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Von "Usern" und "Nutzern"

In der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift "Brigitte“, hat sich das "Internet-Team“ der Redaktion bei seinen "Userinnen“ herzlich bedankt, dass www.brigitte.de so rasant gewachsen sei.

Aha! dachte ich. So nennt man heute die Menschen, die eine Internetseite besuchen: "User“ bzw. "Userinnen“.

Ich habe mich erinnert, dass ich meine Leser und Leserinnen – und somit meine ich Sie – als "liebe Surfer, liebe Surferinnen“ angeredet habe, als ich vor etwa zwei Jahren vorliegende Seite aus der Taufe gehoben habe. Darüber hinaus bezeichnete ich meine Texte damals als "Blogs“.

Doch das war damals. Heute verstehe ich Sie als "Leser und Leserinnen“; die meist zweimal wöchentlich erscheinenden Essays betrachte ich ganz konventionell als „Glossen“.

"Leser“? "Glosse“? Ich bekenne mich zu diesen nicht gerade originellen Begriffen nicht etwa, weil ich einen Hang zum "Retro“ habe, sondern ganz einfach, weil Sie Leser sind und ich Glossen schreibe – auch wenn sich dies alles im elektronischen Bereich abspielt.

(Stichwort "Retro“: Es ist das jüngste Wort für "alt“ bzw. "altmodisch“, wohl kaum älter als diese Glosse-Serie selbst. Wird man es in zwei Jahren noch immer zu sagen wagen?)

Aber zurück zu den "Usern“. Ich finde das Wort als Bezeichnung für Internetleser mächtig an den Haaren herbeigezogen. Nicht etwa wegen seiner denglischen Herkunft. Nein, so was stört mich wirklich nicht. Nur: Ein "User“ ist wörtlich ein "Nutzer“, ein "Nutznießer“, ein "Benutzer“ oder gar "Ausnutzer". Im "Duden Universal Wörterbuch“ (Ausgabe 2006) findet man hierfür zwei Bedeutungen: 1.) "jemand, der eine bestimmte Droge nimmt“ und 2.) "jemand, der einen Computer benutzt“.

Wobei Erstere schon jetzt in die Jahre gekommen ist. Leute aus der "Szene“ bezeichnen sich sicherlich nicht als "User“. Zu kompliziert. Dieses Wort überlassen sie wohl den Milieutouristen. Letztere Bedeutung halte ich ebenfalls für längst ergraut. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis man nach diesem Begriff im "Duden“ sucht, wie wenn man die Bedeutung von "Rosskamm“ nachschlägt.

Oder irre ich mich? Denn ebenso möglich ist es, dass sich "User“ im Sinne der Brigitte-Redaktion durchsetzen wird. Ich hoffe, nicht.

Komisches Wort. Fühlen Sie sich, während Sie diese Glosse lesen, als "User“, also als "Benutzer“, "Nutznießer“, "Nutzer“ oder "Ausnutzer"?

Für die Bibliothek habe ich freilich eine "Benutzerkarte“. Damit kann ich gewisse Dienste in Anspruch nehmen, was logisch ist. Auch der Gedanke, dass das Lesen nützlich sein kann, ist für mich nachvollziehbar. Aber: der Besuch einer Internetseite und die Beschäftigung mit den dort befindlichen Informationen als "nutzen“ bzw. "usen“ zu bezeichnen? Damit kann ich mich einfach nicht anfreunden.

Ich bin aber gespannt, wohin die "User“ führen werden. Mir kommt das Wort schon jetzt so "Retro“ vor.

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