Nun ist es geschehen. Lang habe ich gedacht, dass es doch nicht passieren würde: Aber nun beginnt ein klarer Begriff aus der Politik seine Konturen zu verlieren.
Die Rede ist von „liberal“.
Viele meiner Leser wissen, dass Ich Amerikaner bin. Einige ahnen das wohl nicht, womit ich meine neuen Spammer meine, die mir – momentan – täglich in russischer Sprache Schundbotschaften zukommen lassen. Wahrscheinlich halten sie mich für einen Russen, der deren Schund versteht und als „Kommentare“, diese Seite vermüllen lassen würde.
Komische, komische Welt…und es wird zurzeit immer bunter…zumindest eine Weile bleibt es so.
Aber zurück zu den „Liberalen“.
Als frisch zugezogener Amerikaner musste ich einst rasch erfahren, dass „liberal“ nicht gleichbedeutend ist mit „liberal“.
In den USA bedeutet „liberal“ etwas wie „sozialdemokratisch eingestellt“, ein Mensch also, der auf die freie Ausübung seiner…tja…“Liberalität“ steht.
Jeder solle also auf seine Art glücklich sein, solange er die Glückseligkeit des anderen respektiert…usw. usw. Eine freie und offene Gesellschaft ist also gleich einer „liberalen“ Gesellschaft.
Diejenigen in den USA, die der Meinung sind, dass die Freizügigkeit manchmal zu weit geht, nennt man hingegen „konservativ“.
„Liberal“ und „konservativ“. So heißen die Urpolaritäten im amer. polit. System.
Sie können sich bestimmt vorstellen, dass meine ersten Begegnungen mit dem deutschen – bzw. – europäischen Liberalismus rapide zu Missverständnissen geführt haben.
Irgendwie ist der europ. Liberale vielmehr ein Verwandter des amer. Konservativen als des amer. Liberalen.
Wird schnell konfus.
Die dt. bzw. europ. Liberalen entstammen, falls Sie dies vergessen haben – Traditionen aus dem 18. Jh. Stichwort Edmund Burke und Adam Smith u.a. Das waren mehr oder weniger die Ziehväter des heutigen europ. Liberalismus.
Es waren Denker und Ökonomen, die von einem globalen freien Handel träumten, der letztendlich die Länder Europas bereichern würden.
Vielleicht haben Sie mal in der Schule darüber etwas gelernt.
Ja. Freier Handel. Das ist sehr wohl etwas anders als die individuelle Freiheit, die das Hauptthema der amer. Denker war und geblieben ist.
Von daher ist die FDP also eine liberale Partei, weshalb sie in den Nachrichten „die Liberalen“ genannt werden.
Für einen Amerikaner wie mich, der nur so viel von der Politik verstehen will, um nicht ganz als ignorant dastehen zu müssen, war all dies eine große Überraschung.
„Falsche Freunde“ sagen dazu die Sprachennarren. „Liberal“ und „liberal“ sind ebenso falsche Freunde wie das englische „eventually“ und das deutsche „eventuell“ oder „also“ und „also“.
Nebenbei: Im UK hat „liberal“ die gleiche Bedeutung wie in Deutschland. Die britische Partei, die dem amer. Liberalismus entsprechen könnte, nennt man „Labour“. Aber: und nun der Clue – neulich bin ich in der „Guardian“ auf „liberal“ im amer. Sinn gestoßen. Ich bilde mir ein, dass ich diese Verwandelung auch mal im Deutschen gesehen habe…
Nein, heute schreibe ich nicht über die verrückte gegenwärtige Politik.
Das dürfen andere.
Ich möchte nur auf eins hinweisen: dass der amer. „Liberalismus“ peu à peu dem dt. Liberalismus den Sinn auszuhebeln droht.
Bleiben Sie wachsam. Sie werden dies selbst bestätigen können.
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