Meine Empfehlung: Schalten Sie Ihren Rechner, Ihr Phone, Ihr Tablett aus. Dann legen Sie alle diese Geräte – ohne Strom – in eine Schublade – vielleicht mit Ihren Strümpfen oder Unterwäsche zusammen. Nehmen Sie dann etwas Geld (falls Sie noch Bargeld vorrätig haben) und kaufen Sie sich ein Buch oder ein Musikinstrument.
Lesen Sie Ihre Bücher oder spielen Sie Ihr Instrument. Das wird Ihnen vielleicht auch Spaß machen. Falls Sie schwach werden, denken Sie nur daran: Die oben erwähnten Geräte bleiben weiterhin in der Schublade. Derweil gehen Sie ins Kino oder in die Gaststätte oder ins Restaurant. Verabreden Sie sich mit Freunden oder Freundinnen – oder mit beiden. Genießen Sie sich.
Nach fünf Jahren dürfen Sie, falls Sie möchten, die Geräte, die im Schubladen liegen, wieder rausholen. Was Sie dann mit ihnen machen, ist Ihre Sache. Vielleicht wird man in jener schönen neuen Welt ganz anders mit solchen Kommunikationsgeräten umgehen.
Warum mache ich heute diese – zugegeben – etwas radikale Empfehlung? Wie alles auf dieser Seite geht es auch hier um die Sprache. In diesem Fall – schon wieder leider – um ein sog. „Wort des Jahres“.
Bitte, fangen Sie nicht gleich an zu gähnen. Das habe auch ich beinahe getan, als ich erfahren habe, dass ein neues Wort des Jahres kundgetan wurde, zumal ich erst letzte Woche über die „enshittification“ geschrieben habe. Ich war fest davon überzeugt, dass das das neue Wort des Jahres sei.
Fehlansage. Diese Woche geht es plötzlich um ein anderes Wort des Jahres – diesmal vom ehrwürdigen Oxford Wörterbuch auserkoren.
Diese lautere Wortbestimmungsfabrik hat offenbar bestimmt, dass das Wort des Jahres – zumindest für sie – nunmehr „brain rot“ heißt. Eigentlich zwei Wörter – zumindest auf Englisch. Fairerweise sollte man folglich „Begriff des Jahres“ sagen. Auf Deutsch hingegen hieße diese Vokabel „Hirnfäule“ oder „Hirnfäulnis“ oder „Hirnschimmel“…also doch ein einziges Wort.
Hmm. Mir kommt es allmählich vor, als wären diese sog. „Wörter des Jahres“ fast ausschließlich englischsprachig.
Dennoch schreiben die dt. Medien eifrig darüber und merken sich das neue Modewort ein paar Tage, bis der Nervenkitzel vorüber ist.
„Brain rot“? Ja klar: Es handelt sich seitens der Oxford-Leutebestimmt um eine Art „Kulturkritik“. Nach dem Motto: Schaut, Leute. Ihr vermüllt euch täglich die Hirne mit dem Inhalt der sog. online Portalen, mit dem Resultat, dass ihr verdummt…oder so ähnlich.
Doch Hand aufs Herz: Braucht man ein Wort des Jahres, um zu wissen, dass wir uns mit dummem Zeug vermüllen? Denn schließlich leben wir im Zeitalter der „Informationsrevolution“.
Nein. Wir brauchen keinen Tadel aus Oxford.
Meine Frage: Gab es jemals eine Zeit, wo man sich mit Nonsens nicht vermüllt hat?
Beispiel: In den 1980er Jahren hat ein amer. Sozialkritiker, Neil Postman, ein damals kontroverses Buch geschrieben: „We’re Amusing Ourselves to Death“. Er griff den TV-Konsum an als Ursache einer „brain rot“.
Deshalb mein Vorschlag: Abschalten die nächsten fünf Jahre, nur wenn es Spaß macht. Aber wer weiß? Vielleicht wird dann mal alles anders werden. Doch Achtung: Natürlich würde das bedeuten, dass auch ich von Ihrem Bildschirm verschwinden würde. Nicht so tragisch. Mich finden Sie dann bestimmt woanders.
Add new comment