1907 veröffentlichte eine Frau, die sich B.B.E. nannte, in der Zeitschrift „Century“ einen Bericht über ihren Spaniel Roger.
Sie erzählte, wie sie ihm das Erkennen von Spielkaraten beigebracht habe. Zunächst hatte sie mehrmals auf eine bestimmte Spielkarte gezeigt, wobei sie jedes Mal den Namen der Karte artikulierte. Roger musste diese dann apportieren und bekam eine kleine Belohnung dafür.
Später machte sie die Übung komplizierter. Sie verteilte mehrere Spielkarten auf dem Fußboden und verlangte eine von ihnen. Prompt richtete Roger die Schnauze auf diese und apportierte sie.
B.B.E. brachte dem Hund auf ähnliche Art und Weise den Umgang mit Buchstaben und Zahlen bei.
Roger konnte offenbar einige Wörter, darunter auch den eigenen Namen, buchstabieren und einfache Rechenaufgaben lösen.
Doch als B.B.E. eines Tages den genialen Hund danach fragte, wie viel zwei mal drei seien, während ihre Aufmerksamkeit auf die acht gelenkt war, apportierte Roger mit wedelndem Schwanz die acht.
B.B.E. war danach überzeugt, dass Roger wohl kein Genie war. Er habe nur eins beherrscht: die Fähigkeit, das zu erkennen, worauf das Augenmerk seines Frauchens gerichtet war.
Obiger Anekdote fehlen zwar die Anführungszeichen. Es handelt sich aber um ein Zitat - und jetzt ein wenig Selbstwerbung - aus meinen Buch „Kaspar Hausers Geschwister - auf der Suche nach dem wilden Menschen“, einer ausführlichen Abhandlung über das Phänomen des homo ferus. Das Buch wird im Januar 2018 in einer neuen, gründlich überarbeitet und aktualisierten Ausgabe beim Franz Steiner Verlag erscheinen.
Ende des Werbebanners.
Ich weiß nicht, ob der „kluge Hans“ immer noch als Begriff geläufig ist. Dieses Pferd hat vor dem Ersten Weltkrieg ganz Berlin unterhalten und erfreut. Der Schulmeister Wilhelm von Osten, Besitzer des Hansens, war fest überzeugt, dass sein schlaues Pferd einfache Rechenaufgaben lösen konnte. „Hans, wie viel sind sechs plus sieben?“ Mit scheuem Pferdeblick klopfte Hans mit dem Vorderhuf so lange, bis er die Zahl dreizehn erreicht hatte. Alle staunten… bis eines Tages der kluge Psychologe Oskar Pfungst beobachtete, dass von Osten - zugegeben ohne Arglist - das Hufklopfen seines Pferdes mittels klitzekleiner Bewegungen stets mitzählte. Kaum hatte von Osten mit dem Mitzählen aufgehört, stellte auch Hans das Klopfen ein. Hans war also kein Mathematiker, sondern ein Nachklopfer.
Mir fielen obige Beispiele nur deshalb ein, weil ich in der Schweizer “Weltwoche“ auf einen Artikel über den Mentalisten - zu Deutsch „Gedankenleser“ - Tobias Heinemann gestoßen bin. Heinemann tritt im Theater und im TV auf und setzt sein Publikum mühelos ins Staunen. Denn er kann Ihren PIN-Code erraten, er weiß, was Sie im Supermarkt zu kaufen vorhaben, im Handumdrehen sagt er, in welcher Hand Sie eine Münze versteckt halten etc. Eine nützliche Fähigkeit, vor allem wenn Sie ein Girokonto ausräumen oder Ihren Mitmenschen sonst irgendwie übers Ohr hauen möchten.
Heinemann beteuert, dass er über keine übersinnlichen Fähigkeiten verfügt. Alles, was er macht, sei erlernbar. Er hat sogar in einem neuen, eigenen Buch aus dem Nähkästchen geplaudert.
Soll ich Ihnen verraten, wie er es schafft, anderen Menschen ihre Gedanken, ihre Geheimnissen und ihre PIN-Codes zu entlocken?
Die Antwort ist - so Heinemann selbst - täuschend einfach. Manchmal stellt er scheinbar unschuldige Fangfragen, die das Gegenüber dazu bringt, durch Körpersprachesignale etwas zu verraten. Manchmal beobachtet er diese Signale ohne etwas zu erfragen. Man muss nur wissen, wie die Signale aussehen.
Er verwendet also die gleiche Technik wie Roger und der kluge Hans es taten.
Hallo Fake-news-isten! Wir haben jetzt den Dreh raus. Künftig schauen wir einfach auf eure Signale.
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