Sie kennen die kleinen Dinge, nicht wahr? Die ulkigen Kombinationen aus Strichen, Punkten und sonstigen Zeichen der Interpunktion usw. "Emotikon“ sagt man dazu. Ein nettes Wort, eine Mischung aus "Emotion“ und "Ikone“. Und dass sind sie auch wirklich. Sie drücken Gefühle anhand von Bildern aus. Sie wissen schon: :-) bedeutet "ich mache nur ein Witz“; :-( drückt Enttäuschung, Traurigkeit usw. aus. Man kann sogar ein augenzwinkerndes ;-) einsetzen, um klar mitzuteilen, man meine es nicht so ernst.
Mittlerweile gibt es Emotikone wie der sprichwörtliche Sand am Meer. Manches allerdings ohne Gefühlsbezug. Konnen Sie die Bedeutung vom folgenden "Emotikon“ erraten: -(_8^(I)? Schon das Handtuch geworfen? Es stellt Homer Simpson dar! Oder dies: @>-->--? Was sonst...eine Rose!
Lustig sind die Dinge! Ich benutze sie selbst aber nie. Nicht etwa aus ideologischen Gründen. Ich habe die Gewohnheit nicht. Ich bin halt ein Schriftsteller der alten Schule und drücke meine Emotionen lieber in Worten aus. Was heißt "der alten Schule“! Der französische Lyriker Guillaume Apollinaire und der Amerikaner E.E. Cummings haben vor dem Ersten Weltkrieg etwas Emotikonähnliches bereits verwendet. Nebenbei: Obige Emotikone sind die ersten, die ich jemals geschrieben habe – nicht aber weil ich ein Retrosnob bin. Ich halte die Dinge wirklich für äußerst nützlich. Gewissermaßen bin ich von ihnen sogar ziemlich angetan
Denn das Emotikon stellt ein wahres Novum in der Schriftsprache dar. Mit Ausnahme der typographischen Akrobatik von Schriftstellern wie Apollinaire, Cummings usw. war die Darstellung von geschriebenen Texten Jahrhunderte lang ein ziemlich konservatives Unterfangen. Ein paar Kürzel gab es ja, etwa die "Umlaute“, die ursprünglich ein aufgesetztes „e“ darstellen sollten. Außerdem verwendete man Zeichen wie "§“, "$“, "%“, "&“ und so weiter als Kürzel. Aber Emotionen anhand von Schriftzeichen bildlich darzustellen, da betreten wir ein Territorium wie das der Schriftkulturen der Altägypter, der Babylonier und der Chinesen.
Sind wir dabei, ein neues Zeitalter der Bildsprache einzuleiten? Unkenrufer halten dies sicherlich für möglich. Ich nicht.
Nebenbei: Wissen Sie, seit wann man die Emotikone gebraucht? Ich habe es neulich in einem Artikel aus der "International Herald Tribune“ (vom Kollegen Alex Williams) erfahren. Williams hat sich eingehend mit den lustigen Punkten und Strichen befasst. Nach seinen Recherchen steht ein gewisser Scott Fahlman, ein Informatiker an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh, Pate für diese geniale Erfindung. Wir schreiben das Jahr 1982. Damals betrieb Fahlman ein elektronisches Bulletin Board. In der Steinzeit des Internets waren die Bulletin Boards das, was wir heute als "Webseiten“ bezeichnen. Allerdings ganz ohne Bilder. Die "Bulletin Boards“ waren eine bunte Mischung aus Informationen, Witzen, Zitaten, usw. Fahlman hatte den großartigen Einfall, ulkige Ikone wie :-) zu benutzen, um darauf hinzuweisen, dass etwas nicht ernst gemeint war oder das Miesmachergesicht :-(, um auszudrücken, dass etwas wohl sehr ernst zu nehmen wäre. Nach und nach hat sich den Sinn letzterer Ikone sinnesmäßig ziemlich gewandelt. Heute weist es hauptsächlich auf Missmut.
Es gäbe freilich keine Emotikone ohne Tastatur, obwohl es die Tastatur lange vor den Emotikonen gegeben hat. Immer warten wir auf jemanden mit einem Einfall. Allerdings, so Fahlman, hatte der Schriftsteller Ambrose Bierce schon 1912 auf der Schreibmaschine die Ikone __/! benutzt, um "Lustigkeit“ auszudrücken. Er nannte seine Ikone einen "Snigger point“, zu Deutsch, einen "Kiecherpunkt“.
Es fehlt nur eins: Wenn die Emotikone eine Art Bildsprache darstellen, müssen die bildlich gezeichneten Begriffe eine lautliche Entsprechung haben. Haben sie aber noch nicht. Jemand Ideen?
Ich befinde mich die nächsten paar Wochen in Urlaub. Vielleicht komme ich nicht dazu regelmäßig über die weite Welt der Sprachen zu berichten. Sie werden mir aber verzeihen, wenn ich ein bisschen faulenze, oder? ;-)).
Ein Freund hat mir gemailt, dass man laut dem Duden "Emotikon" (Mehrzahl "Emotikons") schreibt. Ich möchte hiermit empfehlen, dass wir dieses Wort ein bisschen verdeutschen. Also: "Emotikon" (Mehrzahl "Emotikone"). Wer ist dafür? Wer ist dagegen? Wer enthält sich die Stimme?
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