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Aus meinem Sprachleben

"Warum heißt es, ‚Gerald liebt Jonas in DEN Popo’ und nicht ‚in DEM Popo’?“ fragte ich meinen Sohn, nachdem ich obigen Sprayerspruch auf einer Wand entdeckt hatte.

"Würde man 'dem’ schreiben“, antwortete mein Sohn und schaute mich mit seinem "Schon-wieder-eine-von- diesen- dummen-Fragen-Blick“ skeptisch an, "dann hieße es, dass Gerald im Po von Jonas sitzt oder so. Hier geht es um eine sexuelle Handlung. Man fragt sich 'wohin liebt Gerald Jonas’.“

Ja, und genau diese "Wohin-“ und „Wofrage“ irritiert mich. Sie sollte als Hilfe für den Gebrauch des Wen- bzw. Wemfalls dienen. Mir ist sie jedenfalls nur selten eine Hilfe. Im Gegenteil. Sie verwirrt mich. Beispiel: Man sagt: "Das Flugzeug ist im Nebel verschwunden“, und das soll irgendwie die Antwort auf eine Frage, "Wo ist das Flugzeug verschwunden?“, sein. Nur: Ich würde lieber die Frage "Wohin ist das Flugzeug verschwunden?“ stellen. Denn ich sehe vor meinem inneren Auge ein Flugzeug – in Bewegung – , das plötzlich in den Nebel fliegt. Und voilà! Es ist verschwunden! Wohin?

Wie kann ich es Ihnen veranschaulichen: Was Ihnen geradezu mit einer Leichtigkeit über die Zunge flutscht (notabene: "über DIE Zunge“ und nicht "über DER Zunge“), bedeutet fast jedesmal für mich, eine bewusste Entscheidung zu treffen.

Und warum sagt man: "Ich gratuliere IHNEN“ und nicht "SIE“? Mein englisches Ohr wittert hier stets den Wenfall und keineswegs einen Wemfall. Oder ich verzeihe IHNEN, zugleich entschuldige ich SIE. Ein Wirrnis.

Im Klartext: Meine Deutschfehler sind nicht die eines/einer deutschen Muttersprachler(in). Was Sie betrifft: Sie machen vielleicht die üblichen Rechtschreibfehler (mache ich manchmal auch) oder diverse Interpunktionsfehler (mache ich allerdings weniger) und wohl hie und da einen grammatikalischen Fehler – meistens aber aus Gründen der Unaufmerksamkeit. Und vielleicht hapert es auch bisweilen mit dem Sprachstil – dazu braucht man aber nur etwas Übung.

Meine Art von Fehlern machen Sie aber äußerst selten. Denn es geht bei mir um die imperfekte Beherrschung einer Fremdsprache. Anders gesagt: Um Deutsch zu sprechen (bzw. zu schreiben) muss ich erst eine bestehende Programmierung überwinden. Aufgrund meiner englischen Vorkenntnisse kann das Deutsche nie so tief in meinem Ohr sitzen wie es Ihnen möglich ist. Beispiel: Neulich hatte ich einen Satz geschrieben, indem von einem "ergiebigen Frühstück“ die Rede war. Natürlich dachte ich an ein "ausgiebiges Frühstück“. Mein inneres Ohr hatte sich aber nur das "-giebig“ zu eigen gemacht. Der Rest des Wortes produzierte ich auf gutes Glück.

Um in einer Fremdsprache zu reden, muss man viele liebgewonnene Gewohnheiten der eigenen Muttersprache schlichtweg unterdrücken. Im Englischen, zum Beispiel, geben wir in einem Satz zuerst die Ortsangabe und dann die Zeitangabe an. "The airplane arrived in New York at 9 o’clock.“ Im Deutschen muss es “Das Flugzeug kam um 9 Uhr in New York an“ heißen. Es sind Feinheiten, aber auf sie muss man stets achten, wenn man die Fremdsprache einigermaßen korrekt beherrschen will.

Überhaupt kann die Wortstellung dieser Fremdsprache für mich zu einem Spießrutenlaufen werden. "Ich habe damit keine Probleme“, sagen Sie. Mein englischsprachiges Hirn denkt vielmehr "ich habe keine Probleme damit“, was der englischen Wortstellung eher entspräche ("I have no problems with that“). Sehen Sie: "DER Wortstellung entspräche“ und nicht "DIE Wortstellung“. Warum wohl?

Weshalb schreibe ich all dies heute? Um Ihnen mein Leid vorzujammern? Mitnichten. Ich möchte nur etwas über die innere Logik der deutschen Sprache vermitteln. Denn nach der inneren Logik einer Sprache sucht jeder, der eine Fremdsprache verinnerlichen will. Auch Sie. Aber wissen Sie was? Es gibt diese Logik gar nicht – oder wenn schon, dann immer nur ziemlich imperfekt. Meine Schlussfolgerung: Man soll froh sein, dass es mit der Verständigung überhaupt einigermaßen funktioniert.

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