früher hatte ich als Übersetzungswerkzeuge nur Wörterbücher und Synonymwörterbücher. Heute stehen mir lauter digitale Werkzeuge zur Verfügung. Ich verwende persönlich: dict.cc, Leo, Google Übersetzer, DeepL, Linguee. Bisweilen auch mein altes Synonymwörterbuch und mein altes, dickes engl. Wörterbuch.

Bisher habe ich zweimal den deutschen Text und den englischen Satz für Satz miteinander verglichen. Beim dritten Mal, d.h., im Augenblick, tue ich das weniger. Ich versuche mich vielmehr auf den Ton des Englischen zu konzentrieren und ziehe das Deutsche nur manchmal zum Vergleich.

Wahrscheinlich werde ich in der vierten Fassung ganz auf die dt. Version verzichten und nur noch schleifen. Dann wird es eine fünfte Lesung geben: Mit diesem Schritt lasse ich mir meine Übersetzung von Word vorlesen. Das finde ich immer hilfreich.

Und somit habe ich Ihnen ein wenig über die Kunst der Übersetzung verraten – zumindest wie ich sie verstehe.

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