„Ich bin völlig ratlos: Das mit mit dem ‚Der-die-das’ werde ich nie beherrschen. Es folgt keinem System, ist völlig unlogisch.“ Das sagte ich vor vielen Jahren meiner damaligen Lebensabschittspartnerin. Wir nennen sie Lena. Durch ihren Einfluss kam ich nach Deutschland. Das ist aber eine andere Geschichte und etwas länger. Wir fuhren – sie am Lenker – durch das „Presidio“, einen ehemaligen spanischen Militärstützpunkt, heute Nationalpark in San Francisco. Noch heute kann ich mich an die schönen Rasen und Bäume erinnern.
„Nein“, antwortete sie. „Es ist gar nicht so kompliziert, wie du meinst. Man entwickelt ein Gespür dafür. Zum Beispiel, die weiblichen Wörter. Sie sind stets lieblich, irgendwie ehrenvoll. Ja, genau. Deswegen heißt es ‚die Liebe’ und ‚die Ehre’ – beides weiblich. Man spürt es regelrecht, dass sie weiblich sind.“
„Und wie sagt man ‚hate’ auf Deutsch?“
„Na, siehst du. Da hast du es: ‚Der Hass’ ist logischerweise männlich. Das Hassen war ohnehin schon immer eine männliche Sache.
„Und ‚sex’?“
„Typisch Mann, diese Frage zu stellen. Auf Deutsch heißt es ‚der Sex’ – nicht weil Frauen kein Interesse daran hätten, sondern weil Männer an fast nichts anderes denken. Du siehst wie logisch das ist.“
„Und ‚violence’?“
„Das Wort ist weiblich: ‚die Gewalt’. Aber dafür gibt es sicherlich einen Grund. Ich denke, dass ‚Gewalt’ ursprunglich eine positive Bedeutung hatte. Gemeint war eine ‚weibliche Befugnis’. Irgendwann haben die Männer das Wort für sich eingenommen und glatt ins Gegenteil umgekrempelt – ohne das Geschlecht zu ändern, versteht sich.“
„Wie ist es mit ‚greed’?“
„Ich habe das ungute Gefühl, du willst mir eine Falle stellen. Hast du heute zu tief ins Wörterbuch geschaut? ‚Greed’ auf Deutsch ist ‚die Gier’. Aber auch hierfür habe ich eine Erklärung: Es waren Männer, die aus Bosheit das Wort ins Weibliche versetzten. Die Männer wollen letztendlich alles bestimmen – auch das Geschlecht der Wörter.“
„Lahme Ausrede. Und warum sagt ihr ‚das Weib’ anstelle von ‚die Weib’? Auch eine männliche Gemeinheit?"
„Wäre denkbar. Frauen werden immer benachteiligt. Aber bedenke: Es heißt ‚die Kunst’, ‚die Literatur’ und ‚die Poesie’. Und man sagt erwartungsgemäß ‚der Essay’ und ebenfalls ‚der Roman’. Alles was die Welt zerstückelt, ist männlich, was vereinigt, ist hingegen weiblich. Das kannst du dir als Regel merken.“
"Und ein ‚bomb’?“
„Schon wieder willst du mir eine Falle stellen. Aber diesmal geht der Schuss nach hinten los. ‚Die Bombe’ ist nämlich ein Fremdwort. Eine ‚bomba’ auf Italienisch ist ein Behälter, der mit Erdgas gefüllt wird. Sie dient dem Erwärmen und dem Kochen. Nicht jede ‚Bombe’ muss in die Luft gehen, mein lieber Freund. Und vergiss ‚die Schönheit’ nicht.“
„Und ‚ugliness’?"
„Das ist ‚die Hässlichkeit’. Diese Vokabel hat erst recht nichts mit Weiblichkeit zu tun. Alle Wörter die mit ‚-keit’ enden sind – egal was sie für einen Sinn haben – weiblich. Das ist nunmal so. Woher das kommt, kann ich nicht sagen. Doch höchstwahrscheinlich bedeutete diese Silbe ‚-keit’ urprünglich etwas Schönes."
„Ich sehe schon. Ich komme mit dir auf keinen grünen Zweig. Du findest immer eine Erklärung, um alles zu deinem Vorteil zu verdrehen. Und leider verstehe ich deine Sprache nicht gut genug, um dir Kontra geben zu können.“
„Na, siehst du? Deswegen heißt es ‚die Sprache’ aber ‚der Verstand’.“
„Warum müssen Frauen immer das letzte Wort haben?“
„Das stimmt nicht. Das behaupten Männer immer, aber es stimmt einfach nicht.“
„Doch.“
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