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Frontbericht vom Sprachenkrieg

In einer Woche erscheint er – in englischer Sprache: mein Roman „Winston Hewlett’s Impotence“. Den Titel muss ich nicht ins Deutsch übersetzen. Er lässt sich leicht verstehen. Warum erzähle ich dies?

Klar, man hofft, dass der eine oder andere neugierig wird und das Buch bestellen wird. Man freut sich als Schriftsteller immer, Leser zu gewinnen.

Ich verkünde die Veröffentlichung aber aus einem anderen Grund. Und der hat selbstverständlich mit Sprache zu tun. Was sonst?

Fakt ist: Über viele Jahre wollte ich mich – zumindest als Schriftsteller – von meiner Muttersprache abkoppeln.

Irgendwie eine peinliche Angelegenheit, dies einzugestehen: Ich war mit der eigenen Stimme in der Muttersprache schlichtweg unzufrieden. Mir kam sie geradezu holprig und rau vor. Wenn ich schrieb, vernahm ich lediglich die Straßensprache meiner Kindheit in der Bronx. Dazu die Sprache meines Vaters, der im ganzen Leben nie einen grammatikalisch korrekten englischen Satz formuliert hatte, obgleich für ihn das Englisch keine Zweitsprache war. Sie war seine einzige Sprache, und er hat sie nie richtig beherrscht. Ich bildete mir ein, ich rede ebenso wie er. Bis heute überarbeite ich meine englischsprachigen Texte manisch. Stets wittere ich Ungehobeltes in meiner Stimme.

Deshalb habe ich „Winston Hewlett’s Impotence“ jahrelang korrigiert und umgeschrieben – vom Gedanken geplagt: Igitt schrecklich, was ich da schreibe. Nebenbei: Das Buch ist sehr unterhaltsam, sehr lustig und zum Teil allerdings auch derb – ohne aber jemals in die Vulgarität zu versinken.

Für mich bedeutete das Deutschschreiben quasi eine zweite Chance, eine Gelegenheit von vorne an wieder anzufangen, mich von meiner grausamen Sprachlast zu befreien. Zugegeben: Mein Deutsch wird nie ganz fehlerfrei sein. Doch die Kleinigkeiten kann man leicht korrigieren.

Es ist eine schwere Arbeit, in einer Fremdsprache zu schreiben. Eine Fremdsprache gut sprechen zu lernen, ist eine Sache. Schreiben erfordert andere Fähigkeiten. Deshalb geht man ja in die Schule!

Dennoch: Ich freute mich, mich von meiner Erblast zu befreien. Wenn ich Deutsch schreibe, sind die Straßen der Bronx und die Stimme meines Vaters weg weg weg. Wenn ich Deutsch schreibe, so denke ich, habe ich eine einzige Aufgabe: Die Texte, die ich schreibe, grammatisch korrekt hinzubekommen.

Was mich sogar oft gelingt – umso mehr, je mehr ich es tue. Vielleicht wäre ich beim Deutschen geblieben…doch dann begann eine liebe Freundin, selbst Schriftstellerin, laut zu protestieren.

„Schreib Englisch!“ Hat sie mir eingeschärft – und das jahrelang. „Deine Seele spricht Englisch und nicht Deutsch!“

Immer wieder hab ich das gehört, und ich antwortete: „Ja aber auf Deutsch fühle ich mich frei. Im Deutschen habe ich keine Vorgeschichte. Keine historische Last, die mich bedrückt.“

Naja. Lange Leber kurzes Zinn. 2011 begann ich wieder in meiner Muttersprache zu schreiben. Es tat weh, tut es immer noch, aber ich mache weiter.

„Winston Hewlett’s Impotence“ erscheint, wie gesagt, demnächst. Ich habe sogar ein Exemplar bekommen. Hübsche Aufmachung. Dennoch: Jedes Mal wenn ich es aufschlage, will ich sofort etwas ändern. Ach! So holprig!, sage ich mir, Wie hast du das übersehen können?! Wie es aber scheint, bin ich wohl der einzige, dem die ungehobelten Sätze auffallen. Trotzdem: Ich denke sie können perfekter, präziser werden.

Na ja. Was soll ich sagen? Falls Sie neugierig sind und Englisch gut verstehen, können Sie das Buch selbst lesen. Notabene: Hier keine Schleichwerbung in eigener Sache. Ich erzähle lediglich von einem Sprachenkrieg.

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