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Parlieren Sie "Freutsch"?

Als ich vor einigen Monaten einer Aufführung des "Rosenkavaliers“ beiwohnte, hatte ich mit dem Schlimmsten gerechnet. Denn ich kannte Straussens atemlose Oper "Elektra“ bereits und war auf ähnlich endlose, bombastische "fortissimi“ gefasst. Ich habe mich sehr geirrt.

"Der Rosenkavalier“ war ein wahres Vergnügen: gespielter Wiener "Schmäh“ auf höchster Ebene, mondän, witzig, farbenfroh, theatralisch. Kann ich nur empfehlen.

Warum erzähle ich von meinem Opernabend? Weil das "Libretto“ für mich zu einem wirklichen Aha-Erlebnis wurde. Hugo von Hofmannsthal hat es geschrieben. Ihm ist es gelungen, die kaiserliche Hofsprache des 18. Jahrhunderts – Zeit des Rokokos also – geradezu genial wieder aufleben zu lassen.

Hier ein paar Beispiele.

"Debarassier er mich ("schaff er mir vom Hals“) und lass er fortservieren.“

oder: "Wird nicht manquieren“ ("fehlen“).

oder "Mach er bonne mine à mauvais jeu?“ ("gute Miene zum schlechten Spiel“).

oder "Bin von so viel Finesse charmiert.“

Das sind nur ein paar Kostproben. Amusant, nicht wahr? Vielleicht haben Sie schon erraten, welcher Teufel mich heute reitet. Jawohl! Es geht um den Gebrauch des Französischen im Deutschen! Warum ist das für mich ein Aha-Erlebnis? Weil ich gleichzeitig ans Denglische denke. Was heute das Englische für die deutsche Sprache ist, war einst das Französische (zumindest in gewissen Kreisen). Dennoch wird das "Freutsch“ heute nicht als große Bedrohung für die Integrität der Sprache angesehen. Ganze 346 Treffer googelt man unter dem Stichwort "Freutsch“. Zum Vergleich: Fürs "Denglisch“ sind es 271.000.

Es war wohl die Aura der Aufklärung im 18. Jahrhundert, die das Französisch damals so salonfähig und von daher nachahmungswert machte. Im Hof des an der Flöte dudelnden preußischen Königs Friedrich II hat man, wie jeder weiß, stets Französisch parliert. Nicht von ungefähr taufte der preussische König Friedrich II (auch "Frédéric“ genannt) seinen Potsdamer Vergnügungspalast "Sans Souci“ – zu Deutsch "Ohnesorg“. Französisch war einfach "le dernier cri“ (sprich "der letzte Schrei“). Viele kluge Deutsche haben sich von dieser Sitte mitreißen lassen zumindest bei tête à têtes oder in der eigenen Korrespondenz – inklusive Geheimrat Goethe in Weimar und sein Freund Friedrich Schiller. Allerdings: In vielen literarischen Texten sucht man beinahe vergeblich nach dieser "Popsprache“. Kommt das Ihnen nicht bekannt vor? Jawohl! Auch das Denglische wird eher in der Popsprache verwendet als in der Literatur.

Längst ist das "Freutsche“ in Deutschland dem Denglischen gewichen. Doch ein paar Reste haben sich dennoch gehalten – zum Beispiel das Wort "Rest“ selbst oder "servieren“, "eruieren“, "bonmot“, "amusieren“ usw. In der Schweiz und in Luxemburg ist das „Freutsche“ allerdings noch immer ein starker Bestandteil des dortigen Deutsch. Das hat aber geopolitische Gründe.

Und wenn der Einfluss des Englischen endlich nachläßt? Denn das wird sicherlich eines Tages passieren. Was kommt also dann? "Deunesisch?“ Ach! Wie soll ich wissen, was reüssieren ("Erfolg haben") wird. Ich foutiere mich ("ich schere mich einen Dreck“) ohnehin darum.

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