Nein, von mir heute keinen Kommentar zur Diskussion über den Vorschlag, die deutsch Sprache im Grundgesetz als Sprache der Deutschen zu verankern. Mich interessieren vielmehr schlaue Vögel. Genauer gesagt: Mich interessieren zwei Vögel insbesondere. Einer war ein Papagei, der andere ist (oder war) eine Taube.
Neulich bin ich auf eine Rezension über das Buch "Alex and Me“ gestoßen. Autorin Irene M. Pepperberg hat hier in großem Detail die rührende Geschichte ihres Zusammenlebens mit dem Papagei „Alex“ geschildert. Im September 2007 verstarb Frau Pepperbergs gefiedertes Freundchen nach 31 Jahren des Zusammenlebens.
Über Alex habe ich schon mindestens zweimal geschrieben (z.B. am 10. Nov. 2006 und am 2. Nov. 2007). Wissenschaftler haben lange für ihn geschwärmt, weil er wahrhaftig ein kluger Vogel war. Bewiesenermaßen vermochte er eine Menge Wörter (ca. 150) nicht nur papageienartig nachzuplappern, sondern sinngebend zu verwenden. Auch seine Fähigkeit, Mengen bis sechs zu erkennen, wurde viel beachtet. Zudem hat er die Konzepte "groß“ und "klein“ beherrscht und konnte Farben unterscheiden.
"Birdbrain“ ("Vogelhirn“) ist im Englischen ein vielverwendetes Schimpfwort und bedeutet in etwa "Hohlkopf“. Alex lieferte den Beweis, dass das walnussgroße Hirn zumindest dieses Vogels alles anders als hohl war. Frau Pepperberg vermutete, dass Alex intellektuell auf der Ebene eines fünfjährigen Kindes stand. Emotionell verhielt er sich allerdings wie ein Zweijähriger. Das heißt: Alex war eine herrschsüchtige, ichbezogene, unausstehliche Nervensäge – wie die meisten Zweijährigen halt. Er hielt seine Umwelt mächtig auf Trab mit Kommandos wie "Maiskern wollen!“, "Nuss wollen!“.
Doch dieser Nachkomme der Dinosaurier zeigte wohl auch manchmal seine zärtliche Seite. Wenn sie unglücklich war, berichtet Frau Pepperberg, pflegte sich Alex an sie zu schmiegen. Er schaute sie mit pinkfarbigen Vogelaugen an und plapperte sanft "du kitzeln“.
Alex starb an einer Herzarrhythmie. Seine letzten Worte an Frau Pepperberg lauteten, "Mach es gut, ich liebe dich.“
Gescheite Vögel sind wohl keine Seltenheit. In den letzten Jahren hat es viele Studien über kluge Krähen und Raben und auch schlaue Tauben gegeben. Seltsamerweise hat bisher noch niemand behauptet, dass Hühner und Puten zum smarten Federvolk zählen. Vielleicht sind sie bereits durch die vorherrschende künstliche Züchtung zu sehr degeneriert.
Ich musste aber an Alex denken, als ich im Sommer die Akademie der Bildenden Künste in München besuchte. Dieses wunderschöne Haus, noch immer eine Kunstakademie, feierte in diesem Jahr seinen 200. Geburtstag mit einer großen Studentenausstellung. Die Gänge der Kunstakademie sind kilometerlange Straßen. Nein, ich übertreibe, sie sind aber wirklich sehr sehr ausgedehnt und mit endlosen Fenstern bestückt, so dass die hohen gewölbten Gänge hell und großzügig wirken. Während meine Frau und ich von Raum zu Raum durch die Ausstellung schlenderten, erblickten wir plötzlich im Korridor eine verirrte Taube, die mehrmals den Gang herauf und herunter flog. Man merkte ihr an, dass sie allmählich ermüdete und dass sie schließlich verenden würde, wenn sie den Weg ins Freie nicht fände. Viele Menschen, auch ich, öffneten überall im Korridor die großen Fenster, um das Federvieh von seinem architektonischen Gefängnis zu befreien.
Das Tier hat davon wohl nichts mitgekriegt. Es flatterte weiterhin die Korridore entlang.
Tauben, so habe ich mehrmals gelesen, gelten als intelligente Tiere – so wie Alex, nur sprachlos. Einer Studie zufolge sind sie in der Lage in einer Videoaufnahme das Eigenbild als solches zu erkennen. Zwei Wissenschaftler haben 1995 bewiesen, dass Tauben zwischen Bildern von Monet und Picasso unterscheiden konnten. Die Taube meiner Erzählung war zwar in der Lage, eine Ausstellung zu besuchen, vermochte indes, den Ausgang nicht mehr zu finden. Doch auf einmal nahm sie Zuflucht auf einem hohen Nischenvorsprung im Korridor direkt oberhalb von mir. Ich warf das Fenster sachte auf, um das Tier nicht zu sehr zu verschrecken. Was tat das dumme Viech? Es setzte seinen sinnlosen Flug dem Korridor entlang wieder fort. Vielleicht bis heute noch, wenn es noch lebt.
Die beiden Vögel hätten der Verankerung der deutschen Sprache im Grundgesetz sicherlich eifrig zugestimmt.
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