You are here

Mein Problem mit dem Telefon

Meine Eltern haben mir schon im zarten Kinderalter richtige Telefonmanieren eingeschärft: "Du muss zuerst 'hello’ sagen. Auf keinen Fall darfst du deinen Namen angeben, es sei denn, wir kennen den Anrufer.“

Ich habe mir diese Anweisungen sehr zu Herzen genommen. Wenn das Telefon klingelte (damals war es wirklich ein Klingeln – in jedem Telefon steckte nämlich eine richtige Klingelmechanik aus blitzendem Stahl), sagte ich "Hello?“.

"Mit wem spreche ich?“ fragte der Anrufende manchmal.

"Das sage ich nicht,“ antwortete ich, "Mit wem spreche ICH?“ Ich blieb immer sehr stur – und bleibe es auch heute.

Im Ernst. Bis heute fahre ich in dieser Weise fort. So sehr habe ich die Frucht meiner Erziehung verinnerlicht.

Warum es mir verboten wurde, mehr als "hello“ als Telefongruß zu bieten, ist mir allerdings nicht bekannt. Hatten wir Angst vor Einbrechern? vor Entführern? Keine Ahnung. In einer Großstadt wie New York wollte jeder vielleicht die Illusion seiner Anonymität bewahren.

Obiges nur zur Einleitung. Heute liegt mir der Vorwurf meiner Söhne am Herzen, dass meine Telefonbegrüßung ausgesprochen unfreundlich klingt. Nebenbei: Ich bin längst vom amerikanischen "hell-O-u?“ (so klingt es in deutschen Ohren) abgerückt. Eine Zeit lang zog ich ein fragendes, deutsches "Hal-LO-o?“ vor. Freunde und Verwandte in den USA haben sich immer über mein deutsches "Hallo?“ lustig gemacht.

Seit geraumer Zeit bin ich zu einem "Ja-a?“ übergegangen. Dieses "Ja-a?“ gefällt meinen Söhnen wiederum gar nicht. Sie meinen, damit klänge ich noch unfreundlicher als üblich. Inzwischen habe ich das "Ja-a?“ ein wenig frisiert und trillere stattdessen ein munteres "Já-aa!“ in den Hörer. Die erste Silbe ertönt stets etwas höher als die zweite.

"Warum meldest du dich nicht einfach mit Nachnamen, wie jeder es hierzulande tut.“

"Ich kann nicht über meinen Schatten springen“, antworte ich defensiv. "Es geht mir ganz gegen den Strich, einem Anrufenden meinen Namen zu verraten. So wurde ich halt erzogen.“

"Aber zumindest freundlich“, sagt der eine Sohn. "Im Büro melde ich mich immer mit Nachnamen. Dann spreche ich die Leute stets mit ihren Namen an, Herr soundso, Frau soundso. Man mag das, es klingt ja persönlich, fürsorgend.“

"Und mein 'Já-aa!’, klingt es nicht melodisch?“

"Meine Freunde denken, du bist immer schlecht gelaunt“, sagt der andere Sohn.

Inzwischen weiß ich, dass man sich am Telefon nur in den wenigsten Ländern mit dem Nachnamen meldet. Dazu zählen Deutschland und Finnland. Notabene: In Finnland nannte man das dortige Geld vor Einführung des Euros "Mark“.

Alexander Graham Bell, der Erfinder des Telefons, hatte sich über eine passende Telefonanrede einige Gedanken gemacht. Sein Vorschlag im Jahr 1876 war "Ahoy!“, so wie die Matrosen zueinander rufen. Die Tschechen haben dieses "Ahoy!“ längst zu einer ganz normalen Begrüßungsfloskel auf der Straße verwandelt. Sonst hat das "Ahoy!“ nirgends Wurzeln schlagen können.

Die Italiener sagen lieber "pronto“ ("fertig“, "bereit“, d.h.: "Ich bin bereit am Apparat zu reden“). Durch ganz Europa hat sich aber zumeist irgendeine Form von "Hallo“ – das gilt auch für das spanische "Hola!“ – durchgesetzt. Japaner sagen übrigens "moshi moshi“. Keine Ahnung, was es bedeutet.

Ich überlege, ob ich eines Tages mein "Ja?“ in ein "Ja, bitte?“ verändern soll. Ich weiß nicht. Mir erscheint "Ja, bitte?“ viel zu kaltschnäuzig. Geschmackssache halt.

Wenn Alexander Graham Bell gewusst hätte, wie kompliziert das Telefonieren werden würde, hätte er bestimmt etwas ganz anders erfunden – vielleicht das Emailen – ist ohnehin viel praktischer.

Add new comment

Filtered HTML

  • Web page addresses and e-mail addresses turn into links automatically.
  • Allowed HTML tags: <a> <p> <span> <div> <h1> <h2> <h3> <h4> <h5> <h6> <img> <map> <area> <hr> <br> <br /> <ul> <ol> <li> <dl> <dt> <dd> <table> <tr> <td> <em> <b> <u> <i> <strong> <font> <del> <ins> <sub> <sup> <quote> <blockquote> <pre> <address> <code> <cite> <embed> <object> <param> <strike> <caption>

Plain text

  • No HTML tags allowed.
  • Web page addresses and e-mail addresses turn into links automatically.
  • Lines and paragraphs break automatically.
CAPTCHA
This question is for testing whether you are a human visitor and to prevent automated spam submissions.
Image CAPTCHA
Enter the characters shown in the image.