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Gedanken über das „Blickficken“

„He Mann, willst du mich blickficken oder was?“

So ähnlich war der Text, den meine Frau mir an einem gemütichen Sonntagnachmittag aus der Zeitung vorlas. „Kennst du diesen Ausdrück?“ fragte sie.

„Ob ich was kenne?“ Natürlich habe ich zunächst nur halb zugehört. Typisch Mann.

„‚Blickficken’. Hast du das Wort mal gehört?“

„Nein, noch nie. Aber ich kann mir was darunter vorstellen. Man zieht jemanden mit den Augen aus.“

„Das ist aber ein Schlägertyp, der es sagt, bevor er zuschlagen will.“

„Was liest du da?“

„Einen Artikel in der SZ.“

Ich erzähle diese kurze Anekdote aus der häuslichen Gemütlichkeit nur wegen dieses Wortes. Vielleicht kennen Sie es schon. Ich nicht.

Spontan tippte ich auf eine Verdeutschung aus dem Amerikanischen. Zu meiner Zeit sagte man „fucking someone with your eyes“. Das ist natürlich sehr derb, hat die Leichtigkeit des „Blickfickens“ nicht und kommt einem bestimmt nicht vor einer Schlägerei über die Lippen. Was mir aber besonders gefällt, ist das Echo der zwei „ick“-Laute. Nein, das „Blickficken“ hat bestimmt eine andere Herkunft als diese.

Gibt es vielleicht im Englischen ein „look fuck“? fragte ich mich. „Look fuck“ wäre ein passendes Äquivalent fürs „Blickficken“ War nur eine Idee, aber neugierig googelte ich diese Wortschöpfung, für den Fall dass es sie tatsächlich gibt.

Jawohl! Meine Sprachinstinkte funktionieren noch immer. Folgendes Zitat entdeckte ich auf einer „Facebook“-Seite: “your picture is beautiful LOL..jk you look fuck ugly :)”.

Die Freude währte nur kurz. Hier geht es nicht um ein „look-fuck“, sondern um ein „fuck-ugly“. Zu Deutsch: „Du siehst grottenschlecht aus.“

Doch dann stieß ich auf folgendes Zitat aus einem Hiphoplied, „Cashmere Thoughts“, von JayZ. Ich zitiere: „I pimp hard on a trick: look fuck if your leg broke bitch, hop up on your good foot.”

Fragen Sie bitte nicht, was der Satz bedeutet. Es genügt zu sagen, dass das Bild sehr aufgesext ist – zumindest das mit dem „pimp hard on a trick“. „Look fuck“ scheint hier aber etwas wie „intensiv gucken“ zu bedeuten. Dass würde auch gut zu dem deutschen Schläger aus der SZ passen.

Meine Theorie: Der Begriff „look fuck“ stammt aus der Hiphopszene und wurde von einem sprachbegabten Atzen in ein „blickficken“ verwandelt.

Schöne Theorie aber letztendlich nicht mein eigentliches Anliegen. Ich stelle hier das „Blickficken“ aus einem anderen Grund vor: Ich möchte nämlich für seine langfristige Aufnahme in die deutsche Sprache plädieren und bin sogar bereit, die Patenschaft zu übernehmen.

Ich weiß. Ich mache es mir mit diesem Vorhaben nicht gerade leicht. Derbheiten haben es schwer, wenn sie eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung ersuchen, sie sind so unbeliebt wie Asylsuchende aus Afrika.Die Frage soll eher lauten: Ist das „Blickficken“ überhaupt integrationsfähig? Warum nicht? sage ich. Immerhin: „Fick mich ins Knie“, jene bunte Halbübersetzung fürs sehr unanständige „go fuck yourself“ hat es geschafft, wenn auch noch nicht in die Unterhaltungen der vornehmsten Kreise vorgedrungen.

Fürs „Blickficken“ bin ich momentan weniger hoffnungsvoll. Schade. Wissen Sie: Für manches sucht man lange und vergeblich nach dem passenden Wort. Mit dem „Blickficken“, kann man beinahe die ganze traurige Geschichte der Gegenwart mit einem Begriff zusammenfassen. Ist das nicht komisch? Manchmal hat man das Wort, das man braucht, um etwas zu beschreiben und weiß es gar nicht.

Comments

...bin auch ich zum ersten Mal dem Wort "blickficken" begegnet: das englische Wort (ich bin sicher, dass es eine englische Erfindung ist) ist eyefuck :-)

Ja, liebe Barbara! "blickficken" ist eine passende dt. Übersetzung für "eye fucking" aber auch für "look fucking". Hab vergessen, dass ich diesen Beitrag geschrieben habe. So oder so ein bildhaftes Konzept! Danke fürs Wachrütteln und schöne Grüße P.J.Blumenthal

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