„Nun, ich bin Lichtung auf die Post über "Sex" zu lesen, "Geld" und "Einsamkeit". Sie sind gut.“ So hat sich ein Leser vor einigen Tagen in einem Kommentar beim „Sprachbloggeur“ ausgedrückt.
Ich meinte spontan, es handelt sich um einen englischsprachigen Menschen, der radebrechend versucht, mir eine Botschaft auf Deutsch zu schreiben. Aber was soll das bedeuten, dieses „Nun, ich bin Lichtung auf die Post…“?
Treuer Leser Rappelkopf hat mich, den geborenen Naivling, schnell aufgeklärt: Dieser Satz scheint, ich zitiere, „in der Trommel des Google-Translators zu heiß gewaschen und zu stark geschleudert worden zu sein.“
Natürlich! denke ich, und alle Hirnlichter leuchten bei mir auf einmal: ein Übersetzungsroboter! Wieso bin ich selbst nicht darauf gekommen?
Doch gewissenhaft wie ich bin, versuche ich nun trotzdem den Inhalt der Botschaft aus dem „Google-Translator“ auszubaldowern. Was könnte „Ich bin Lichtung auf die Post?“ für einen Sinn haben? Mir fällt gleich das „Jabberwocky“ ein, das Nonsensegedicht aus „Alice im Wunderland“ (die Christian-Enzensberger-Übersetzung dieses Werkes kann ich übrigens wärmsten empfehlen), weil „Ich bin Lichtung auf die Post“ wie lustige Nonsensepoesie klingt.
„Lichtung auf die Post“. Hmmm. „Lichtung“. Auf Englisch bedeutet dieses Wort „clearing“ oder „glade“. Aber: „I am clearing the posting about sex…usw.“ Das ergibt auf Englisch keinen logischen Sinn. „To clear a posting?“ Zu Deutsch in etwa: „einen Internetbeitrag („Posting“) ausräumen“ oder „lichten“. Das kann es auf keinen Fall gewesen sein.
Oder hat sich der „Kommentarschreiber“ vertippt? Hat er „glade“ geschrieben aber „glad“ gemeint? Hat er vielleicht „Now, I am glad to read the posting about…usw.“ schreiben wollen? Das heißt: Er freue sich nun, das Posting über…zu lesen. Wäre auch möglich. Allerdings: Das Komma nach „now“ irritiert mich, wirkt sinnlos in diesem Zusammenhang.
Noch eine Theorie: Der „Kommentarschreiber“ ist kein „native speaker“. Er hat also dem „Translator“ sein verhunztes Englisch gefuttert mit dem Resultat, dass das Programm Unsinn herausgespuckt hat. Wäre auch möglich.
Letztendlich sind all meine Theorien für die Katz. Und zwar aus einem einfachen Grund: Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass ich „Kommentarschreiber“ die ganze Zeit mit Anführungszeichen versehe. Fakt ist: Der Autor des „Kommentars“ wollte keinen Kommentar schreiben. Er ist lediglich einer aus dem großen Heer der Hausierer, die mit knurrendem Magen die Straßen der Wildweststadt WehWehWeh durchstöbern, um ihre Waren zu verhökern. Das erkennt man daran, dass er seinem Nonsensetext einen Link zu seiner Webseite eingebaut hat. Immerhin keine Kasino- oder Pornoseite.
Ja, so ist das Leben in der neuen, zersiedelten Großstadt WehWehWeh.
Nebenbei: Rappelkopf stellt die Frage, ob ich vielleicht etwas Allegemeines über Übersetzungsprogramme zu sagen hätte. Das ist aber eine sehr große Aufgabe, und ich bin selbst viel zu schlecht informiert, um eine fundierte Antwort zu geben, lieber Rappelkopf.
Dennoch melde ich meine Skepsis spontan an – nicht weil ich vorgestrig denke, sondern weil Computerprogramme stets nach der Logik eines Sachverhalts suchen, während Sprachen ausschließlich mit der Unlogik bestechen. Kleinkinder formulieren ihre Sätze stur wie ein Computer: ich komme, ich kommte, ich habe gekommt. Die Perfektionierung einer Sprache hat hingegen immer mit dem Erlernen von zahllosen Ausnahmen zu tun – und natürlich mit merkwürdigen Redewendungen aus vergangenen Zeiten. Sollten Computerprogramme eines Tages auf diesem hohen Niveau zu übersetzen vermögen, dann werden wir sie auch heiraten können.
Schon habe ich zu viel zu einem Thema gesagt, von dem ich zu wenig verstehe. Ich will lediglich ein Bild von kleinen Menschen malen, die andere kleine Menschen raubtierartig überfallen, weil sie nur auf ihre Kosten zu kommen meinen. Vielleicht sind sie aber letztendlich selbst nur Opfer von sehr großen Tätern – ist fast anzunehmen. Aber nun wissen Sie wenigstens, warum wir in der Vorkriegszeit des 21. Jahrhunderts gelandet sind.
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